Am 1. August fand einer der grössten Gefangenenaustausche der jüngeren Vergangenheit statt. Dabei wurden acht in Nato-Ländern inhaftierte Russen für 16 in Russland und Belarus inhaftierte Personen getauscht. Das sind die Aktivisten, Mörder, Spione und Politiker, die im Deal involviert waren:
Der US-Amerikaner Evan Gershkovich, Reporter des «Wall Street Journal», wurde am 19. Juli von einem Gericht in Jekaterinburg wegen Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Er, sein Arbeitgeber und die US-Regierung wiesen die Vorwürfe als politisch motiviert zurück.
Der 32-Jährige war im März 2023 während einer Reportagereise nach Jekaterinburg verhaftet worden. Ihm wurde vorgeworfen, er arbeite für die CIA und habe versucht, an klassifizierte Informationen zu gelangen.
Der 71-Jährige wurde im Februar 2024 wegen Diskreditierung der russischen Armee zu zweieinhalb Jahren Straflager verurteilt.
Die Anklage gegen Orlov geht auf einen Artikel zurück, in dem er die Invasion der Ukraine verurteilte und sagte, dass Russland «wieder in den Totalitarismus abrutscht, aber dieses Mal in Richtung Faschismus».
Bis zur formalen Auflösung durch den russischen Staat war Orlov zudem Co-Vorsitzender der Nobelpreistragenden Menschenrechtsorganisation Memorial. Memorial wurde bereits 1989 gegründet und erhielt 2022 den Friedensnobelpreis.
Kara-Mursa ist ein russischer Oppositioneller und ehemaliger Journalist. Er überlebte zwei Vergiftungen 2015 und 2017 und wurde vor einem Jahr zu 25 Jahren Strafkolonie wegen Hochverrats verurteilt.
Seit dem Giftanschlag 2015 lebten seine Frau und seine Kinder in Washington D.C. Kara-Mursa war ein guter Freund des ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, so war er bei seiner Beerdigung Sargträger.
Paul Whelan wurde 2018 bei einem Urlaub in Russland verhaftet, weil er einen Flashdrive mit vertraulichen Informationen erhalten hatte. 2020 wurde er wegen Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt.
Whelan, ein ehemaliger US-Marine, behauptet, in eine Falle gelockt worden zu sein. Er habe gedacht, der USB-Stick enthalte Urlaubsfotos eines Freundes.
Kurmasheva wurde im Juni 2023 in der in Zentralrussland gelegenen Provinz Tatarstan verhaftet, als sie Verwandte besuchte. Der Vorwurf lautete, sie habe ihre US-Staatsbürgerschaft nicht deklariert. Sie wurde anschliessend wieder aus der Haft entlassen, durfte Russland aber nicht verlassen.
Im darauffolgenden Oktober wurde die amerikanisch-russische Doppelbürgerin aber wieder verhaftet. Der Vorwurf lautete damals «Verbreitung von Fake-News zum Ukraine-Krieg».
Der Vorwurf bezieht sich auf ein Buch, in welchem Kurmasheva Russen interviewt hatte, die den Krieg in der Ukraine für falsch hielten. Im Juli wurde sie dann zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.
Schoebel wurde Anfang dieses Jahres bei der Einreise am Flughafen in St. Petersburg verhaftet, weil er zehn Gummibärchen mit Cannabisspuren im Gepäck hatte.
Dem Deutschen hätten unter russischem Recht bis zu sieben Jahre Haft gedroht. Die russische Zollbehörde gab an, Schoebel habe die Gummibärchen mitgenommen, um einen «erholsamen Schlaf» zu haben.
Jaschin ist ein führender russischer Oppositioneller. Von 2012 bis 2016 war er Vorsitzender der Volksfreiheitspartei. Er war ebenfalls ein enger Verbündeter des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemtsow.
Jaschin wurde im Dezember 2022 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt, nachdem er Russlands Angriffskrieg in der Ukraine als «monströsen Krieg» kritisiert hatte.
Der Deutsch-Russe wurde im Dezember 2023, als damals 18-Jähriger, zu vier Jahren Haft verurteilt. Er soll in der nordkaukasischen Region Adygea Fotos von Militäranlagen gemacht haben und diese anschliessend per Mail ins Ausland geschickt haben.
Skotchilenko ist eine in St. Petersburg ansässige Künstlerin, die kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs fünf Regalschilder in einem Supermarkt mit Infoschildern zum Krieg ausgetauscht hatte.
Die 33-Jährige wurde daraufhin im November 2023 zu sieben Jahren Haft wegen «Verbreitung von Falschinformationen zum russischen Militär» verurteilt.
German Moyzhes, ein deutsch-russischer Doppelbürger aus St. Petersburg, ist Rechtsanwalt und geschäftsführender Gesellschafter eines Unternehmens, das Russinnen und Russen bei der Beantragung von Aufenthaltsgenehmigungen in der EU unterstützt. Zudem setzt er sich öffentlich für fussgänger- und velofreundliche Strassen ein.
Im Mai dieses Jahres wurde er beim Fahrradfahren wegen Verrats verhaftet. Zum Zeitpunkt des Gefangenenaustauschs war unklar, ob sein Verfahren schon begonnen hatte.
Piwowarow war Geschäftsführer der russischen prodemokratischen Organisation «Open Russia». Er wurde 2022 zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er eine «unerwünschte Organisation» geleitet hatte.
Fadeeva war bis im vergangenen Juni eine Stadträtin der sibirischen Stadt Tomsk. Sie war zudem die Leiterin der dort ansässigen Nawalny-Bewegung.
