Bill Browder macht in den USA erfolgreich Stimmung gegen die Schweiz. Im Juli hat er vor der Helsinki-Kommission des US-Kongresses eine Rede gehalten, in der er die Schweizer Justiz als korrupt bezeichnet und deshalb Sanktionen gegen aktuelle und ehemalige Justizbeamte gefordert hat. Er wirft ihnen vor, Verfahren zugunsten von Russland verschleppt und eingestellt zu haben.
Bill Browder on Switzerland enabling Russia's invasion of Ukraine: "The Swiss government wants to be seen to be doing something, but when it comes to reality, the Swiss government doesn't want to anything because there's such a lot of money to be made off of dirty Russia money." pic.twitter.com/OJdIqONAFS
— CSPAN (@cspan) July 18, 2023
Damit stösst er in der Kommission, die über Menschenrechte wachen soll, auf offene Ohren. In der Anhörung bleiben seine Ausführungen unwidersprochen. Die Schweiz hat auf einen Auftritt verzichtet, in der Absicht, die Show nicht noch grösser zu machen. Vielleicht war das ein taktischer Fehler.
Die Kommission hat nämlich einen Teil von Browders Forderungen übernommen und verlangt in einem Brief an US-Aussenminister Antony Blinken, Sanktionen gegen drei ehemalige Justizbeamte zu prüfen. Dazu gehört Ex-Bundesanwalt Michael Lauber.
Damit hat die Schweizer Politik nicht gerechnet. Denn die Helsinki-Kommission ist nicht etwa ein linkes Gremium. Angeführt wird sie von Joe Wilson, einem strammen Republikaner. Die vorgeschlagenen Sanktionen sind ein Affront. Es geht um weit mehr als um drei ältere Herren, die künftig vielleicht nicht mehr in den USA Ferien machen dürfen. Es geht um ein Powerplay der USA, um die Schweiz von ihrem neutralen Kurs im Ukrainekrieg abzubringen.
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Der Mann, der die Affäre losgetreten hat, ist ein gewiefter Rhetoriker. Bill Browder spricht in einem ruhigen Ton, auch wenn er Ungeheuerlichkeiten formuliert. Auf diese Weise hat er es geschafft, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit zu gewinnen. Seine Story ist jedoch umstritten. Deshalb wird das Interview mit zwei Zwischenkapiteln ergänzt.
Mr. Browder, Sie sind eigentlich in den Ferien in Colorado. Warum unterbrechen Sie Ihre Ferien für dieses Interview?
Bill Browder: Weil es um eine wichtige Angelegenheit geht: um Korruption in der Schweiz.
Sie haben erreicht, dass in den USA Sanktionen gegen drei ehemalige Schweizer Justizbeamte geprüft werden. Wegen Ihnen ist ein Teil der Schweizer Politik in helle Aufregung geraten.
Ich staune über die Reaktion der Schweiz. Aus meiner Sicht befindet sich das Land in einer Krise. Die Schweiz muss endlich sauber werden. Dafür muss sie aber zuerst akzeptieren, dass es Korruption in ihrer Justiz gibt und schwere Fehler begangen wurden. Aber was macht die Schweiz stattdessen? Sie greift den Überbringer der schlechten Nachricht an und jammert, die USA würden ihre Souveränität verletzen.
Wo sehen Sie die Schweiz in einer Krise?
Die Schweiz hatte eine so warme Beziehung zu Russland, dass sie jetzt bereit ist, beschlagnahmte Gelder von 14 Millionen Franken an korrupte Russen zurückzuzahlen, die auf den Sanktionslisten der USA, des Vereinigten Königreichs, von Kanada und Australien stehen. Wenn diese Gelder am Ende tatsächlich auf diese Weise zurücküberwiesen werden, wird die Schweiz ins Zentrum einer internationalen Krise geraten.
Dazu muss man wissen: Bill Browder ist in den Fall persönlich involviert. Er war einst der grösste Auslandinvestor in Russland und ein Unterstützer von Präsident Wladimir Putin. Er führte die britische Investmentfirma Hermitage Capital, die ihr Geld in russische Firmen wie Gazprom investierte. Das Geschäftsmodell bestand darin, die Firmen danach mit öffentlichem Druck von Korruption zu säubern und anschliessend von Wertsteigerungen zu profitieren.
