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Russland-Ukraine: Transnistrien – der abtrünnige Streifen Land in Moldau

Darum will Putin Transnistrien – 4 Punkte zur abtrünnigen Moldau-Region

Moldau ist in den letzten Tagen mehrfach von Anschlägen getroffen worden, die mit dem Ukraine-Krieg in Zusammenhang stehen könnten. Wobei: Einige würden sagen, die Vorfälle haben eigentlich in Transnistrien stattgefunden. Transnistrien?
27.04.2022, 16:4628.04.2022, 14:13
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Transnistrien ist in den letzten Tagen in den Fokus gerückt. Denn der kleine abtrünnige Streifen Land wurde von einer Reihe von Anschlägen erschüttert, die möglicherweise mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben.

Transnistrien?

So wurde am Montag das Hauptquartier der Staatssicherheit gesprengt, und am Dienstag beschädigten zwei Explosionen Funkmasten aus der Sowjetzeit. Die Bevölkerung Transnistriens soll mittlerweile massenhaft aus dem Gebiet in Richtung Republik Moldau flüchten.

Was Transnistrien ist und warum es im Zusammenhang mit dem russischen Krieg in der Ukraine von Bedeutung ist.

Wo liegt Transnistrien?

Transnistrien ist ein schmaler Landstreifen zwischen dem Ostufer des Flusses Dnjestr und der Grenze der Republik Moldau zur Ukraine – innerhalb der international anerkannten Grenzen Moldaus. Regiert wird die 3567 Quadratkilometer grosse Pridnestrowische Moldauische Republik, wie Transnistrien offiziell heisst, von einem De-facto-Regime.

Die Republik Moldau mit der abtrünnigen Region Transnistrien (schraffiert).
Die Republik Moldau mit der abtrünnigen Region Transnistrien (schraffiert).

Die Gesamtbevölkerung von Transnistrien beläuft sich auf etwa 470.000 Menschen. Ethnisch überwiegen Menschen, die sich Russland und der Ukraine zugehörig fühlen.

Von 1990 bis 1992 strampelt sich die Region in einer teilweise auch kriegerischen Auseinandersetzung von der moldauischen Zentralregierung frei. Seit 1992 haben die moldauischen Behörden keine Kontrolle mehr über die Region: Transnistrien stellt eine eigene Regierung, eine eigene Währung, ein eigenes Militär sowie eine eigene Hauptstadt, nämlich Tiraspol.

Wadim Nikolajewitsch Krasnoselski
Transnistrien hat eine eigene Regierung. Wadim Nikolajewitsch Krasnoselski ist der amtierende Präsident des nicht anerkannten Staates.Bild: wikimedia

Moldau und Transnistrien haben sich längst mit dem Status quo arrangiert, der Konflikt gilt als eingefroren.

Ursprung des Konflikts zwischen der abtrünnigen Region und Moldau war, dass die Separatisten nach dem Ende der Sowjetunion eine engere «sowjetische Bindung» aufrechterhalten wollten. Im März 2014 stellte die Regierung Transnistriens einen Beitrittsantrag zur Russischen Föderation, wie russische Nachrichtenagenturen damals vermeldeten.

Das Wappen der Pridnestrowischen Moldauischen Republik

Das Wappen Transnistriens referiert auf die sowjetische Tradition. Auch in der Flagge Transnistriens sind Sichel und Hammer abbgebildet. Das Wappen ist dreisprachig beschriftet: Links Russisch, in der ...
Das Wappen Transnistriens referiert auf die sowjetische Tradition. Auch in der Flagge Transnistriens sind Sichel und Hammer abbgebildet. Das Wappen ist dreisprachig beschriftet: Links Russisch, in der Mitte Moldauisch und rechts Ukrainisch.
wikimedia

Welche Rolle spielt Transnistrien im Ukraine-Krieg?

Russland hat seit Jahren schätzungsweise 1500 Soldaten in Transnistrien stationiert. Erklärt wird dies seitens Russland damit, dass die russische Präsenz sowohl die eigenen Bürger schütze, als auch den Frieden zwischen Moldau und Transnistrien wahre. Entsprechend werden die Truppen von Moskau als «friedenserhaltende» Truppen bezeichnet.

