Russland ist eine Rohstoffmacht. Und diese Macht weiss Wladimir Putin geschickt zu nutzen. Wer in Westeuropa gerade sein Auto betankt oder sich als Mieter über die Stromabrechnung beugt, spürt die Kosten bereits im Portemonnaie.
Die Sanktionspakete der EU und der USA zielen darauf ab, Putin von diesen Einnahmen aus dem Energiegeschäft abzuschneiden. Letzte Woche hat die Europäische Union das siebte Sanktionspaket verabschiedet. Es zielt auf ein weiteres zentrales Exportgut von Wladimir Putin: sein Gold. Russland besitzt immense Vorräte des Edelmetalls. Im Jahr 2020 verkaufte Russland Gold im Wert von 18.7 Milliarden Dollar und war viertgrösster Exporteur weltweit.
Seit dem 22. Juli ist es EU-Mitgliedsländern nun verboten, russisches Gold zu importieren. Josep Borrell, Vizepräsident der EU-Kommission, bezeichnete dies als «weiteren wichtigen Schritt, die Finanzierung des russischen Krieges einzudämmen».
Today, we are taking another step to curtail Russia’s capacity to continue to finance its aggression against Ukraine.
— Josep Borrell Fontelles (@JosepBorrellF) July 21, 2022
We are effectively banning Russia’s most significant export after energy – Russian gold.
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Der Bundesrat hat sich bisher den EU-Sanktionen jeweils angeschlossen. Der Entscheid, ob die Regierung auch das Goldembargo übernimmt, wird mit Spannung erwartet. Denn die Schweiz ist als Standort der grössten Raffinerien weltweit bedeutend für die Goldverarbeitung sowie den -handel und kennt bisher kaum Importbeschränkungen (siehe Box unten).
Der Umgang mit russischem Gold sorgte in der Branche jüngst für Unstimmigkeiten. Auslöser waren Goldimporte über 3.3 Tonnen mit russischer Herkunft im Mai und im Juni, die der Zoll in einer nachträglichen Untersuchung als unproblematisch klassifizierte.
Dennoch entfachten diese Importe einen Kampf um die Deutungshoheit in der Branche: Während die Schweizerische Vereinigung Edelmetallfabrikanten und -händler wie auch der Zoll dringend vom Kauf russischen Goldes abrieten, hat sich unter dem Namen Swiss Precious Metals Institute eine Juristentruppe formiert, die betont, Goldimporte aus Russland seien weiterhin legal.
Jetzt, da der Bundesrat Klarheit schaffen könnte, weilt die Landesregierung in den Ferien. Die nächste ordentliche Sitzung ist erst auf den 17. August angesetzt. Marc Ummel, Goldexperte bei der Nichtregierungsorganisation Swissaid, fordert den Bundesrat zu raschem Handeln auf. «Die Schweiz darf nicht eine Insel für Umgehungsgeschäfte werden», sagt er zu CH Media. Nur mit einer Verschärfung der Schweizer Sanktionsgesetze sei gewährleistet, «dass die Schweiz weder indirekt noch direkt Russland im grausamen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt».
In der EU sind die Erwartungen an die Schweiz klar. Der Europäische Rat, in dem mehrmals im Jahr die Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel zusammenkommen, hat diese in seinem Treffen Ende Juni festgehalten. Auf Anfrage verweist das Gremium bei der Umsetzung des neuesten Sanktionspakets auf die damals beschlossenen Forderungen. An Drittstaaten und EU-Bewerberländer gerichtet, heisst es dort: «Der Rat ruft alle Länder dazu auf, sich den Sanktionen anzuschliessen.» Dabei geht es den EU-Staatschefs darum, die Sanktionen möglichst so auszugestalten, dass Putin keine Schlupflöcher bleiben.
Hinter den Kulissen bereitet das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Übernahme der EU-Sanktionen vor. Dass die Schweiz beim Goldembargo ausschert, ist unwahrscheinlich. «Bisher hat sich die Schweiz allen Sanktionspaketen angeschlossen, welche die EU als Reaktion auf die russische Militäraggression in der Ukraine erlassen hatte», betont ein Seco-Sprecher.
Den Entscheid fällen muss schliesslich der Bundesrat. Bis nach den Sommerferien dürfte er, auch wegen des Drucks aus der EU, nicht zuwarten. Die Bundeskanzlei lässt ausrichten, dass «generell der Bundesrat jederzeit in der Lage ist, Entscheide zu treffen». Diese könnten auch im Zirkularverfahren oder im Rahmen von Telefonkonferenzen erfolgen. (bzbasel.ch)