Doch etwa im Jahr 2004 fiel Browder bei Putin in Ungnade. 2013 wurde er von einem russischen Gericht in Abwesenheit wegen Steuerhinterziehung zu neun Jahren Haft verurteilt. Damit kam er glimpflich davon. Sein Wirtschaftsprüfer Sergei Magnitski starb in einem russischen Gefängnis. Er wurde 37 Jahre alt.
Gemäss Browder war Magnitski ein Whistleblower, der einen Steuerskandal aufdeckte und deshalb im Gefängnis ermordet wurde. Er habe zwei Polizisten beschuldigt und sei dann von diesen verhaftet und umgebracht worden. Fest steht, dass Magnitski krank war und in Haft miserabel behandelt wurde.
Umstritten ist aber, ob er die Vorwürfe gegen die Polizisten tatsächlich erhoben hat und sie deshalb ein Motiv hatten. Gemäss einer «Spiegel»-Recherche war seine Rolle als Whistleblower eine nachträgliche Konstruktion. Er sei kein entscheidender Hinweisgeber gewesen. Und er habe die Polizisten nicht direkt beschuldigt.
Fest steht allerdings, dass sich korrupte Funktionäre bereichert haben und ein Steuerbetrug stattgefunden hat. Ein Teil der Gelder floss auf Konten von UBS und Credit Suisse. Die Bundesanwaltschaft hat deshalb 18 Millionen Franken beschlagnahmt. Davon will sie jedoch nur vier Millionen einziehen und den Rest zurückzahlen.
Ein Verfahren wegen Geldwäscherei hat sie eingestellt, weil sie diese nicht beweisen kann. Die Geldflüsse wurden zu geschickt verwischt. Einziehen kann sie nur jene Gelder, die auf eine Straftat in Russland zurückgehen. Der Nachweis ist ihr dafür nur bei einem Bruchteil gelungen. Deshalb muss sie den grössten Teil zurückzahlen. Das Problem dabei ist ein politisches: Die Empfänger stehen auf diversen Sanktionslisten, die aber nicht in der Schweiz gelten.
Sie vermischen zwei Probleme: Ihr eigenes Verfahren und die Sanktionspolitik. Die Schweiz verhängt generell keine eigenen Sanktionen, sondern übernimmt jene der EU.
Bill Browder: Die Schweiz hat das sogenannte Potentatengelder-Gesetz, das genau für solche Situationen existiert. Es besagt, dass es im Interesse der Schweiz ist, Gelder aus korrupten Staaten zu beschlagnahmen. Es könnte jetzt angewendet werden, um diese Gelder weiterhin zu blockieren, anstatt sie Kriminellen zurückzuzahlen. Es gibt keinen Grund, warum die Schweiz stattdessen blind und gedankenlos der EU-Sanktionspolitik folgen solle.
In der Schweizer Politik herrscht nun zwar Nervosität. Aber so wirklich glaubt niemand daran, dass die drei Schweizer tatsächlich auf der US-Sanktionsliste landen werden.
Die Leute in der Schweiz müssen verstehen, was der Magnitsky-Act bedeutet, der 2012 in den USA eingeführt wurde. Er ist einer der grössten Schritte der USA bei der Umsetzung der Menschenrechte in der jüngeren Geschichte. Das Gesetz geht auf den Fall von Sergei Magnitski zurück, der in einem russischen Gefängnis umgebracht wurde, weil er russische Korruption aufdeckte. Der Magnitsky-Act sanktioniert die Leute, die in diese Korruption involviert sind. Und wenn die Schweiz jetzt Gelder an diese Leute zurückzahlen will, ist das eine Beleidigung für die USA und wird die Beziehung mit Amerika beschädigen.
Bereits unabhängig davon haben die USA den Ton gegenüber der Schweiz verschärft.
Die USA versuchen, die Ukraine auf jedem möglichen Weg zu unterstützen. Dafür sanktionieren sie sehr viele Russen. Dabei wird klar, dass die Schweiz nicht so zuverlässig ist wie andere Verbündete. Das lässt sich an drei Problemen festmachen. Erstens: Gemäss der Schweizer Bankiervereinigung werden bis zu 200 Milliarden russische Gelder in der Schweiz gehalten. Aber nur 7,5 Milliarden davon hat die Schweiz eingefroren. Zweitens: Die Schweiz ist nicht bereit, bei der Taskforce der G7-Staaten mitzumachen, um korrupte Russen aufzuspüren. Drittens: Die Schweiz verhindert, dass in der Schweiz hergestellte Waffen von anderen Ländern in die Ukraine geliefert werden. All dies ist nicht hilfreich, wenn Putin einen mörderischen Aggressionskrieg auf dem Kontinent führt.
