Eine Aussage von Wladimir Putin hat selbst Kreml-Aktivisten hellhörig gemacht: In seiner Ansprache drei Tage nach dem Wagner-Aufstand betonte der russische Präsident, dass Jewgeni Prigoschins Söldner-Truppe «vollständig vom Staat finanziert» worden sei. Buchhalterisch exakt bezifferte Putin die überwiesene Summe auf 86.2 Milliarden Rubel für die Zeit zwischen Mai 2022 und Mai 2023, was rund 868 Millionen Franken entspricht.
Was aus Putins Sicht Prigoschins Verrat als noch ungeheuerlicher erscheinen lassen sollte, wurde im Westen - trotz früherer Dementis - als Eingeständnis einer klaren staatlichen Verbindung zur illegalen Söldner-Organisation gewertet. In Russland aber las man Putins Satz ebenso als riesige Verschwendung von Steuergeldern.
Tempi passati. In den Tagen nach der Rebellion setzt das Putin-Regime alles daran, Normalität auf der einen Seite, Entschlossenheit auf der anderen Seite zu markieren. Da Prigoschin selbst vorerst nicht mehr greifbar ist, geht es nun seinem Wirtschaftsimperium an den Kragen.
Für alle sichtbar wurden an Prigoschins Glaspalast in St. Petersburg am Sonntag die Wagner-Logos entfernt. Was hinter den Kulissen geschieht, ist noch gravierender: So soll der russische Staat sämtliche Lieferverträge mit Prigoschins Catering-Holding Concord aufgekündigt haben. Wie der russische Telegram-Kanal «ostorozhno novosti» berichtet, wurden in der Folge auf einen Schlag mehreren Tausend Angestellte ohne eine Entschädigung entlassen.
Nicht viel besser ergeht es dem zweiten grossen Standbein in Prigoschins Firmengeflecht, der Mediengruppe Patriot. Zu ihren bekanntesten Publikationen gehören regierungstreue Medien wie RIA FAN, «Nevskije Novosti» und «Ekonomika Segodnja». Auch sie haben gemäss mehreren Berichten vor wenigen Stunden ihre Aktivitäten eingestellt und die Angestellten entlassen, nachdem ihre Kanäle zuvor von der staatlichen Medienaufsicht Roskomnadsor blockiert worden waren.
Concord versorgte über ein weitverzweigtes Netz von mindestens 22 angegliederten Unternehmen die Armee, Schulen und Krankenhäuser mit Lebensmitteln und Fertiggerichten. Ebenso übernahm es die Lebensmittelverteilung in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine. Laut russischen Angaben belaufen sich die Lieferverträge zwischen dem Staat und Concord auf 8.5 Milliarden Franken im Jahr.
Für «Putins Koch», so der Übername von Prigoschin aufgrund seiner gastronomischen Aktivitäten, war die Gründung der Concord-Gruppe ein Meilenstein auf seinem Aufstieg zum schwerreichen Unternehmer. Wie russische Quellen weiter berichten, werden nun seine Küchenequipen, Lager-Angestellten, Kantinenbetreiber und Buchhalter aufgrund einer blossen mündlichen Kündigung auf die Strasse gesetzt, damit keine belastenden schriftlichen Zeugnisse publik werden.
Wer nun anstelle der Concord-Gruppe so schnell die Verpflegung der russischen Streitkräfte und staatlichen Betriebe übernehmen soll, ist ungeklärt. Militärblogger rechnen mit einer Verschärfung der ohnehin schon schwierigen Versorgungslage an der Front in der Ukraine.
1/ Yevgeny Prigozhin is known as "Putin's chef" for his many contracts to supply the Russian government with catering and food. But last year the Russian Ministry of Defence sued him 560 times for supplying the Russian army with poor-quality, rotten and infected food. ⬇️ pic.twitter.com/wita8L8NJP
— ChrisO_wiki (@ChrisO_wiki) January 24, 2023
Gleichzeitig wird in den sozialen Medien daran erinnert, welch schlechten Ruf Prigoschins Catering-Imperium bei den russischen Soldaten hatte. Im Jahr 2022 wurde Concord vom russischen Verteidigungsministerium in rekordverdächtigen 560 Fällen wegen qualitativ minderwertigen oder sogar verdorbenen Essens auf Schadenersatz in der Höhe von rund 1.5 Millionen Franken verklagt.
Wenig erstaunlich berichtet das russische Exilmedium «Meduza», dass Prigoschin bereits zahlreiche staatliche Catering-Aufträge verloren hatte, noch bevor er gegen Putin rebellierte und zum «Marsch auf Moskau» ansetzte. (aargauerzeitung.ch)
Steht als Titel. Ob das seine Soldaten auch süss finden, wenn sie nichts zu Essen haben darf bezweifelt werden.
Putin schiesst sich also mit seiner Racheaktion wieder einmal selber ins Bein.
Schön, wenn Rachefeldzüge direkten negativen Einfluss auf den russischen Angriffskrieg haben.
Nur weiter so. Stimmt für mich.
Im Jahr 2022 wurde Concord vom russischen Verteidigungsministerium in rekordverdächtigen 560 Fällen wegen qualitativ minderwertigen oder sogar verdorbenen Essens auf Schadenersatz verklagt
Das gute am Ganzen ist, dass wer nichts zu Essen bekommt, auch kein minderwertiges oder verdorbenes Essen bekommt.
Ihne Essen sinkt zudem die Moral und Kampfkraft.
Wie es scheint, nimmt Prigoschins Absetzung jetzt indirekt doch Einfluss im Krieg.
Ich hoffe sie meutern an der Front.