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Spanien offeriert Frauen «Menstruations-Urlaub» – das musst du wissen

Befreiung oder Stigmatisierung? Der spanische «Menstruations-Urlaub» spaltet die Gemüter

Die spanische Regierung hat einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der den Frauen erlauben soll, bei Menstruationsbeschwerden zu Hause zu bleiben. Was dafür und dagegen spricht – und was die Schweiz davon hält.
24.05.2022, 08:3624.05.2022, 17:13
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Was genau wurde in Spanien entschieden?

Im Rahmen des sogenannten «Menstruationsurlaubs» dürfen Frauen mindestens drei und höchstens fünf Tage pro Monat zu Hause bleiben. Dies verlangt ein Gesetzesentwurf, der am 17. Mai in Spanien verabschiedet wurde.

Gemäss Entwurf müssen die Beschwerden aber von einem Arzt bestätigt werden, womit der Menstruationsurlaub schlussendlich über die übliche Krankschreibung läuft. Durch das neue Gesetz soll eine solche Krankschreibung aber erleichtert werden. Die Kosten einer solchen Krankschreibung würden vom Staat übernommen. Sollte der Gesetzesentwurf vom Parlament bestätigt werden, käme Spanien eine Vorreiter-Rolle zu: Noch in keinem anderen Land in Europa gibt es ein vergleichbares Gesetz.

Menstruation
In einer amerikanischen Studie mit 408 jungen Frauen gaben 84,1 Prozent an, dass sie menstruelle Schmerzen schon erlebt hätten. 43,1 Prozent davon leiden bei jeder Periode darunter.Bild: Shutterstock

Der Menstruations-Urlaub ist Teil einer umfassenden Gesetzesüberarbeitung in Spanien, welche das Recht der Frauen auf Abtreibung stärken möchte.

Das Gesetz zielt darauf ab, den Zugang zur Abtreibung auch für 16-Jährige zu ermöglichen, ohne dass diese die Zustimmung eines Elternteils oder einer erziehungsberechtigten Person benötigen. Dies war bisher der Fall. Ebenso soll es nicht mehr nötig sein, den ersten Antrag auf Abtreibung drei Tage später erneut bestätigen zu müssen.

Menstruationsbeschwerden
Für viele Mädchen und Frauen ist die monatliche Regelblutung eine schmerzhafte Angelegenheit. In der Medizin ist dies unter dem Begriff «Dysmenorrhoe» bekannt.
Wenn sich nach dem Eisprung keine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter eingenistet hat, wird die aufgebaute Gebärmutterschleimhaut mit dem Ende der Regelblutung abgestossen. Damit sich die Schleimhaut von der Gebärmutterwand lösen kann, ziehen sich die dortigen Muskeln in unregelmässigen Abständen zusammen und entspannen sich wieder.

Während einige Frauen nichts davon spüren, löst dieser Prozess bei anderen schmerzhafte Krämpfe aus. Diese finden im Unterleib statt, der Schmerz kann aber auch in den Rücken und in die Beine ausstrahlen und für Übelkeit, Erbrechen und Durchfall sorgen. Weiter leiden viele Frauen während der Periode unter Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, sowie Schwäche und Schwindel.

Was spricht für das Gesetz?

Die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero, sieht den Gesetzesentwurf als nötigen Schritt, um die Rechte von Frauen im Gesundheitsbereich zu stärken. Gegenüber dem spanischen Fernsehsender «La Hora de La 1» begründete sie die Massnahme:

epa09952539 Spanish Equality's Minister, Irene Montero, addresses a press conference after the weekly Cabinet meeting at La Moncloa Palace complex, in Madrid, Spain, 17 May 2022. EPA/ZIPI
Setzt sich für den Gesetzesentwurf ein: Irene Montero.Bild: keystone
«Wir werden in Europa das erste Land sein, welches Menstruationsgesundheit als einen Gesundheitsstandard betrachtet. Wir eliminieren Stigma, Scham und Schuld, sowie die Einsamkeit, welche die Frauen während ihrer Periode oft durchmachen.»

Die grosse spanische Gewerkschaft CCOO befürwortet die Idee. Die vorgeschlagene Massnahme sei gerechtfertigt, wenn Frauen aufgrund von Menstruationsbeschwerden nicht in der Lage seien, zu arbeiten. Sie bezeichnet dies als grossen «legislativen Fortschritt», mit dem ein Gesundheitsproblem anerkannt werde, welches bisher ignoriert worden sei.

Auch Inigo Errejon, der Vorsitzende der linken Partei Mas Pais, steht voll und ganz hinter dem Gesetzesentwurf, wie er auf Twitter deutlich macht:

«Wenn Männer Perioden hätten, dann wäre der Menstruationsurlaub schon vor Jahrzehnten eingeführt worden. Das ist das Problem.»

Was sagen die kritischen Stimmen?

Nicht alle sind von der Idee eines Mens-Urlaubes begeistert. So auch Hortensia Garcia Briz, eine Gynäkologin in Madrid. Gegenüber der «New York Times» äussert sie ihren Unmut:

«Ich verstehe wirklich nicht, warum wir dieses neue Gesetz brauchen, wo es doch für die meisten Frauen inzwischen so viele Möglichkeiten gibt, die Arten von lähmenden Schmerzen zu vermeiden, die es ihnen verunmöglicht zu arbeiten.»

Die feministische Bewegung ziehe die Dinge ins Extreme und aus dem Kontext, was für die Frauen nicht wirklich hilfreich sei, kritisiert sie weiter. Eigentlich solle ja genau das Gegenteil getan werden: Man müsse den Mythos begraben, dass eine Periode schmerzhaft sein muss.

