Seit nun mehr als einem Monat dauert die ukrainische Gegenoffensive schon an und nach den anfänglichen herben Verlusten militärischen Geräts, die die Armee unter General Walerij Saluschnyj dabei erlitten hat, änderten die Ukrainer ihre Strategie.
Statt mit mechanisierten Einheiten in die schwer befestigten russischen Wehranlagen zu fahren und dort durch Kampfhubschrauber und Artilleriefeuer aufgerieben zu werden, verlegen sich die Truppen Kiews seit Kurzem darauf, mit kleineren Infanterieeinheiten vorzustossen. Meter für Meter robben sie durch die russischen Minenfelder und erobern die Schützengräben der Besatzer.
Zu sehen sind die blutigen Gefechte in den sozialen Netzwerken, wo täglich Videos von ukrainischen Streitkräften hochgeladen werden. Aufgenommen von Überwachungsdrohnen und Bodycams zeigen die Bilder, wie russische Soldaten, die sich in den Gräben verschanzt halten, erschossen und mit Handgranaten getötet werden. Der Krieg ist längst zum Egoshooter-Drama aus Vogelperspektive geworden, wie in einem Videospiel. Nur, dass dabei jedes Mal echte Menschen sterben.
Was die Ukrainer nach der Eroberung der Schützengräben vorfinden, davon berichten nun Reporter der «New York Times» am Beispiel der heftig umkämpften Region Saporischschja.
Zu den Hinterlassenschaften, auf die die Ukrainer stossen, zählen militärische Gerätschaften und andere russische Produkte. Hausgemachter Preiselbeersirup aus Sibirien, bergeweise schmutzige Socken und Teebeutel der russischen Armee mit dem Aufdruck «Für den Sieg!».
Dass die fünf Minuten, die der Tee durchzieht, oft über Leben und Tod entscheiden können, das belegen andere Funde, die die Ukraine in den Schützengräben und geborstenen Unterständen machen. Tote Soldaten. Jeden Tag sterben wohl Hunderte junge Männer auf beiden Seiten. Nicht nur in den Gräben.
So fanden die Befreier in der Ortschaft Nowadariwka etwa sieben Leichen ukrainischer Kameraden, die dort bereits seit einem Jahr lagen. Die Russen hatten sie nicht beerdigt, sondern achtlos liegen lassen. Die Körper der Männer sind bis zur Unkenntlichkeit verwest, nur ein DNA-Test kann ihre Identität klären. «Sie waren nur noch Skelette», sagte ein Soldat der ukrainischen Armee gegenüber der «New York Times». «Es ist wirklich nicht schön»
Zurzeit verläuft der Krieg an vielen Frontabschnitten in Wellen. Mal gewinnt die eine Seite ein paar Meter, mal die andere. Und immer bleiben viele Tote zurück. Die Ukrainer versuchen laut der Zeitung, die gefallenen Russen sofort zu beerdigen oder zumindest mit Erde zu bedecken, damit der Verwesungsprozess in der Sommerhitze nicht allzu schnell fortschreitet. Doch oft bleibt dafür keine Zeit, weil die russische Artillerie schon die nächsten Granaten losgeschickt hat. Und so liegt «ein beissender Geruch der Verwesung in der Luft», wie die Zeitung schreibt.
«Wir drängen sie zurück, sie drängen uns zurück, wir drängen sie wieder zurück, sie drängen uns wieder zurück. Und so weiter», sagt ein anderer ukrainischer Kämpfer dem Reporter der «New York Times». «Sie hatten eine Menge Zeit, sich einzugraben.»
In der Tat hatte die Gegenoffensive der Ukrainer überraschend spät begonnen. Jüngst beklagte auch Präsident Wolodomyr Selenskyj das lange Warten auf den Beginn der Rückeroberungsversuche. Die russischen Besatzer konnten unterdessen sehr effektive Verteidigungslinien anlegen. Das Ergebnis ist ein langwieriger, zäher Stellungskrieg, der noch viele Tote fordern wird.
(t-online, cc)
Aber das zeigt mal wieder, dass Krieg im Grunde gleich bleibt, egal wie modern das Material ist. Auch wenn Hilfsmittel wie Drohnen und GPS-gesteuerte Lenkwaffen wie HIMARS sicher deutlich effektiver sind um Gräben zu säubern, als die Artillerie und Schrapnell-Geschosse, welche in Verdun eingesetzt wurden.