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Putin ruft zu den Waffen: Sein Land reagiert emotional

epa10133375 Russian soldiers hold a huge National flag of Russia, at the Poklonnaya hill, marking the Russian National Flag Day in Moscow, Russia, 22 August 2022. The day marks the anniversary of the  ...
Bild: keystone

Putin ruft zu den Waffen: Sein Land reagiert emotional

Aus mehreren Regionen Russlands wird gemeldet, dass Männer bereits für den Krieg rekrutiert werden. Teils wurde gegen Putins Entscheidung protestiert, andernorts scheinen sich junge Männer über die Einberufung in die Armee zu freuen.
22.09.2022, 22:4323.09.2022, 09:02
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Ein Artikel von
t-online

Noch nicht viel Zeit ist vergangen seit Putin die Teilmobilisierung seines Landes erklärt hat – und schon werden offenbar die ersten Männer eingezogen. Frauen verabschiedeten ihre Ehemänner, Kinder ihre Väter, so berichtet es der russische TV-Sender Doschd in sozialen Medien. In einem Video des Senders ist auch zu sehen, wie Männer in Jakutien, im russischen Fernen Osten, eine kurze Unterweisung erhalten und auf die bevorstehende Abreise eingestimmt werden.

Unterdessen veröffentlichte das Team um den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der derzeit in Haft sitzt, Videomaterial aus Ulan-Ude, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Burjatien in Sibirien. Demnach sollen Studierende der Staatlichen Universität Burjatien direkt aus dem Unterricht geführt worden sein. Beamte der Militärpolizei seien bereits früh am Morgen erschienen, heisst es, das Video soll von einem der Studenten aufgenommen worden sein.

Noch am Vortag hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärt, dass Studierende von der Mobilisierung ausgenommen seien. Die Echtheit der Videos ist nicht prüfbar. Aus Burjatien waren allerdings bislang besonders viele Menschen in den Krieg in die Ukraine geschickt worden – und viele tote Soldaten wurden zurückgebracht. Das berichtet das Portal Meduza.

Ein 32-jähriger Mann aus Moskau postet ein Video von sich , in dem er einen gestempelten Zettel in die Kamera hält. Demzufolge soll sich Wiktor Bugreew an diesem 22. September 2022 um 15 Uhr bei der Militärverwaltung einfinden und zum Dienst melden, andernfalls drohe ihm Strafverfolgung. Der IT-Experte meint: «Ich habe nie Militärdienst geleistet, ich habe keine militärische Spezialisierung.»

Eigentlich sollte laut offizieller Erklärung der russischen Regierung bei der Teilmobilisierung lediglich Menschen mit militärischer Erfahrung eingezogen werden. Anderen Berichten zufolge sollen Menschen, die bei Demonstrationen teilgenommen haben, verhaftet und direkt in den Militärdienst eingezogen worden sein.

Freude über Teilmobilisierung?

Insgesamt lässt sich aus dem Westen heraus allerdings nur schwer ein genaues Bild von der Lage nach Bekanntgabe der Teilmobilisierung zeichnen. Neben den Protestbildern finden sich auch einige Videos in den Sozialen Netzwerken, in denen junge Männer ihre Einberufung offenbar begrüssen. Einige feiern diese sogar mit Alkohol.

Laut Angaben der russischen Armee hätten sich rund 10'000 Menschen in Russland innerhalb von 24 Stunden gemeldet, um beim Militäreinsatz in der Ukraine zu dienen. Sie seien freiwillig und ohne auf Vorladungen zu warten in die Rekrutierungsbüros gekommen, sagte ein Militärsprecher der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Die Armee habe ein Callcenter eingerichtet, um Fragen zur Mobilisierung zu beantworten.

Emotionale Szene spielen sich in Dagestan ab

Derweil teilt am Donnerstag ein Publizist aus dem Nordkaukasus auf Twitter ein Video, wonach angeblich eine für die Rekrutierung zuständige Frau in der Kaukasusrepublik Dagestan versucht, Männer davon zu überzeugen, in den Krieg zu ziehen und ihre Kinder in den Militärdienst zu schicken.

Die Männer entgegnen, sie wüssten nicht, weshalb sie das tun sollten. «Sie sagen ständig, dass wir für unsere Zukunft kämpfen müssen, aber von was für einer Zukunft reden Sie, wenn wir nicht einmal unsere Gegenwart haben?» Es wird sehr emotional. Ebenfalls in Dagestan protestierten offenbar Menschen gegen die Teilmobilisierung und blockierten eine Strasse.

Ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Helsinki-Commission, Bakhti Nishanov, twittert, derzeit würden verstärkt Menschen aus Jakutien, Sacha, Burjatien, Dagestan und Tschetschenien mobilisiert. Er wirft die Frage auf, ob bewusst systematisch ethnische Minderheiten Russlands im Krieg eingesetzt werden sollten. Ähnlich äussert sich Sam Greene, Direktor des Washingtoner Think-Tanks CEPA, auf Twitter .

Ein weiteres Video aus dem Fernen Osten soll zeigen, wie Neu-Rekruten noch kurz vor Abflug erste Informationen bekommen und dann in ein Flugzeug Richtung Militärdienst steigen.

Sämtliche Berichte sind schwer zu prüfen. Umstritten war deshalb auch eine Liste mit Namen, die am Donnerstag im Nachrichtendienst Telegram auftauchte. Darauf: Tausende Namen, alphabetisch sortiert, samt der in Russland typischen Vatersnamen, Geburtsdaten und Adressen. Hacker wollen die Liste verbreitet haben, weitergehende Informationen wurden aber nicht publik, weshalb Beobachter vermuten, dass die Liste gefälscht ist. Auch weil Namen von Personen enthalten sein sollen, die sich bereits zuvor freiwillig zur Armee gemeldet hätten.

Fest steht: Die Teilmobilisierung hat in ganz Russland erhebliche Verunsicherung ausgelöst. Bereits am Mittwoch versuchten etliche Menschen panikartig das Land zu verlassen. Flugtickets in visa-freie Staaten waren zeitweise ausverkauft oder extrem teuer geworden. In der türkischen Hauptstadt Ankara sollen immer mehr russische Männer im wehrfähigen Alter ankommen. Ein Exodus soll auch von Burjatien in Sibirien in die angrenzende Mongolei stattfinden. An der russisch-georgischen, der finnischen und der kasachischen Grenze bildeten sich der Internetseite Meduza zufolge lange Schlangen. Zumindest aus Finnland gab es aber auch Dementi, wonach es zwar Stau gegeben hatte, allerdings seien aber auch Bilder aus der Vergangenheit gezeigt worden, welche nicht der realen Situation vor Ort entsprochen hätten. (t-online, cli)

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90 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jo Kaj
22.09.2022 23:27registriert Juli 2019
"Anderen Berichten zufolge sollen Menschen, die bei Demonstrationen teilgenommen haben, verhaftet und direkt in den Militärdienst eingezogen worden sein."

Super-Strategen bei der Rekrutierung der Motiviertesten. 🤦
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Herb Alpert
22.09.2022 23:10registriert September 2018
Dieser Kommentar muss nicht veröffentlicht werden. Die Hauptstadt von der Türkei ist Ankara, nicht Antalya.
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G. Laube
22.09.2022 23:11registriert April 2020
Putin will die ganze Menschheit ins Chaos stürzen um seinen Kopf zu retten.
Wieso gehen die Russen nicht zu 100-tausenden auf die Strasse? Ja, ich weiss sie würden damit viel riskieren, aber dieses Regime kann nur von innen gestürzt werden.
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