Stattdessen sollte man Aufklärung betreiben, dass die Gynäkologie bereits viele Produkte bereitstelle, welche die Periode angenehmer machten. So sind die Schmerzen in einigen Fällen auch auf Endometriose zurückzuführen – eine chronische Erkrankung der Gebärmutterschleimhaut, die oft unerkannt bleibt.

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Video: watson/gunda windmüller, lia haubner

Faride Ojeda, ebenfalls eine Gynäkologin in Madrid, äussert sich auch kritisch zum Gesetzesentwurf, verweist dabei aber auf die Situation am Arbeitsplatz:

«Als Feministin und Gynäkologin möchte ich kein Gesetz, welches die Periode als Krankheit darstellt. Dies könnte die Männer dazu verleiten, weniger Frauen anzustellen und so unsere Möglichkeiten am Arbeitsplatz weiter reduzieren.»

Wo gibt es bereits «Mens-Urlaub?»

Besonders im asiatischen Raum gibt heute bereits ähnliche Regelungen. In Japan dürfen die Frauen bereits seit 1947 einen freien Menstruationstag pro Monat beziehen. Sie müssen allerdings nicht dafür bezahlt werden. Wurde dieses Angebot kurz nach der Einführung noch von etwa 26 Prozent von angestellten Frauen genutzt, sank diese Zahl gemäss einer Umfrage 2017 auf 0,9 Prozent zurück. Zu gross sei die Scham, bei den Arbeitgebenden den Menstruationstag einzufordern.

Auch in Südkorea besteht diese Regelung, dort wird sie laut einer Umfrage aus dem Jahr 2017 von 19,7 Prozent aller angestellten Frauen genutzt.

In Indonesien erhalten die Frauen seit 2003 zwei Tage bezahlte Menstruations-Absenz. Viele Arbeitgebende erlauben allerdings nur einen Tag, andere gar keinen. Entweder, weil sie das Gesetz nicht kennen, oder weil sie es bewusst umgehen.

Das Gesetz in Taiwan erlaubt den Frauen drei Menstruation-Absenzen pro Jahr, wobei maximal ein Tag pro Monat bezogen werden kann. Wie bei einer normalen Krankschreibung erhalten sie dann nur die Hälfte ihres Lohns.

In Sambia dürfen die Frauen während ihrer Periode einen Tag freinehmen. Ein ärztliches Zeugnis ist dafür nicht notwendig.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Auch in der Schweiz wird das Thema diskutiert. «Medizinische Faktoren wie die Menstruation müssen in der Arbeitswelt enttabuisiert und explizit mitgedacht werden», fordert Theres Blöchlinger, ehemalige Leiterin des Frauenambulatoriums in Zürich und Mitglied des feministischen Netzwerkes Wide.

Die Unia ist damit nicht einverstanden. Die grösste Gewerkschaft der Schweiz empfindet den Menstruationsurlaub als nicht nötig. Sprecherin Leena Schmitter begründet dies damit, dass es ja schon sein könne, dass man sich bei starken Menstruationsbeschwerden krank fühle. In diesem Fall gelte man dann auch als krank, womit das entsprechende Gesetz zum Zug käme.

Während das Anrecht auf Menstruationsurlaub die Meinungen spaltet, ist man sich in einem anderen Bereich einig: Die «Tamponsteuer» soll abgeschafft werden. Bisher werden Produkte der Monatshygiene, wie Tampons und Binden zum normalen Mehrwertsteuersatz von 7,7 Prozent versteuert. Sie zählen damit nicht zu den Gütern des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, für die ein reduzierter Satz von 2,5 Prozent gilt.

Nach anhaltender Kritik durch Frauenrechtsorganisationen überwies das Parlament 2019 schliesslich einen Vorstoss an den Bundesrat. Dieser verlangt einen reduzierten Satz für Produkte der Monatshygiene. Der Nationalrat stimmte dieser Änderung am 10. Mai deutlich zu. Was jetzt noch fehlt, ist die definitive Zustimmung des Ständerats.

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82 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ScottSterling
24.05.2022 11:32registriert Juni 2018
Als Vorgesetzter handhabe ich das heute schon so. Wenn sich eine Mitarbeiterin krank meldet, dann ist das so. Ob das nun eine Grippe, Magendarm oder eben Menstruationsbeschwerden sind geht mich schlussendlich nichts an. Dafür haben wir ja die passende Versicherung als Arbeitgeber.
Und siehe da: Die Damen in meinem Team fallen erstaunlicherweise nicht häufiger aus, als ihre männlichen Teamkollegen.
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Stefan003
24.05.2022 09:15registriert Juni 2020
Ich sehe grundsätzlich kein Problem mit diesem Gesetz, da es ja weiterhin ein Arztzeugnis braucht (Das müsste doch bereits jetzt möglich sein, oder?). Man muss allerdings anmerken, dass man mit Mitarbeitern, welche jede vierte Woche fehlen kein reguläres Arbeitsverhältnis mehr haben kann. Diese wären ganz klar teilinvalide.
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Bruno S.1988
24.05.2022 10:13registriert Juli 2016
Ich habe absolutes Verständnis dafür, dass es Frauen gibt die zum Teil unglaubliche schmerzen während ihrer Mens haben. Dass dabei an Arbeit nicht zu denken ist, ist absolut nachvollziehbar.
Jedoch wird es leider Chefs geben, die es sich dann zweimal überlegen werden, ob sie für die eine Stelle nun eine weibliche oder einen männlichen Mitarbeiter einstellen möchten. Das ist leider die Realität. Wenn ein Mitarbeiter doof gesagt das OK hat jeden Monat 2-3 Tage zu fehlen, ist das für den Chef ein gewichtiger Faktor.
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