Die beiden Geiselnehmer, ein 30- und 24-Jähriger, schliessen sich um die Mittagszeit in einem Wachraum ein und verdecken die Überwachungskameras. Ein Wärter und eine Wärterin befinden sich in ihrer Gewalt. Das Ganze spielt sich im Gefängnis Hällby, einem Hochsicherheitsgefängnis etwa 100 Kilometer westlich von Stockholm, ab. Beide Geiselnehmer sind wegen Mordes verurteilt. Ihre Waffen: an Zahnbürsten befestigte Rasierklingen. Was genau sich hinter den verschlossenen Türen abgespielt hat, ist allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, berichtet das schwedische Boulevardblatt «Aftonbladet».
Mördarna Isak Dewit, 30, och Haned Mahamed Abdullahi, 24, har tagit personal som gisslan på Hällbyanstaltenhttps://t.co/wk2EDCL9VR pic.twitter.com/ezspHuNMoq
— Aftonbladet (@Aftonbladet) July 21, 2021
Nachdem Alarm geschlagen wird, läuft ausserhalb des Gefängnisses ein massiver Polizeieinsatz an. Beauftragte der Polizei und des Gefängnisdienstes werden geschickt, um die Situation aufzulösen. Bei solchen Situationen gehe es meist darum, dass die Geiselnehmenden einen Austausch zu ihrem Vorteil erwirken wollen, so der pensionierte Polizist Torbjörn Sivertsson gegenüber «Aftonbladet».
Das Gefängnis geht währenddessen in den sogenannten «Frozen Mode». Alle Aktivitäten werden gestoppt, die Häftlinge in ihre Zimmer gesperrt. Die Polizei leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Menschenraubes ein.
Nach Angaben von «Aftonbladet» fordern die Geiselnehmer zuerst einen Fluchthubschrauber. Nachdem sie mit den Sonderbeauftragten verhandeln, geht die Dimension ihrer Forderung allerdings massiv zurück. Der neue Deal: zwei Dönerpizzen im Austausch für die Freilassung eines Gefängniswärters. Kurz darauf spielen sie aber mit dem Gedanken, die beiden Geiseln freizulassen, um dafür in ein anderes Gefängnis verlegt zu werden.
Schliesslich scheint die Dönerpizza doch zu verlockend. Etwa fünf Minuten nach Abschluss der ersten Vereinbarung nehmen sie erneut Kontakt mit den Sonderbeauftragten auf und stocken auf. Die endgültige Forderung: 20 Dönerpizzen für alle Häftlinge in ihrer Abteilung.
Für die Sonderbeauftragten ist die Sache allerdings noch nicht gegessen. Sie versuchen, die Geiselnehmer umzustimmen, beide Wachen freizulassen. Diese beharren allerdings auf ihrer Forderung. Nach einer erfolglosen Verhandlung stimmen die Sonderbeauftragten schliesslich zu.
Laut «Aftonbladet» wird die Polizeizentrale in Linköping angewiesen, eine Pizzeria anzurufen. Die Bestellung landet beim Pizzaiolo Beshar Tomar, der zuerst denkt, es handle sich um einen Scherz. Üblicherweise erwarte die Pizzeria um diese Uhrzeit nicht mehr als eine Bestellung, berichtet die schwedische Zeitung «Expressen». Aus diesem Grund befindet sich zu diesem Zeitpunkt nur ein Mitarbeiter im Laden. Sofort werden drei bis vier mehr Mitarbeitende aufgeboten.
JUST NU: Pizzor på väg till Hällbyanstalten efter krav från gisslantagarnahttps://t.co/wk2EDCL9VR pic.twitter.com/lybdqVb38c
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Um 16.30 Uhr ist es so weit: Zwei Gefängnisbeamte laden 20 frische Dönerpizzen ins Auto.
Wenig später bestätigt die Polizei, dass die Pizzen in die Abteilung der Geiselnehmer gebracht worden seien. Es scheint allerdings so, als würden die Verbrecher ihr Versprechen nicht einhalten. Noch ist keine Geisel freigekommen.
Später wird klar wieso. Die Geiselnehmer stellen eine weitere Bedingung: Sie fordern, dass zuerst alle anderen Häftlinge in der Abteilung ihre Pizza erhalten. Erst dann wollen sie sich ihre eigene Pizza gönnen, und danach soll die erste Wache freigelassen werden.
Gemäss Aussagen, die «Aftonbladet» vorliegen, ist es den Geiselnehmern ernst: Vom Wachraum könnten sie prüfen, ob der Forderung nachgekommen werde, betonen sie.
Die Sonderbeauftragten nutzen die erneute Verhandlung für eine Gegenforderung: Die Hälfte der ersten Pizzen wird verteilt, eine Geisel wird freigelassen, dann erhalten die restlichen Häftlinge ihr Essen. Die Geiselnehmer stimmen dem Kompromiss zu.
Gegen 19 Uhr kommt die erste Geisel frei. Gemäss der getroffenen Abmachung sollte zu diesem Zeitpunkt also die Hälfte aller Pizzen verteilt worden sein. Von aussen bekomme man aber nur mit, dass «fieberhafte Verhandlungen im Gange sind», so eine Reporterin von «Expressen». Zweieinhalb Stunden später, um 21.20 Uhr, schliesslich die erlösende Nachricht: Auch die zweite Geisel ist freigelassen worden. Die Dönerpizza muss fantastisch geschmeckt haben. Die Verhandlungen waren erfolgreich.
Sowohl der Gefängniswärter als auch die Gefängniswärterin sind unverletzt geblieben. Sie wurden nach der Freilassung von einem Care-Team betreut.
Was die beiden Geiselnehmer nach ihrer Tat zu erwarten haben, ist noch unklar. Allzu schnell werden sie wohl aber nicht mehr in den Genuss von Dönerpizzen kommen.