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Russland

Beschädigte Brücke: Der Ärger über die Touristen auf der Krim ist gross

«Was für ein Idiot macht jetzt Urlaub auf der Krim?»

Viele Russen wollten trotz der Nähe zur Kriegsfront Urlaub auf der Krim machen. Dann wurde die Krim-Brücke erneut Ziel eines Angriffs. Nun sind die russischen Touristen sauer über das abrupte Reiseende.
18.07.2023, 16:5218.07.2023, 16:52
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Ein Artikel von
t-online

Die Krim ist seit vielen Jahren beliebtes Urlaubsziel für Russinnen und Russen. Und obwohl die Front von der nördlichsten Stadt Armjansk derzeit nicht einmal 100 Kilometer entfernt liegt, sind auch in diesem Jahr wieder viele Russen auf die völkerrechtswidrig annektierte ukrainische Halbinsel gereist.

A cossack distributes buckwheat porridge to drivers and passengers who gather as they wait for a ferry to Crimea near the village of Ilyich, Krasnodar region, on Monday, July 17, 2023. An attack befor ...
Russische Urlauberinnen und Urlauber auf der Krim: Autofahrer müssen mit langem Stau rechneBild: keystone

Nun aber löst der mutmasslich ukrainische Angriff auf die Krim-Brücke bei Kertsch Frust aus, weil sich einige Russen ihren Urlaub offenbar anders vorgestellt haben. Die Brücke ist – abgesehen von der Route über die russisch besetzten südukrainischen Gebiete – die einzige Landverbindung vom russischen Festland auf die Halbinsel. Jetzt hat die Beschädigung der Brücke den Urlaub einiger Russen vorzeitig beendet oder zumindest deutlich verkompliziert.

Lange Staus vor Krim-Brücke

Die russischen Behörden wandten sich nach der Brückenattacke an die Touristen, die sich noch auf der Insel aufhielten und forderten sie auf, über die besetzten Gebiete in der Ukraine zurück nach Russland zu fahren – ein Umweg von 400 Kilometern. «Ich bitte die Bewohner und Gäste der Halbinsel, von Reisen über die Krim-Brücke abzusehen und aus Sicherheitsgründen eine alternative Route über Land durch die neuen Regionen zu wählen», sagte der von Moskau eingesetzte Gouverneur der Krim, Sergej Aksjonow.

Denn: Nach der Attacke war die Zufahrt zur Brücke gesperrt worden, in der Folge hatten sich davor lange Staus gebildet. Kurze Zeit später tauchten erste Videos auf, die auch von der Krim in Richtung der ukrainischen Region Cherson Staus zeigten. Dort warteten die Menschen Berichten zufolge mehrere Stunden.

Toiletten und Wasser zu Wucherpreisen

Die geänderte Rückreiseroute verärgerte manche Russen, davon zeugen Beiträge in russischen Touristenchats. Einige Posts hat der Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Geraschenko, übersetzt. Demnach schrieb ein Nutzer: «Informationen für diejenigen, die die Krim auf dem Landweg verlassen wollen. Das Wichtigste ist, sich mit der notwendigen Menge an Wasser zu versorgen.» Denn die örtlichen Geschäfte hätten die Wasserpreise um das Acht- bis Zehnfache angehoben, beschwerte sich die Person.

Zudem gebe es Probleme mit Toiletten. «Kostenlose Toiletten an Tankstellen wurden geschlossen, sie rechtfertigen das damit, dass der Zustrom von Menschen zu gross sei.» Nur gegen eine Gebühr von rund fünf Euro könne man die sanitären Anlagen noch nutzen.

«Was für ein Idiot muss man sein»

Der Handyempfang ist laut betroffenen Urlaubern ebenfalls gestört. Mehrere Nutzer schrieben, dass sie keinen Empfang auf dem Umweg gehabt hätten. Ein Nutzer gibt den Tipp, Offline-Karten herunterzuladen. Zudem könne man spezielle Sim-Karten für rund 20 Euro an den Checkpoints kaufen, mit denen man auch in den besetzten Gebieten Empfang habe.

