International
Schweiz

Sanktionen: EU erwartet von der Schweiz Goldimport-Stopp aus Russland

EU erwartet von der Schweiz Goldimport-Stopp – doch der Bundesrat weilt in den Ferien

Nach Oligarchenvermögen und Erdöllieferungen nimmt sich die EU Putins Goldreserven vor. Dabei rückt die Schweiz als Rohstoffdrehscheibe, wo Gold kaum Importbeschränkungen unterliegt, in den Fokus.
27.07.2022, 22:3927.07.2022, 22:39
Pascal Michel / ch media
Mehr «International»

Russland ist eine Rohstoffmacht. Und diese Macht weiss Wladimir Putin geschickt zu nutzen. Wer in Westeuropa gerade sein Auto betankt oder sich als Mieter über die Stromabrechnung beugt, spürt die Kosten bereits im Portemonnaie.

Gold Goldbarren Symbolfoto
Die Schweiz beheimatet einige der weltweit grössten Goldraffinerien. (Symbolbild)Bild: Shutterstock

Die Sanktionspakete der EU und der USA zielen darauf ab, Putin von diesen Einnahmen aus dem Energiegeschäft abzuschneiden. Letzte Woche hat die Europäische Union das siebte Sanktionspaket verabschiedet. Es zielt auf ein weiteres zentrales Exportgut von Wladimir Putin: sein Gold. Russland besitzt immense Vorräte des Edelmetalls. Im Jahr 2020 verkaufte Russland Gold im Wert von 18.7 Milliarden Dollar und war viertgrösster Exporteur weltweit.

Kriegskasse austrocknen

Seit dem 22. Juli ist es EU-Mitgliedsländern nun verboten, russisches Gold zu importieren. Josep Borrell, Vizepräsident der EU-Kommission, bezeichnete dies als «weiteren wichtigen Schritt, die Finanzierung des russischen Krieges einzudämmen».

Der Bundesrat hat sich bisher den EU-Sanktionen jeweils angeschlossen. Der Entscheid, ob die Regierung auch das Goldembargo übernimmt, wird mit Spannung erwartet. Denn die Schweiz ist als Standort der grössten Raffinerien weltweit bedeutend für die Goldverarbeitung sowie den -handel und kennt bisher kaum Importbeschränkungen (siehe Box unten).

Der Umgang mit russischem Gold sorgte in der Branche jüngst für Unstimmigkeiten. Auslöser waren Goldimporte über 3.3 Tonnen mit russischer Herkunft im Mai und im Juni, die der Zoll in einer nachträglichen Untersuchung als unproblematisch klassifizierte.

Dennoch entfachten diese Importe einen Kampf um die Deutungshoheit in der Branche: Während die Schweizerische Vereinigung Edelmetallfabrikanten und -händler wie auch der Zoll dringend vom Kauf russischen Goldes abrieten, hat sich unter dem Namen Swiss Precious Metals Institute eine Juristentruppe formiert, die betont, Goldimporte aus Russland seien weiterhin legal.

Jetzt, da der Bundesrat Klarheit schaffen könnte, weilt die Landesregierung in den Ferien. Die nächste ordentliche Sitzung ist erst auf den 17. August angesetzt. Marc Ummel, Goldexperte bei der Nichtregierungsorganisation Swissaid, fordert den Bundesrat zu raschem Handeln auf. «Die Schweiz darf nicht eine Insel für Umgehungsgeschäfte werden», sagt er zu CH Media. Nur mit einer Verschärfung der Schweizer Sanktionsgesetze sei gewährleistet, «dass die Schweiz weder indirekt noch direkt Russland im grausamen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt».

Umgehungsstandorte verhindern

In der EU sind die Erwartungen an die Schweiz klar. Der Europäische Rat, in dem mehrmals im Jahr die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammenkommen, hat diese in seinem Treffen Ende Juni festgehalten. Auf Anfrage verweist das Gremium bei der Umsetzung des neuesten Sanktionspakets auf die damals beschlossenen Forderungen. An Drittstaaten und EU-Bewerberländer gerichtet, heisst es dort: «Der Rat ruft alle Länder dazu auf, sich den Sanktionen anzuschliessen.» Dabei geht es den EU-Staatschefs darum, die Sanktionen möglichst so auszugestalten, dass Putin keine Schlupflöcher bleiben.

