Die Krim ist seit vielen Jahren beliebtes Urlaubsziel für Russinnen und Russen. Und obwohl die Front von der nördlichsten Stadt Armjansk derzeit nicht einmal 100 Kilometer entfernt liegt, sind auch in diesem Jahr wieder viele Russen auf die völkerrechtswidrig annektierte ukrainische Halbinsel gereist.
Nun aber löst der mutmasslich ukrainische Angriff auf die Krim-Brücke bei Kertsch Frust aus, weil sich einige Russen ihren Urlaub offenbar anders vorgestellt haben. Die Brücke ist – abgesehen von der Route über die russisch besetzten südukrainischen Gebiete – die einzige Landverbindung vom russischen Festland auf die Halbinsel. Jetzt hat die Beschädigung der Brücke den Urlaub einiger Russen vorzeitig beendet oder zumindest deutlich verkompliziert.
Die russischen Behörden wandten sich nach der Brückenattacke an die Touristen, die sich noch auf der Insel aufhielten und forderten sie auf, über die besetzten Gebiete in der Ukraine zurück nach Russland zu fahren – ein Umweg von 400 Kilometern. «Ich bitte die Bewohner und Gäste der Halbinsel, von Reisen über die Krim-Brücke abzusehen und aus Sicherheitsgründen eine alternative Route über Land durch die neuen Regionen zu wählen», sagte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Krim, Sergej Aksjonow.
Denn: Nach der Attacke war die Zufahrt zur Brücke gesperrt worden, in der Folge hatten sich davor lange Staus gebildet. Kurze Zeit später tauchten erste Videos auf, die auch von der Krim in Richtung der ukrainischen Region Cherson Staus zeigten. Dort warteten die Menschen Berichten zufolge mehrere Stunden.
Die geänderte Rückreiseroute verärgerte manche Russen, davon zeugen Beiträge in russischen Touristenchats. Einige Posts hat der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Geraschenko, übersetzt. Demnach schrieb ein Nutzer: «Informationen für diejenigen, die die Krim auf dem Landweg verlassen wollen. Das Wichtigste ist, sich mit der notwendigen Menge an Wasser zu versorgen.» Denn die örtlichen Geschäfte hätten die Wasserpreise um das Acht- bis Zehnfache angehoben, beschwerte sich die Person.
Russian tourist chats are full of panicked Russians who did not get the vacation they desired.
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) July 17, 2023
I've translated some of their posts below.
"Important information for those who are going to get out of Crimea by land route. The most important thing is to stock up on the necessary… pic.twitter.com/HT5A9eG1nu
Zudem gebe es Probleme mit Toiletten. «Kostenlose Toiletten an Tankstellen wurden geschlossen, sie rechtfertigen das damit, dass der Zustrom von Menschen zu gross sei.» Nur gegen eine Gebühr von rund fünf Euro könne man die sanitären Anlagen noch nutzen.
Der Handyempfang ist laut betroffenen Urlaubern ebenfalls gestört. Mehrere Nutzer schrieben, dass sie keinen Empfang auf dem Umweg gehabt hätten. Ein Nutzer gibt den Tipp, Offline-Karten herunterzuladen. Zudem könne man spezielle Sim-Karten für rund 20 Euro an den Checkpoints kaufen, mit denen man auch in den besetzten Gebieten Empfang habe.
Einige Russinnen und Russen, die offenbar zu Hause geblieben sind, reagieren wiederum mit Häme. «Erst gestern habe ich gedacht, was für ein Idiot jetzt Urlaub auf der Krim macht. Nun, jetzt wird man sich bestimmt an den Urlaub erinnern, wenn sie über die Front nach Hause fahren. Sie stören die Logistik unseres Militärs mit Verkehrsstaus», schreibt ein Nutzer und fügt Schimpfwörter hinzu.
Ein anderer fragt in einem Reiseforum: «Diejenigen, die wirklich auf die Krim wollen, können mit Militärwagen unter dem Feuer der ukrainischen Artillerie durch die neuen Gebiete fahren. Wir warten hier auf Rückmeldungen.» Mit «neuen Gebieten» sind die illegal von Russland annektierten ukrainischen Territorien gemeint.
Während sich russische Touristinnen und Touristen, die sich um ihren Urlaub gebracht fühlen, beschweren, ist das Verständnis auf ukrainischer Seite sehr begrenzt. Einige Nutzerinnen und Nutzer reagieren mit Sarkasmus, andere mit Zynismus.
Der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy weist bei Twitter darauf hin, dass es auf der Krim zwar den schwächsten Tourismussommer seit Jahren gebe, aber dennoch eine Menge Russen dorthin führen. Dafür sieht Trubetskoy drei Gründe: Die Preise seien stark gesunken, staatliche Institutionen ordneten den Urlaub auf der Schwarzmeer-Halbinsel oft an und manchen sei nicht bewusst, wie gefährlich es auf der Krim sei. «Einige kapieren es erst vor Ort, dass einige Strände beispielsweise vermint und daher geschlossen sind.»
Trotzdem scheint es noch immer Interesse zu geben, auf die Krim zu reisen. Eine 44-jährige Russin aus der Region Archangelsk sagte der kremlkritischen Nachrichtenseite «Meduza»: «Wir werden auf jeden Fall wiederkommen.» Ein Nutzer namens Kirill gibt in dem Telegram-Kanal «Krim-Brücke-Chat» dazu einen Tipp: «Sie buchen ein Hotel in der Nähe der Brücke für die Nacht, fahren dorthin und schlafen. Früh am nächsten Morgen [geht es dann] ohne Stau über die Brücke in Richtung Krim.»
Verwendete Quellen: