Seit Januar hat Deutschland die Präsidentschaft der G7 inne, wieder lädt die Bundesregierung die Mächtigen ins Schloss Elmau, einem Fünfsterne-Edelhotel auf 1008 Meter, am Fusse des Wettersteingebirges in Oberbayern.
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Anders als bei der G7-Präsidentschaft 2015, als Barack Obama zusammen mit der damaligen Kanzlerin Angela Merkel am Fusse des Schlosses mit Weissbier posiert haben, dürfte es dieses Jahr keine solcher Bilder vom am Sonntag beginnenden Gipfel geben. Zu ernst ist die Weltlage: Russlands Aggression gegen die Ukraine, eine von autokratischen Herrschern unter Druck gesetzte liberale demokratische Grundordnung, ein Mangel an Getreide und Energie, explodierende Konsumentenkosten, Flüchtlingsströme, die Klimakrise.
Kanzler Olaf Scholz wird die ersten anreisenden Gäste bereits am Samstagabend begrüssen. Nach Elmau kommen werden Emmanuel Macron (Frankreich), Mario Draghi (Italien), Fumio Kishida (Japan), Boris Johnson (GB), Joe Biden (USA) und Justin Trudeau (Kanada). Erscheinen werden auch die Vertreter der von Scholz eingeladenen Gastländer Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien.
Eingeladen ist auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Dass der 44-Jährige nach Oberbayern reisen wird, ist unwahrscheinlich. Vermutlich wird Selenskyj per Videobotschaft zum Gipfel zugeschaltet. Bis 2014 und der Krim-Annexion hiess das Format viele Jahre lang G8. Doch wegen der russischen Aggression wurde das Land von der G7 ausgeschlossen.
Deutschland hat den G7-Vorsitz unter dem Motto «Fortschritt für eine gerechte Welt» übernommen. Beim Gipfel geht es um Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Stärkung der Demokratie. Das überlagernde Thema wird aber der Krieg in der Ukraine sein - und deren Folgen wie steigende Energiepreise und die Weizen-Krise. Von dem Gipfel «soll ein gemeinsames Signal starker Demokratien ausgehen, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst sind», sagte Kanzler Olaf Scholz.
Bislang ist kaum durchgesickert, was in einem möglichen Beschlussdokument festgehalten werden könnte. Die USA wollen offenbar «Vorschläge ausrollen, um den Druck auf Russland zu erhöhen und unsere gemeinsame Unterstützung der Ukraine zu demonstrieren», zitiert Reuters einen US-Regierungsmitarbeiter.
Ob sich Deutschland unter dem Druck von US-Präsident Biden dazu bewegen lässt, die von der Ukraine gewünschten Marder-Panzer in die Ukraine zu schicken, ist ungewiss. Militärische Unterstützung oder auch die Erhöhung militärischer Präsenz an der Nato-Ostflanke dürfte vor allem beim Nato-Gipfel von Ende Juni Thema werden. Lars Brozus von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin geht davon aus, dass die Gipfelteilnehmer über weitere Sanktionspakete und den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg beraten werden. Brozus auf Anfrage:
Thema dürfte auch die Verknappung von Ressourcen und die steigenden Preise für Weizen und Energie aufgrund des Krieges sein. «Dies trifft die Staaten des globalen Südens härter als die wohlhabenden G7-Staaten.»
Kanzler Olaf Scholz hat Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien nicht zufällig zum Gipfel gebeten. Indien pflegt enge Kontakte nach Russland, kauft dort Waffen und Öl. Scholz möchte das Land näher an den Westen ziehen. Indonesien hat den G20-Vorsitz inne, wo auch Russland Mitglied ist und Wladimir Putin zum G20-Treffen im Herbst auf Bali erwartet wird.
Auch Südafrika hat eine starke Bande nach Russland, der senegalesische Präsident Macky Sall hat den Vorsitz der Afrikanischen Union, viele Afrikanische Staaten leiden unter dem Getreidemangel.
Argentinien wiederum könnte für die G7 zum wichtigen Verbündeten werden: Das Land exportiert Soja, Mais, Weizen und verfügt über die zweitgrössten Ölschiefer-Lagerstätten der Welt. Angesichts der Tatsache, dass China und Russland diese Woche beim Gipfel der BRICS-Staaten (China, Indien, Russland, Brasilien, Südafrika) ein Gegengewicht zum G7-Format zu etablieren versuchten, will Scholz in Elmau ein Zeichen gegen die Autokratien von Peking und Moskau setzen.
18000 Polizistinnen und Polizisten sind für die Sicherheit rund um den G7 in Oberbayern aufgeboten. Die Beamten bauen ihre Standorte auch in Alphütten auf. Zum Wandern ist die Region nahe der österreichischen Grenze an diesem Wochenende Tabu. In München sind mehrere Grossdemonstrationen von Klimaschützern und Umweltaktivistinnen angesagt. (aargauerzeitung.ch)