International
Russland

Russland: Putin entmachtet Schoigu, Nachfolger wird Andrej Beloussow

Russian First Deputy Prime Minister Andrei Belousov speaks to the mobile phone before a meeting of the Skolkovo Foundation Board of Trustees in Moscow region, Russia, on Monday, Nov. 13, 2023. Russian ...
Andrej Beloussow soll neuer russischer Verteidigungsminister werden.Bild: keystone

Putin setzt Angel-Buddy Schoigu ab – das sind die Gründe

Er war lange eine der grossen Konstanten in Putins Machtkabinett: Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Doch nun muss er seinen Posten räumen. Nachfolger wird einer, der bisher nichts mit der Armee zu tun hatte.
13.05.2024, 05:4613.05.2024, 13:18
Mehr «International»

Das ist passiert

Der russische Präsident Wladimir Putin entlässt einen langjährigen Vasallen aus seinem Regierungskabinett: Verteidigungsminister Sergei Schoigu darf nicht in seine Funktion zurückkehren. Stattdessen erhält der während des Ukraine-Kriegs innerhalb von Russland vielfach kritisierte Schoigu eine neue Funktion. Sein Nachfolger wird der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow.

Die aktuellen Entwicklungen auch im Liveticker:

Die Bildung einer neuen Regierung steht an, nachdem die alte nach der russischen Präsidentenwahl Mitte März verfassungsgemäss zurückgetreten war. Nachdem Putin erneut als Präsident vereidigt wurde, stellt er nun seine neue Regierung zusammen.

Weshalb muss Schoigu gehen?

Eine offizielle russische Begründung gibt es nicht für den Schritt. Dafür jedoch eine ganze Menge Theorien. Schoigu war seit 2012 Verteidigungsminister und galt als höchst loyaler Weggefährte Putins. Seine «Sternstunde» hatte Schoigu 2014, als Russland die Krim illegal annektierte. Die Inszenierung dieser Aktion wurde Schoigu zugeschrieben, wodurch seine Popularität in Russland stark anstieg.

In der jüngeren Vergangenheit bekam Schoigus Reputation jedoch mehr und mehr Kratzer. Der im Februar 2022 gestartete Krieg in der Ukraine verlief häufig nicht nach dem Gusto der Russen. Schoigu wurde je länger, je mehr angezählt und auch öffentlich kritisiert. Einflussreiche russische Militärblogger wie Igor Girkin sprachen sich gegen Schoigu aus und kritisierten diesen massiv.

Hauptsächlich ging es dabei um Kritik an der Armeeführung, zudem wurde Schoigu vorgeworfen, zu wenig gegen die Korruption in seinem Departement zu tun. Auch Jewgeni Prigoschin gehörte zu den grossen Kritikern Schoigus. Nach dessen Tod flachte die öffentliche Kritik zwar ein wenig ab – doch hinter den Kulissen war die Position des 68-Jährigen wohl weiterhin geschwächt.

epa11335991 (FILE) - Russian Defence Minister Sergei Shoigu looks on after a wreath laying ceremony at the Tomb of the Unknown Soldier in Alexander Garden on Victory Day, which marks the 79th annivers ...
Sergei Schoigu muss seinen Posten räumen.Bild: keystone

Vor wenigen Wochen war zudem einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, ein langjähriger Vertrauter, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Beobachter hatten auch das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet.

Der 68-Jährige wird nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bislang Nikolai Patruschew bekleidet.

Schoigu soll ein enges und freundschaftliches Verhältnis zu Wladimir Putin pflegen. Berichten zufolge verbrachten die Männer mehrfach Jagd- und Angelausflüge in Sibirien zusammen. Auch aus diesem Grund wird angenommen, dass Putin ihm mit der Versetzung eine Möglichkeit gibt, das Gesicht zu wahren. Die neue Position Schoigus ist zumindest auf dem Papier ebenfalls angesehen.

Wer ist Nachfolger Beloussow?

Die Ernennung von Andrej Beloussow als Nachfolger von Schoigu kommt derweil überraschend. Beloussow ist ein Wirtschaftswissenschaftler, der mit dem Militär- und Sicherheitsapparat bisher wenig zu tun hatte.

Die Nachrichtenagentur Reuters skizziert seinen Werdegang: 1981 schloss Beloussow sein Studium in Wirtschaftswissenschaften an der Moskauer Universität mit einer Auszeichnung ab. Im Gegensatz zu vielen anderen russischen Regierungsmitgliedern diente er nie im Militär oder im Geheimdienst.

Im Jahr 2000 wurde Beloussow Wirtschaftsberater der russischen Regierung, sechs Jahre später wurde er stellvertretender Minister im Wirtschaftsministerium. 2012 wurde er dann zum Wirtschaftsminister ernannt. Seither amtete er mehrheitlich als Regierungsberater, und ab 2020 hatte er die Funktion als Vize-Regierungschef inne.

Der Hauptgedanke hinter der Ernennung Beloussows könnte sein, dass das Verteidigungsdepartement effizienter organisiert werden soll, wie Experte Mark Galeotti gegenüber dem Guardian sagt. Russland hat durch den Ukraine-Krieg viel höhere Ausgaben im Verteidigungs- und Armeebereich, die Kosten sind regelrecht explodiert.

