Wolodimir Selenskyj verlangt zwei Dinge von der Anti-Putin-Koalition: Sie soll schwere Waffen liefern. Und die Ukraine soll offiziell Beitrittskandidatin für die EU werden. Das wiederholte der ukrainische Präsident zu Wochenbeginn.
Nun wollen voraussichtlich am Donnerstag gleich drei europäische Spitzenpolitiker gemeinsam nach Kiew reisen und Selenskyj treffen. Die italienische «La Stampa» berichtete über das Vorhaben des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und des italienischen Premiers Mario Draghi. Die Reise wurde weder bestätigt noch dementiert.
Es wäre ein Besuch der Spitzen jener Länder, die in der EU den Ton angeben, aus ukrainischer, osteuropäischer und amerikanischer Sicht aber Russland und dessen Präsident Wladimir Putin noch immer zu unentschlossen gegenübertreten. Das Trio eint die Vorstellung, der Krieg werde am Verhandlungstisch beendet. Dazu sind sie zu Zugeständnisse an Putin bereit.
Was also wollen die drei in Kiew? Und wo liegen die Knackpunkte? Eine Übersicht:
Kaum ein politischer Führer des Westens ist so stark unter Beschuss geraten wie Olaf Scholz. Er versucht einen unmöglichen Spagat: Die Ukraine zu unterstützen, ohne Russland zu sehr auf die Füsse zu treten. Zwar verspricht Scholz der Ukraine Waffen, auch schweres Geschütz. Die deutschen Panzerlieferungen haben aber Verspätung.
In Deutschland geht die Öffentlichkeit hart ins Gericht mit Scholz. Manche sehen in ihm sogar den Schuldigen, sollte die Ukraine gegen Russland den Krieg verlieren. Das, betont Scholz, dürfe freilich nicht passieren.
Gleichzeitig fürchtet Scholz das vom ukrainischen Präsidenten definierte Kriegsziel. Es geht Selenskyj nicht allein um die Verteidigung der vor der Invasion von der Ukraine kontrollierten Gebiete, sondern auch um die Rückeroberung der Halbinsel Krim. Das käme einer Demütigung Putins gleich.
Scholz gehört zu jenen Kräften, die Putin nicht allzu stark provozieren wollen. Er warnt vor einem möglichen Befreiungsschlag Russlands mit Nuklearwaffen: Ein Szenario, das er mit allen Mitteln verhindern will.
Bei der EU-Frage zeigte sich Scholz zuletzt offen, betonte aber auch mit Blick auf die schon lange wartenden Kandidaten im Westbalkan, es könne kein Eilverfahren für die Ukraine geben.
Für französische Medien findet der Krieg nicht in Europa, sondern an den «Toren Europas» statt. Die französischen Wahlen rückten den Krieg in der Ukraine sowieso in den Hintergrund. Für Präsident Emmanuel Macron hat das den Vorteil, dass er seine Ukraine-Politik nicht gegen alle Widerstände verteidigen muss. «Der Westen darf Putin nicht demütigen», mahnte der französische Präsident und sorgte damit für eine Welle der Entrüstung – in der Ukraine selbst und in den Reihen ihrer engsten Verbündeten.
Macron war vor allem zu Beginn des Kriegs der Mann in Europa, der immerhin noch einen Draht zu Russlands Präsidenten Putin hatte. Für Macron ist eine europäische Sicherheitsarchitektur ohne Einbezug Russlands unvorstellbar. Und an die Adresse der Ukraine schlug er die Schaffung einer «europäischen politischen Gemeinschaft» vor, in die neben der Ukraine auch Moldawien und Georgien aufgenommen werden könnten.
Das wäre eine Art Zweite-Klasse-Wartezimmer vor einer Mitgliedschaft im exklusiveren Club der Europäischen Union. Was das genau für eine Gemeinschaft sein soll, verstehen nicht nur die Ukrainer nicht. Mit dem Status «Kandidat zur Mitgliedschaft in der EU» gibt es bereits heute so etwas wie ein Wartezimmer.
Als französischer Präsident muss sich Macron zu Hause mit mehreren Putin-Freunden herumschlagen. Entsprechend gross ist die Toleranz, welche die französische Bevölkerung seiner im Ausland kritisierten Ukraine-Politik entgegenbringt.
Ist Italiens Premier die Schlüsselfigur in dieser Ukraine-Reisetruppe? Mario Draghi hat eine ausserordentlich starke Rolle in Italien, gemessen an früheren Premiers. Und das, obgleich er für seine Ukraine-Politik eigentlich einen schwierigen Stand in seinem Heimatland hat – er stellte sich seit Beginn der russischen Invasion konsequent gegen Putin.
Die historisch starken Kommunisten sowie ein in der italienischen Bevölkerung tief verankerter Anti-Amerikanismus führen dazu, dass Waffenlieferungen und bedingungslose Unterstützung für die Ukraine argwöhnisch betrachtet werden.
Die Regierung Draghi fiel vor Wochen auf, als sie einen Vier-Stufen-Plan für einen Frieden in der Ukraine präsentierte. Er umfasste unter anderem Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über die umkämpften Gebiete im Donbass. Obwohl er damit in erster Linie Putin entgegenkommt, wurde der Plan von Russland in aller Schärfe abgelehnt.
Punkto Annäherung der Ukraine an die Europäische Union stellt sich Draghi ganz hinter Macrons Vorschlag eines Zweiklassen-Europas.
Gut möglich, dass das Angebot des Trios an Selenskyj tatsächlich in einer Art Annäherung der Ukraine an die EU liegt. Das ist jedoch kaum vorstellbar, ohne dass gleichzeitig Forderungen an Selenskyj gestellt würden, etwa dass er Russland Zugeständnisse machen müsse. Das würde wiederum bedeuten, dass die Ukraine Regionen wie den Donbass und die Krim definitiv verlieren würde. Oder mit anderen Worten: Es wäre ein Teilsieg für Putin.
Sehr gut. Es darf kein Zweifel offen bleiben dass Putins Aggressionen keinen Platz haben in dieser Welt, und dass wer so handelt seinen eigenen politischen Untergang einläutet
Etwas Vernunft könnte man eher von Putin verlangen.
Putin soll nicht gedemütigt werden...... aber alle anderen schon? Und wieder denke ich .... nein.
Aber dieser Krieg... wie kann er beendet werden? Noch ist alles offen. Mit Vernunft macht man alles zu.
Geschrieben auf dem Sofa..... ich weiss, das ist nicht vernünftig.