International
Russland

Russland: So lief der Amtsantritt von Wladimir Putin

Putin-Festspiele in Moskau: Zum Amtsantritt richtet er vergiftetes Angebot an den Westen

Bei seiner Inauguration im Kreml schwört Wladimir Putin sein Volk auf seinen Kriegskurs ein. Russlands Patriarch Kirill segnet den 71-Jährigen für «eine Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts».
07.05.2024, 17:5707.05.2024, 17:57
Inna Hartwich, Moskau / ch media
Mehr «International»

Es schneit in Moskau, als Wladimir Putin sich in seinem blank polierten schwarzen Aurus in den Grossen Kremlpalast kutschieren lässt. Die inszenierte Feierlichkeit des alten und neuen Präsidenten versinkt geradezu in der depressiven Stimmung über der Stadt.

epa11324424 Russian President Vladimir Putin attends the inauguration ceremony in the Kremlin, in Moscow, Russia, 07 May 2024. Putin won the presidential elections in March 2024. EPA/ALEXANDER ZEMLIAN ...
Zum fünften Mal als Präsident im Amt eingesetzt: Kreml-Chef Wladimir Putin bei seiner Inauguration in Moskau.Bild: keystone

Die Minusgrade - es sei der kälteste 7. Mai seit einem Vierteljahrhundert, sagt der russische Wetterdienst - spiegeln die Hoffnungslosigkeit und den politischen Frost wider, die das Land in den kommenden sechs Jahren erwartet. Auch wenn es sich und seine Helden lautstark besingt.

So steht Putin am Treppenende des Palastes, der Schneeregen prasselt auf seine Schultern, neben ihm das Rednerpult mit den nassen Mikrofonen, vor ihm stramm die Präsidentengarde. Es ist seine fünfte Inauguration. Die Kamera, die die Bilder einfängt, zeigt einen Präsidenten, der allein dasteht, entfremdet vom Land und seinen Menschen. Er ist gefangen in seinem Wahn von Russlands Grösse, in seinen unversöhnlichen Gelüsten, es der ganzen Welt zu zeigen.

epa11324714 Russian President Vladimir Putin (C) takes part in the parade of the Presidential Regiment on the Kremlin's Cathedral Square after the inauguration ceremony in the Kremlin in Moscow,  ...
Putin bei einer Rede nach seiner Vereidigung.Bild: keystone

Und wenn es sein muss, dann eben mit Atomwaffen, wie er auch am Vortag der Amtseinführung wieder gedroht hatte. Eine Welt ohne Russland sei für den 71-Jährigen keine Welt, erklärt er immer wieder. Dem Dialog mit dem Westen sei er natürlich nicht abgeneigt, sagt er auch an diesem kalten Dienstag, «aber ohne ihre Überheblichkeit und Wichtigtuerei». Der Westen habe die Wahl: «Will er die Aggression fortsetzen oder doch nach einem Weg der Zusammenarbeit suchen?»

2600 Zuschauer beim Putin-Fest

Die pompöse Zeremonie lässt Putin fast schon geschäftsmässig über sich ergehen. Lange Kamerafahrten begleiten ihn von seinem Arbeitszimmer, wo er noch schnell einen Blick in seine Dokumente wirft und sein Jackett zuknöpft, in den Heldensaal des Heiligen Georgs, durch den Alexandersaal bis in den Thronsaal des Kremls hinein.

Hier legt er vor mehr als 2600 Zuschauern - Politikern, Geschäftsleuten, Künstlern, Soldaten seiner «militärischen Spezialoperation» in der Ukraine und den Kindern der gefallenen «Helden» - seine rechte Hand auf die russische Verfassung. Er schwört, «die Menschenrechte und die Freiheiten jedes Bürgers zu achten und zu schützen, die Verfassung der Russischen Föderation zu verteidigen und die Souveränität und die Unabhängigkeit des Staates zu wahren».

Derweil werden Tausende Russinnen und Russen wegen ihrer Kritik an der Regierung und der Armee verklagt, sitzen Dutzende Politgefangene in russischen Strafkolonien ein, werden etliche wegen «Extremismus» verfolgt. Die Verfassung hatte Putin 2020 auf verfassungswidrige Weise umschreiben lassen, sodass er sich bis an sein Lebensende wiederwählen lassen kann. 87 Prozent brachte ihm die letzte «Wahl» im März ein, «Towarischtsch Präsident», wie er anknüpfend an sowjetische Traditionen im Kreml genannt wird, sieht in dieser Bestätigung die «Richtigkeit» seines Kurses.