Ein Beamter, der im Verteidigungsministerium arbeitet und anonym bleiben will, sagte gegenüber dem Guardian:

«Der Kreml möchte, dass das Ministerium von einem Ökonomen geleitet wird, der weiss, wie man seine Operationen rationalisiert.»

Die Ernennung Beloussows als Schoigus Nachfolger deutet für einige Experten zudem darauf hin, dass Putin den Krieg vor allem mit der Produktion in den Rüstungsbetrieben gewinnen wolle. «In seiner Denkweise ist das logisch, weil sich der wirtschaftliche Block in dem Krieg als effektiver erwiesen hat als der Sicherheits- und Militärapparat», sagte der Experte Alexander Baunow.

Putins Strategie sei es folglich, Druck auf die Ukraine nicht durch die Mobilmachung neuer Soldaten auszuüben, sondern durch die Kapazitäten des Rüstungskomplexes.

In eine ähnliche Richtung deuten auch die Aussagen von Kremlsprecher Dmitri Peskow zur Ernennung Beloussows. «Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist.» Eine Aussage, die auch als Seitenhieb gegen Schoigu verstanden werden kann.

Die weiteren Personalien in Putins Kabinett

Nebst der Abberufung von Schoigu als Verteidigungsminister wurde im Vorfeld der Neubenennungen auch über weitere Personalien spekuliert.

In der neuen Regierung gibt es nun tatsächlich einige Personalwechsel – keiner davon ist aber auch nur annähernd so wichtig wie die Auswechslung Schoigus. So hält Putin etwa weiter an Ministerpräsident Michail Mischustin fest. Weiter im Amt bleibt zudem auch nach 20 Jahren der 74-jährige Aussenminister Sergej Lawrow, über dessen Ablösung zuletzt ebenfalls spekuliert worden war.

Russian Foreign minister Sergey Lavrov speaks during a joint press-conference with Bolivian Foreign Minister Celinda Sosa Lunda in Moscow, Russia, Friday, April 26, 2024. Celinda Sosa Lunda is on a wo ...
Darf bleiben: Sergei Lawrow.Bild: keystone

Generalstabschef Waleri Gerassimow bleibe an seinem Platz, betonte Peskow. Die militärische Komponente im Verteidigungsministerium bleibe auch nach der Ernennung Beloussows unverändert.

Russian Chief of General Staff Gen. Valery Gerasimov attends a meeting with Russian President Vladimir Putin and the top military brass in Moscow, Russia, Tuesday, Dec. 19, 2023. (Mikhail Klimentyev,  ...
Darf auch bleiben, trotz Kritik: Waleri Gerassimow.Bild: keystone

Noch unklar ist, was mit Nikolai Patruschew geschieht, dem Vorgänger Schoigus im Sicherheitsrat. Er leitete seit 2008 den Sicherheitsrat und hatte vermutlich bei der Planung der Invasion in der Ukraine mitgewirkt. Patruschews neue Rolle soll in den nächsten Tagen bekannt gegeben werden, wie Peskow gegenüber russischen Medien sagte.

Mit Material der Nachrichtenagentur SDA.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
42 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rikki-Tiki-Tavi
13.05.2024 06:46registriert April 2020
Warum nennt sich das bei denen "Verteidigungsminister"? "Chefaggressor" oder sowas in die Richtung wäre doch der richtige Begriff?
12413
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sälüzäme
13.05.2024 06:46registriert März 2020
Putin bleibt sich und seinem System treu, ein korrupter Minister wird gegen einen anderen korrupten ausgetauscht. Als Wirtschaftsminister weiss er ganz genau wie die russische Wirtschaft funktioniert, nur mit Korruption. Vielleicht hofft Putin auch dass Beloussew mit seinen Beziehungen noch ein paar Türen aufmachen kann um dringen benötigte jedoch sanktionierte Bauteile ins Land zu bringen. Dumm nur, der Westen wird auch da genau hinschauen. China wurde schon gewarnt und Xi wird die wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen für Russland nicht riskieren da er zuviele eigene Probleme hat zu Hause.
617
Melden
Zum Kommentar
avatar
BG1984
13.05.2024 06:05registriert August 2021
In den nächsten Tagen wird mitgeteilt, welche Rolle Nikolai Patruschew bekommt. Gefährlich. Die des Fensterstürzers? Von hinten zweimal in den Kopfschiessers oder des Teetrinkers?
4411
Melden
Zum Kommentar
42
    Trump lockert Autozölle – doch für die US-Wirtschaft sieht es düster aus
    Donald Trump hat Erleichterungen für Autohersteller angeordnet. Das Grundproblem aber bleibt: Mit den drakonischen Zöllen auf China-Importen droht ein «Wirtschaftsschock».

    US-Präsident Donald Trump hat seinem «Zollhammer» einen leichten Dämpfer versetzt. Am Dienstag unterzeichnete er an Bord der Air Force One zwei Dekrete, mit denen er die Zölle für Autohersteller aufweicht. Konkret muss neben dem Zoll von 25 Prozent auf importierte Autos nicht zusätzlich der gleich hohe Tarif für Stahl und Aluminium bezahlt werden.

    Zur Story