Mehr als zwei Jahre nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat Kremlchef Wladimir Putin den bisherigen Machtapparat in Moskau verändert. Als ersten Schritt entliess er seinen Verteidigungsminister und engen Vertrauten Sergej Schoigu.
Schoigus Nachfolger soll der bisherige Vize-Regierungschef Andrej Beloussow werden, wie die russische Staatsagentur Tass am Sonntag unter Berufung auf den Föderationsrat meldete. Dort waren Putins Vorschläge für die Zusammensetzung der neuen russischen Regierung eingegangen. Putin war erst vor wenigen Tagen für eine neue Amtszeit vereidigt worden.
«Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist», erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow Putins Entscheidung für einen Zivilisten an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Beloussow sei nicht nur Zivilbeamter, sondern habe auch viele Jahre erfolgreich in der Politik gearbeitet und Putin in Wirtschaftsfragen beraten. Er sei «zweifellos der beste Kandidat», den Komplex der russischen Rüstungsindustrie auszubauen und neue Technologien einzuführen, wurde der Duma-Abgeordnete Sergej Gawrilow von Tass zitiert.
Vereinzelt war allerdings über eine mögliche Entlassung des 68 Jahre alten Schoigus, der seit 2012 Verteidigungsminister war, spekuliert worden. Vor wenigen Wochen war einer von Schoigus Stellvertretern, Timur Iwanow, wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden. Beobachter hatten das als Anzeichen von Machtkämpfen innerhalb des russischen Militär- und Sicherheitsapparats gewertet. Generalstabschef Waleri Gerassimow bleibe an seinem Platz, betonte Peskow. Die militärische Komponente im Verteidigungsministerium bleibe auch nach der Ernennung Beloussows unverändert.
Schoigu soll nun Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates werden; diesen Posten hat bislang Nikolai Patruschew bekleidet. Patruschews neue Verwendung werde in Kürze bekannt gegeben, erklärte Peskow. Der 72-jährige Hardliner, ehemalige Leiter des Inlandsgeheimdienstes FSB, galt als «graue Eminenz» im Kreml.
Schoigus 65 Jahre alter Nachfolger Beloussow war lange Jahre Putins Berater in Wirtschaftsfragen, bekleidete in den vergangenen Jahren verschiedene Posten in der Regierung. Unter anderem war der Wirtschaftsexperte im Jahr 2020 für mehrere Wochen kommissarischer Regierungschef, als Michail Mischustin mit einer Corona-Infektion ausgefallen war.
Aussenminister Sergej Lawrow bleibt Leiter des Aussenressorts. Das verlautete am Abend aus dem Föderationsrat, wie die Agentur Interfax berichtete. Der 74-Jährige ist bereits seit 2004 im Amt und damit einer der dienstältesten Aussenminister weltweit. Der enge Vertraute Putins gilt als unentbehrlich für Russland in Krisenzeiten.
Immer wieder war spekuliert worden, ob Lawrow angesichts dieser langen Amtszeit in der neuen Regierung, die aktuell in Russland gebildet wird, nicht mehr vertreten sein könnte. Stattdessen aber entliess Putin am Sonntagabend überraschend und mitten im Krieg seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu. (sda/dpa/lyn)
Ich hoffe, dass sich die personelle Übergangsphase auch auf dem Schlachtfeld zu Ungunsten Russlands bemerkbar macht, so dass sich der neue Verteidigungsminister voll und ganz dem geregelten Abzug widmen kann.