Diese Verbandelung mit Nawalny führte auch zur Verurteilung der 32-Jährigen. Sie wurde wegen der Organisation einer extremistischen Bewegung zu neun Jahren Haft verurteilt. Ihr Anwalt nannte die Verurteilung ungerechtfertigt, da Fadeeva bereits vor der offiziellen Deklaration der Nawalny-Bewegung als extremistisch 2021, aus der Partei ausgeschieden sei.
Der 47-Jährige ist ebenfalls eine ehemalige politische Führungskraft einer sibirischen Stadt. Er wurde 2023 zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Vorwürfe lauteten, er habe sich an einer «extremistischen Organisation» beteiligt und Persönlichkeitsrechte von Privatpersonen verletzt.
Nawalnys Unterstützer bezeichneten die Tatbestände als «Ausführung von normaler politischer Arbeit». Die Menschenrechtsorganisation Memorial bezeichnet Ostanin als politischen Gefangenen.
Chanysheva war wie Ostanin und Fadeeva ebenfalls Leiterin eines lokalen Ausläufers der politischen Bewegung von Nawalny. Sie war Chefin der Nawalny-Bewegung in der Millionenstadt Ufa in Zentralrussland.
Auch Chanysheva wurde wegen der Gründung einer extremistischen Organisation und der Anstiftung zum Extremismus zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Später hatte das Oberste Gericht von Ufa die Strafe um zwei Jahre verlängert, da es die Strafe als «zu kurz» befand.
Der russisch-deutsche Politikwissenschaftler wurde 2021 verhaftet und 2023 wegen «Hochverrats» zu 13 Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Wie russische Medien berichteten, soll er vertrauliche Informationen an ein Nato-Land weitergegeben haben.
Krieger, ein deutscher Staatsbürger, wurde im Juni wegen Söldnerarbeit, Terrorismus, Gründung einer extremistischen Gruppe, vorsätzlicher Beschädigung eines Fahrzeugs und illegaler Handhabung von Schusswaffen und Sprengstoff in Belarus zum Tode verurteilt.
Dies berichtete die belarussischen Menschenrechtsorganisation Viasna Anfang Juli. Am 30. Juli wurde Krieger anschliessend begnadigt.
Klyushin wurde 2021 bei einem Skitrip in Sitten verhaftet und an die USA ausgeliefert. Dort wurde er zu neun Jahren Haft verurteilt. Klyushin hat gemeinsam mit zwei anderen Russen ein sogenanntes Hack-to-Trade-Scheme aufgezogen.
Dabei hat er Unternehmen gehackt, um an vertrauliche Informationen zu gelangen. Mit den gestohlenen Informationen konnte er auf dem Aktienmarkt anschliessend 93 Millionen US-Dollar verdienen.
Seleznev ist der Sohn eines Abgeordneten des russischen Unterhauses. Er wurde bereits 2014 in den Malediven verhaftet und an die USA ausgeliefert.
Wegen seiner Rolle in einem grossangelegten Kreditkartenbetrug im Umfang von etwa 170 Millionen US-Dollar wurde er 2017 zu 27 Jahren Haft verurteilt.
Konoshchenok wurde 2022 in Estland verhaftet. Er soll Waffenkomponenten und Munition von US-Firmen nach Russland geschmuggelt haben.
Konoshchenok wartete in den USA auf sein Verfahren. Ihm drohten laut Medienberichten bis zu 30 Jahre Haft wegen Verschwörung, Verstosses gegen Ausfuhrkontrollen, Schmuggel und Geldwäsche.
Krasikow ist wohl der bekannteste Gefangene, der vom Westen freigelassen wurde. Er ist ein Ex-FSB-Agent, der in Deutschland eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes an einem hochrangigen Tschetschenischen Rebellen absass. Er ist in den Medien auch als Tiergarten-Mörder bekannt.
Krasikow erschoss Selimchan Changoschwili 2019 in Berlin von einem Fahrrad aus. Er floh anschliessend vom Tatort, wurde aber bei dem Versuch, sich in einem Busch umzuziehen, gefasst.
Mikhail Mikushin wurde 2022 in Norwegen zunächst wegen Identitätsfälschung verhaftet. Er war 2021 nach Norwegen gezogen, um als Uniprofessor zu arbeiten. Mikushin nutzte dabei eine brasilianische Identität mit dem Namen Jose Assis Giammaria.
Mikushin wurde verdächtigt, ein russischer Agent zu sein. Laut Bellingcat und The Insider sei er sogar ein Offizier des russischen Militärnachrichtendienst GRU.
Er wurde in einem Osloer Gefängnis festgehalten und hatte nach norwegischem Spionagegesetz mit bis zu drei Jahren Haft zu rechnen.
Das Ehepaar wurde im Dezember 2022 in Slowenien unter Spionageverdacht verhaftet. Kurz vor dem Gefangenenaustausch bekannte sich das Paar der Spionage und Dokumentenfälschung schuldig. Beide besassen einen argentinischen Pass. Das Ehepaar kehrt nun mit seinen beiden Kindern nach Russland zurück.
Der spanisch-russische Journalist wurde im Februar 2022 von den polnischen Behörden unter dem Vorwurf der Spionage für Russland verhaftet. Er soll seine journalistischen Freiheiten für russische Spionagezwecke ausgenutzt haben.
Die Urteile wurden mit dem Austausch im Prinzip ja nicht aufgehoben!
Alles in allem ein guter Deal für den Westen.