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Jimmie Åkesson will Schweden «wieder gross» machen – wer ist er?

Jimmie Åkesson will Schweden «wieder gross» machen – wer ist er?

In Schweden bilden Rechtspopulisten die zweitstärkste Kraft. Ihr Gesicht: Jimmie Åkesson, der Schweden «wieder gross» machen will. Wer ist dieser Mann?
15.09.2022, 06:45
Carl Lando Derouaux / t-online
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t-online

«Die grossen Gewinner der Wahl sind ohne Zweifel die Schwedendemokraten», sagte Wahlanalyst Mats Knutsen im schwedischen Fernsehen bereits am Montag. Da standen die Ergebnisse der Parlamentswahlen noch gar nicht fest. Tatsache war allerdings schon, dass die extrem rechten Schwedendemokraten die erfolgreichsten Populisten Skandinaviens sind.

Nun stehen die Ergebnisse fest, die noch vor einigen Jahren unvorstellbar gewesen wären. Die Schwedendemokraten sind mit etwa einem Fünftel der Stimmen zweitstärkste Kraft in Schweden. Ein konservativer Vier-Parteien-Block unter Ulf Kristersson von den Moderaten liegt den neusten Hochrechnungen zufolge mit äusserst knappem Vorsprung vor dem linksgerichteten Lager der Regierungschefin Andersson.

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Schwedendemokraten-Chef Jimmie Åkesson: Die Wurzeln seiner Partei liegen rechts außen.Bild: keystone

Breite Brust nach Rekordergebnis

Li Bennich-Björkman, Politikwissenschaftlerin an der Universität Uppsala, sieht eine Zeitenwende in der schwedischen Politik. «Es ist eine entscheidende Wahl, denn die Schwedendemokraten haben ein Stadium erreicht, in dem sie die anderen Parteien dazu gebracht haben, sie zu akzeptieren», sagte sie der «New York Times».

Entsprechend breit ist die Brust: Jimmie Åkesson, der 43-jährige Parteichef, stellte angesichts des Rekordergebnisses schon kurz nach dem Wahlergebnis klar: Seine Partei will in einer mehrheitsfähigen Regierung sitzen.

Åkesson war früher bei den Moderaten

Åkesson steht wie kein anderer für die Schwedendemokraten. Er ist seit 17 Jahren ihr Vorsitzender, beschert der früher noch offen rassistischen Partei immer mehr Prozente.

Der Mann, für den es zuletzt rasant nach oben ging, stammt aus der südschwedischen Provinz Schonen. Der Sohn eines Handwerkers und einer Krankenschwester ging nach der Schule in die Studentenstadt Lund: Dort war er für Jura, Politikwissenschaften und Philosophie eingeschrieben. Einen Abschluss machte er nicht. Politisch war Åkesson in jungen Jahren noch ganz woanders zu Hause, nämlich bei den Moderaten.

Mitte der Neunzigerjahre zog es ihn zu den Schwedendemokraten. Ihr Logo damals: Eine brennende Fackel. Zu dieser Zeit war die Partei noch offen rassistisch. Ihre Gründungsmitglieder von 1988 stammten aus der rechtsextremen Szene Schwedens.

Von der Fackel zum Blümchen

Bereits 2005 stieg Åkesson an die Spitze der Schwedendemokraten auf und bemühte sich fortan, das Image der Partei zu verändern – weg vom Rechtsextremen, hin zum Bürgerlichen. Aus der brennenden Fackel wurde eine Blume.

Kritiker warnen, Åkesson habe lediglich die Rhetorik der Partei geändert. Das zeigt auch eine Nachricht, die zehn Tage vor der Wahl Schlagzeilen machte. Ein Politiker der Schwedendemokraten lud seine Kollegen dazu ein, gemeinsam den Beginn des Zweiten Weltkrieges zu feiern.

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Gute Laune auf der Wahlparty: Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten können Zuwachse verzeichnen.Bild: keystone

Die Partei setzt auf einwanderungs- und islamfeindliche Töne, seine Abneigung gegen Migranten und fremde Kulturen formuliert Åkesson deutlich. Bereits 2009 bezeichnete er Muslime in einem Artikel als die «grösste Gefahr für Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg.» Das jetzige Wahlprogramm seiner Partei sieht eine strenge Verschärfung des Einwanderungs- und Asylrechts vor.

Beobachter vergleichen Åkesson auch gern mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump – vor allem wegen seiner Rhetorik. «Es ist an der Zeit, uns die Chance zu geben, Schweden wieder gross zu machen», ruft er beispielsweise auf Wahlkampfveranstaltungen. «Make America Great Again» war auch der Leitspruch der Kampagne Trumps vor der Präsidentschaftswahl 2016, die er gewann.