Komplizen des Regimes

In seiner achtminütigen Rede nach dem Eid spricht er gewohnt von «traditionellen Werten», «Volkserhaltung» und der «Einzigartigkeit Russlands». «Auf den ersten Platz müssen wir immer unsere Heimat stellen», sagt er.

Putin stellt an die Menschen neue Ansprüche, fordert nicht mehr nur die schweigende Zustimmung, sondern macht sie zu Komplizen seines Regimes: Sie sollen für die von den Machthabern ausgemachten Helden jubeln, sollen an den russischen Sieg glauben, bei den Propagandashows marschieren. «Alle zusammen werden wir siegen», ist seine Losung. Zur «neuen Elite» im Land sollen die werden, die sich an der Front und in den Militärfabriken fürs Vaterland aufopfern, das ist Putins Ziel.

epa11324440 Russian President Vladimir Putin (R) and Patriarch Kirill of Moscow and all Russia attend a prayer service after the inauguration ceremony in the Kremlin, in Moscow, Russia, 07 May 2024. P ...
Wladimir Putin (rechts) mit Patriarch Kirill.Bild: keystone

Dafür lässt er sich vom höchsten Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche segnen. «Hoheit», nennt ihn Patriarch Kirill in der Mariä-Verkündigungs-Kathedrale im Kreml. Wie die früheren Zaren. Er vergleicht ihn mit Alexander Newski, Russlands sagenumwobenen Nationalhelden und Heiligen der Kirche, der als Fürst von Nowgorod im 13. Jahrhundert mehrere legendäre Schlachten gewann.

Das Protokoll räumt dem Ritual in der Kirche dieses Mal erstaunlich viel Platz ein. Putin wird nicht mit heiligem Öl bestrichen, mit Worten aber gesalbt: Kirill wünscht ihm eine «Herrschaft bis zum Ende des Jahrhunderts». (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
65 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
_andreas
07.05.2024 18:16registriert April 2020
Von "Überheblichkeit und Wichtigtuerei" sprechen aber selber Überheblich und wichtig aufspielen.

Von "Souveränität und die Unabhängigkeit des Staates zu wahren" sprechen aber die Souveränität des Nachbarlandes absprechen.

Von "Menschenrechten und die Freiheiten jedes Bürgers zu achten" sprechen aber ein Kriegsverbrechen nach dem anderen begehen und die Menschen in den besetzen gebieten sowie auch im eigenen Land Unterdrücken.

Etc....

Also echt, die reinste Propaganda 💩-show was hier Putin wieder mal veranstaltet 🙄
1987
Melden
Zum Kommentar
avatar
Matte Lonkel
07.05.2024 17:57registriert Februar 2024
Russland hat sich in den letzten 25 Jahren ökonomisch kaum weiter entwickelt. Von der Ausbeutung der Rohstoffe durch V. Putins treue Oligarchen abgesehen. Das russische Volk hat davon wenig profitiert. Und jetzt werden die Staatseinnahmen vermehrt in die Waffenproduktion fliessen. Ein Armutszeugnis.
1625
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ichsagstrotzdem
07.05.2024 19:06registriert Juni 2016
Putin hat das einst grosse und mächtige Russland zu einer Lachnummer gemacht. Sein grösster Fehler war es, diesen Krieg anzuzetteln und damit der ganzen Welt vor Augen zu führen, dass das Land und dessen Volk schon längst von seinen Oligarchen geplündert wurde. Die Soldaten werden als Kanonenfutter zwangsrekrutiert und in Golfkarren zur Front befördert.
Traurig, wenn sich Russland Waffen vom Iran und Nordkorea liefern lassen muss.
Hätte er sich still gehalten, hätte er zumindest den Anschein eines grossen Russland wahren können.
773
Melden
Zum Kommentar
65
Trump will Washingtons NFL-Team wieder den Namen «Redskins» aufzwingen
Donald Trump meldet sich bei Truth Social zu Wort: Er droht einem bekannten Sportteam, falls dieses nicht seinen Namen ändert. Dahinter vermuten manche ein Ablenkungsmanöver.
Wenn es darum geht, seine «America first»-Politik umzusetzen, setzt US-Präsident Donald Trump seit dem ersten Tag seiner zweiten Amtszeit auf Präsidialerlasse. Mit diesem Instrument krempelt er die USA seit gut einem halben Jahr um – und scheut dabei auch vor symbolischen Massnahmen nicht zurück. So liess er den Golf von Mexiko per Dekret in Golf von Amerika umbenennen. Dem Mount Denali gab er seinen alten Namen zurück. Nun heisst der mächtige Berg in Alaska wieder Mount McKinley – trotz zahlreichen Protests von prominenten Einwohnern des US-Bundesstaats.
Zur Story