Einige Russinnen und Russen, die offenbar zu Hause geblieben sind, reagieren wiederum mit Häme. «Erst gestern habe ich gedacht, was für ein Idiot jetzt Urlaub auf der Krim macht. Nun, jetzt wird man sich bestimmt an den Urlaub erinnern, wenn sie über die Front nach Hause fahren. Sie stören die Logistik unseres Militärs mit Verkehrsstaus», schreibt ein Nutzer und fügt Schimpfwörter hinzu.

Ein anderer fragt in einem Reiseforum: «Diejenigen, die wirklich auf die Krim wollen, können mit Militärwagen unter dem Feuer der ukrainischen Artillerie durch die neuen Gebiete fahren. Wir warten hier auf Rückmeldungen.» Mit «neuen Gebieten» sind die illegal von Russland annektierten ukrainischen Territorien gemeint.

«Einige kapieren es erst vor Ort»

Während sich russische Touristinnen und Touristen, die sich um ihren Urlaub gebracht fühlen, beschweren, ist das Verständnis auf ukrainischer Seite sehr begrenzt. Einige Nutzerinnen und Nutzer reagieren mit Sarkasmus, andere mit Zynismus.

Der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy weist bei Twitter darauf hin, dass es auf der Krim zwar den schwächsten Tourismussommer seit Jahren gebe, aber dennoch eine Menge Russen dorthin führen. Dafür sieht Trubetskoy drei Gründe: Die Preise seien stark gesunken, staatliche Institutionen ordneten den Urlaub auf der Schwarzmeer-Halbinsel oft an und manchen sei nicht bewusst, wie gefährlich es auf der Krim sei. «Einige kapieren es erst vor Ort, dass einige Strände beispielsweise vermint und daher geschlossen sind.»

Trotzdem scheint es noch immer Interesse zu geben, auf die Krim zu reisen. Eine 44-jährige Russin aus der Region Archangelsk sagte der kremlkritischen Nachrichtenseite «Meduza»: «Wir werden auf jeden Fall wiederkommen.» Ein Nutzer namens Kirill gibt in dem Telegram-Kanal «Krim-Brücke-Chat» dazu einen Tipp: «Sie buchen ein Hotel in der Nähe der Brücke für die Nacht, fahren dorthin und schlafen. Früh am nächsten Morgen [geht es dann] ohne Stau über die Brücke in Richtung Krim.»

Verwendete Quellen:

  • twitter.com: @Gerashchenko_en, @denistrubetskoy
  • forum.awd.ru: Отдых в Крыму 2023. Прогнозы. (russisch)
  • meduza.io: На сухопутных маршрутах в аннексированный Крым образовались многокилометровые пробки (russisch)
  • meduza.io: "Кто сказал, что здесь может что-то случиться? Украинцы? Полуостров — курорт" (russisch)
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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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banda69
18.07.2023 17:51registriert Januar 2020
Ein Zwischenstopp in Mariupol ist empfehlenswert. Dort sind die Errungenschaften der russischen Spezialoperation zu besichtigen.
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G. Laube
18.07.2023 17:33registriert April 2020
Hoffentlich sehen sie bei der Durchfahrt durch ‚ihre neuen Gebiete‘, was ihre Armee dort angerichtet hat.
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Copyright
18.07.2023 17:32registriert März 2017
Also ich weiss ja auch nicht, aber wer macht bewusst Ferien in einem Krisen-/Kriegsgebiet ? 😳
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    «Enthauptungsstrategie» ist bislang erfolgreich – doch ein Risiko bleibt
    Die Angriffe auf Irans Atomprogramm treffen das Mullah-Regime ins Mark. Fraglich ist jedoch, ob die vollständige Zerstörung gelingen kann.

    Nimmt man die israelischen Absichtserklärungen für bare Münze, dann könnten die Angriffe auf nukleare und militärische Einrichtungen im Iran noch bis zu zwei Wochen andauern. Wie im letzten Jahr im Libanon, wo die Hisbollah und ihre Führung von Israel vernichtend geschlagen wurden, ist die israelische Militärführung ganz offensichtlich fest entschlossen, auch den Iran nachhaltig militärisch zu demütigen.

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