Topthema Bandenkriminalität

Auch Åkesson hat mit dieser Linie Erfolg. Während die Rechtspopulisten in Dänemark und Norwegen bei den vergangenen Wahlen heftige Verluste hinnehmen mussten, hat die schwedische Partei um ihren langjährigen Vorsitzenden im Laufe der Jahre kontinuierlich dazugewonnen: Als sie 2010 zum ersten Mal in den Reichstag von Stockholm einzog, erhielt sie 5.7 Prozent der Wählerstimmen. Vier Jahre später waren es bereits 12,9, 2018 sogar 17.5 Prozent. Und jetzt ist Åkessons Partei zweitstärkste Kraft.

Dabei spielten der Partei in der letzten Zeit Themen in die Karten, die populistisch einfach zu bedienen sind und auf die die anderen Parteien keine befriedigenden Antworten finden – wie etwa die Bandenkriminalität in den Vorstädten des Landes. Immer wieder kommt es zu tödlichen Schiessereien und vorsätzlich herbeigeführten Explosionen.

Allein in diesem Jahr sind laut offizieller Statistik bereits 74 Menschen durch Schüsse verletzt worden, 47 sind bei Schiessereien gestorben. Allein rund um die Hauptstadt Stockholm wurden 22 Menschen erschossen.

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Der Zweitstärkste Åkesson. 2009 schrieb er, Muslime seien «die größte Gefahr für Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg».Bild: keystone

Die Antwort der Schwedendemokraten: Sie verknüpften das Thema mit einem anderen, der Migration. Die politischen Diskussionen, die sich in Schweden sonst um Steuern und Wirtschaft drehen, habe dadurch «eine kulturelle Dimension» bekommen, sagt Henrik Oscarsson, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göteborg, der «New York Times».

Andere schwedische Parteien, besonders die Konservativen, zogen mit. Es sei offensichtlich gewesen, wie die anderen sich ihnen angenähert hätten, sagt Åkesson gegenüber Reuters. Sie hätten sich «in unsere Nähe begeben, um nicht noch mehr Wähler zu verlieren.»

Ein Schulterschluss, der keiner sein soll

Wie mächtig Åkesson und die Schwedendemokraten jetzt werden, hängt davon ab, wie sehr die Parteien des konservativen Blocks sie einbeziehen. Am Montag schaute er in Stockholm bereits mittags bei den Moderaten vorbei, die die Stimmen seiner Partei im Parlament für Gesetzesvorhaben dringend bräuchten. Eine Koalition mit den Schwedendemokraten allerdings lehnen die Moderaten bislang ab, auch wenn der konservative Block sich in der abgelaufenen Mandatsperiode erstmals für eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten öffnete.

Die Regierungsbildung macht das nicht einfacher. Bereits nach der Wahl 2018 hatten die Parteien monatelang um eine Minderheitsregierung gerungen. Jetzt wird die Mehrheitsfindung im schwedischen Reichstag wohl noch komplizierter.

Für Professor Henrik Oscarsson erzählt der Erfolg der Schwedendemokraten eine Geschichte darüber, wie «eines der politisch stabilsten Länder der Welt in Schwierigkeiten geraten ist.» Zuvor habe es immer zwei Blöcke gegeben, die Politik war vorhersehbar, sagte er der «New York Times». Das haben die Schwedendemokraten jedoch auf den Kopf gestellt. «Jetzt haben wir eine Situation, die überhaupt nicht vorhersehbar ist».

Verwendete Quellen:

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64 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Waldorf
15.09.2022 07:28registriert Juli 2021
Wieder gross machen. Kommt mir bekannt vor.
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DryFly
15.09.2022 09:25registriert November 2021
Alles was man aus den diversen Kommentaren raus lesen kann ist, dass sie nur eines tun. Nämlich nur über den Rechtspopulismus schreiben und reden.
All die Schreiber sollten sich mal fragen, wieso solch eine Partei in Schweden soviel Zustimmung erhält.
Es ist schlicht das Versagen der anderen Parteien, die sich von der Bevölkerung verabschiedet haben. Den PolitikerInnen ist es wichtiger die Eigeninteressen und Privilegien zu wahren. Für mich sind das nur noch korrupte Personen.
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YvesM
15.09.2022 07:42registriert Januar 2016
Ein rechter Blender. Man könnte meinen, dass da jemand ein rechts-konservativ-populistisches Franchising aufgebaut hat. Diese Parteien sind in Inhalten und Kommunikation alle gleich.
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