Hinter den Kulissen bereitet das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Übernahme der EU-Sanktionen vor. Dass die Schweiz beim Goldembargo ausschert, ist unwahrscheinlich. «Bisher hat sich die Schweiz allen Sanktionspaketen angeschlossen, welche die EU als Reaktion auf die russische Militäraggression in der Ukraine erlassen hatte», betont ein Seco-Sprecher.

Entscheid noch vor nächster offizieller Sitzung?

Den Entscheid fällen muss schliesslich der Bundesrat. Bis nach den Sommerferien dürfte er, auch wegen des Drucks aus der EU, nicht zuwarten. Die Bundeskanzlei lässt ausrichten, dass «generell der Bundesrat jederzeit in der Lage ist, Entscheide zu treffen». Diese könnten auch im Zirkularverfahren oder im Rahmen von Telefonkonferenzen erfolgen. (bzbasel.ch)

Komplexes Regelwerk

kLegal, aber nicht in jedem Fall:
Grundsätzlich ist der Import von russischem Gold in die Schweiz weiterhin erlaubt. Zu unterscheiden sind zwei Arten von Gold aus Russland: solches, das vor dem 7. März hergestellt wurde, und solches aus späterer Produktion. Für Ersteres gilt, dass es importiert und auch gehandelt werden darf. Für russisches Gold, das nach dem 7. März produziert wurde, ist der Handel jedoch verboten.
Anerkannte Schweizer Prüfer und Schmelzer (die grossen Raffinerien sind oft beides) können solches Gold kaufen. Da es aber nicht mehr den anerkannten Standards entspricht, ist es strafbar, es unverarbeitet in den Handel zu bringen.

Schmilzt eine Raffinerie es aber um, darf auch solches Gold gehandelt werden. Voraussetzung dafür ist die Einhaltung der Sorgfaltspflichten nach Edelmetallkontroll- und Geldwäschereigesetz. Wie das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit betont, ist der Kauf von russischem Gold – hergestellt nach dem 7. März – darum auch für Prüfer und Schmelzer nicht per se legal: Die Edelmetallkontrolle prüft bei solchen Importen, ob eine Verletzung der Sorgfaltspflichten vorliegt. Denn: «Die Edelmetallkontrolle hat eine dringliche Empfehlung abgegeben, kein nach dem 7. März 2022 hergestelltes russisches Gold anzunehmen und zu verarbeiten.» Zur Sorgfaltspflicht einer Raffinerie gehört laut Auslegung des Zolls auch, zu prüfen, ob an der Lieferung sanktionierte russische Personen oder Organisationen beteiligt sind. (mpa)
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diesen russischen Oligarchen geht die EU an den Kragen
1 / 21
Diesen russischen Oligarchen geht die EU an den Kragen
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die EU Sanktionen gegen Russland, einige Unternehmen und Einzelpersonen verhängt. Darunter fallen auch viele russische Oligarchen. Oligarchen sind Personen, die mit ihrem Reichtum direkt die Geschicke eines Landes oder einer Region beeinflussen. Die EU hat das Vermögen der Milliardäre in Europa eingefroren und die Personen mit einem Einreiseverbot belegt. Folgend einige der wichtigsten betroffenen Oligarchen: ... Mehr lesen
quelle: keystone / alejandro zepeda
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
94 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rikki-Tiki-Tavi
27.07.2022 23:11registriert April 2020
Eine Regierung darf nie Ferien haben. Punkt. Jedes einzelne Mitglied, ja, sicher, sind Menschen. Die Regierung? Nie. „Bundesrat weilt in den Ferien“ gibts nicht als akteptables Argument für Nicht-Behandlung eines politischen Themas.
14334
Melden
Zum Kommentar
avatar
Nordkantonler
27.07.2022 22:52registriert September 2020
Wie, die Schweiz dient womöglich als Umschlagplatz für das Gold international geschasster Staaten? Kaum zu glauben...
8332
Melden
Zum Kommentar
avatar
Dave1974
27.07.2022 23:15registriert April 2020
Die Infobox ist am intressantesten, wenn man die Umstände verstehen möchte.
462
Melden
Zum Kommentar
94
96'000 Besucherinnen und Besucher am Openair St. Gallen

Das nach vier Tagen am Sonntag zu Ende gegangene Openair St. Gallen hat 96'000 Besucherinnen und Besucher in seinen Bann gezogen. Das Wetter sei dem Festival gewogen gewesen, teilten die zufriedenen Organisatoren am Abend mit. Mit dem Auftritt von Lewis Capaldi sei am Samstag ein Überraschungscoup gelungen.

Zur Story