Transnistria, An Independent State Tiraspol is a city in Moldova, capital of the Transnistrian Autonomous Territorial Unit and de facto capital of the Moldovan Republic of Pridnestrovie. The second mo ...
Die Hauptstadt von Transnistrien, Tiraspol, ist nach Chișinău, der Hauptstadt der Republik Moldau, die grösste Stadt in Moldau. Bild: imago

Erst am 2. Februar hat Russland Militärübungen in der Region durchgeführt. Darum zeigt sich Kiew nun besorgt, dass die russischen Truppen auf moldauischem Boden für einen Angriff auf die Ukraine vom Westen her eingesetzt werden könnten.

Das ukrainische Verteidigungsministerium bezeichnet die Anschläge während der letzten Tage als «geplante Provokation von russischen Spezialeinheiten». Die Präsidentin der Republik Moldau warnt, es handle sich um einen Versuch von «kriegsbefürwortenden Gruppierungen» im Separatistengebiet, Spannungen zu verschärfen.

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Schäden an einem Funkmasten nach Explosionen in Transnistrien, 26. April 2022.Bild: imago

Sollte der russische Präsident Wladimir Putin beschliessen, Transnistrien in irgendeiner Form in den Krieg einzubeziehen, haben die Separatisten quasi keine Möglichkeiten, sich zu weigern. Denn sie sind wirtschaftlich von Russland abhängig – unter anderem beziehen sie kostenloses Gas.

>> Alle Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Ticker <<

Welche Interessen hat Russland in Transnistrien?

Der russische Generalmajor, Rustam Minnekajew, wurde letzte Woche von staatlichen Nachrichtenagenturen mit den Worten zitiert, dass Russland die Kontrolle über die Südukraine übernehmen wolle. Theoretisch könnte Russland dann über Transnistrien in Richtung Moldau vorstossen.

Bereits zu Beginn des Krieges stand die Befürchtung im Raum, dass der Einmarsch Russlands nur der Anfang sei und dass Putin auch in anderen ehemaligen Sowjetstaaten Territorien erobern will, um möglicherweise seine Sowjet-romantischen Gelüste nach einem neuen-alten Hoheitsgebiet unter russischer Kontrolle umzusetzen.

So tauchte eine Woche nach Putins Einmarsch in der Ukraine ein Video auf, das den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko neben einer Karte zeigt, auf der Transnistrien als mögliches Ziel eingezeichnet war. Offizielle Stellen in Belarus erklärten später, die Karte sei irrtümlich in diesem Zusammenhang gezeigt worden.

Lukaschenko präsentiert die Angriffs-Karte

Video: watson

Der Vorstoss auf transnistrisches Gebiet könnte für Russland aber auch ganz praktischen Nutzen habe. Zum Beispiel, um die eigene Armee in der Ukraine mit medizinischen Gütern und Nahrungsmitteln zu versorgen, das Eisenbahnnetz zu sichern oder einen sicheren Raum zu schaffen, an dem Ausrüstung repariert werden kann oder wo sich Truppen neu formieren könnten.

Sheriff Tiraspol

Das wichtigste verbindende Element zwischen Moldau und Transnistrien ist wohl Fussball. Denn der Fussballclub aus dem Separatistengebiet, Sheriff Tiraspol, ist Rekordmeister Moldaus.

Im August 2021 qualifizierte sich Sheriff Tiraspol sogar sensationell für die Gruppenphase der Champions League. Und spielte auf internationalem Parkett offiziell für die Republik Moldau.

Hauptsponsor und Besitzer des Fussballclubs ist die Wirtschaftsholding «Sheriff». Ein Grosskonzern, der eine Supermarktkette, eine Bank, Tankstellen, einen TV-Sender, ein Verlagshaus, einen Spirituosenhersteller oder einen Mobilfunkbetreiber in Transnistrien betreibt.

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stormcloud
27.04.2022 17:23registriert Juni 2021
Putin hat schon genug Schaden angerichtet und kann letztlich nur verlieren.
Wie verblendet muss er sein, eine neue Front zu eröffnen?
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Schlaf
27.04.2022 17:01registriert Oktober 2019
Ich weiss nicht, ob Fussball das vebindenste Element zwischen Moldau und Transnistrien ist.
Ev. emotional.
Aber Moldau bezieht um die 80% Strom von einem Kraftwerk in Transnistrien. Ich denke wenn da was schief geht, ist der Fussball nur noch Nebensache.
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Glenn Quagmire
27.04.2022 18:46registriert Juli 2015
Ich verstehe wenn gewisse Regionen Unabhängigkeit fordern oder sich einem anderen demokratischen Land (oder in der Schweiz halt Kanton) anschliessen wollen. Aber wieso will man sich einem Diktator freiwillig anschliessen?
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