Ihre Anschuldigungen gegen die Schweiz sind übertrieben. Korrekt ist, dass ein Ermittler wegen eines Korruptionsdelikts verurteilt wurde und Bundesanwalt Lauber seinen Job wegen seiner informellen Treffen verloren hat. Es ist nicht korrekt, daraus zu schliessen, die gesamte Justiz sei korrupt.
Nun, was wissen wir? Ein Mitglied des Teams der Bundesanwaltschaft wurde von den Russen bestochen, um den Magnitski-Fall zu vertuschen. Die Bundesanwaltschaft hat darauf den Fall eingestellt, um den grössten Teil der Gelder an korrupte Russen zurückzuzahlen. Und was passiert, wenn wir uns vor dem Bundesstrafgericht über diese Korruption beschweren wollen? Wir werden gar nicht angehört, sondern als Privatkläger aus dem Verfahren ausgeschlossen. Aus unserer Sicht ist deshalb der ganze Prozess korrupt abgelaufen, und zwar im Interesse der Russen.
Dazu muss man wissen: Unter dem ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber waren informelle Treffen gang und gäbe. Die Absicht dahinter war eine gute. Ohne Beziehungen zur russischen Staatsanwaltschaft waren Rechtshilfeverfahren aus der Schweiz aussichtslos. Lauber und sein Team bemühten sich deshalb um persönliche Kontakte. Dabei gingen sie aber zu weit.
Berühmt geworden ist ein Foto, das die Zeitungen von CH Media 2019 veröffentlicht haben. Es zeigt, wie sich Bundesanwalt Lauber und seine Ermittler 2014 mit russischen Staatsanwälten auf einer Jacht vergnügten. Der informelle Rahmen steht in Kontrast zum formellen Ablauf von Strafverfahren. Der Ausflug fand während einer Staatsanwälte-Konferenz in Irkutsk statt, zu der andere Länder ihre Teilnahme wegen des damaligen russischen Überfalls auf die Krim abgesagt hatten. Die Schweizer Bundesanwaltschaft flog dennoch hin. Mit den Kontakten vor Ort konnte sie einen Ermittlungserfolg einfädeln. Sie konnte eine Einvernahme im Karimowa-Fall organisieren, bei dem es um die Tochter des Ex-Präsidenten Usbekistans geht.
Dafür zuständig war Laubers Berater, der formell der Bundespolizei Fedpol angehörte. Er wurde später in Bellinzona wegen Vorteilsannahme verurteilt. Das ist ein Korruptionsdelikt, auch «Anfüttern» genannt. Seine Tat: Er ging mit einem russischen Staatsanwalt auf eine Bärenjagd. Gemäss dem Urteil hätte die Einladung theoretisch die Ermittlungen beeinflussen können, was praktisch aber nicht passiert sei. Die blosse Möglichkeit reichte allerdings für eine Verurteilung.
Vor Gericht gab der Ermittler ausserdem zu Protokoll, er habe Browders Version im Fall Magnitski demaskieren wollen. Damit hat er sich angreifbar gemacht. In der aktuellen Affäre kommt deshalb diese alte Geschichte wieder hoch.
Mit der Nähe zur russischen Staatsanwaltschaft hat sich die Bundesanwaltschaft einen Bärendienst erwiesen. Sie liess sich zwar nicht korrumpieren, aber schon nur der Anschein dafür ist juristisch ein Problem. Damit waren auch die wenigen Ermittlungserfolge beschädigt, die dank der Kontakte zu den Russen zustande kamen.
Inzwischen ist ein neuer Bundesanwalt im Amt: Stefan Blättler. Er steht für einen Neuanfang.
Bill Browder: Mister Blättler hatte die Gelegenheit, den Fall neu aufzurollen. Er hätte feststellen können, dass es in dieser Untersuchung zu Korruption gekommen ist und deshalb auch hier ein Neuanfang nötig ist. Doch er will damit nichts zu tun haben und hat einfach die Entscheide seines Vorgängers übernommen.
Nochmals: Es gibt Probleme in einem Justizverfahren, in das Sie involviert sind. Daraus können Sie nicht auf Korruption im ganzen Land schliessen.
Werfen wir einen Blick in die Vorgeschichte. Die Schweiz hat 70 Millionen Franken der russischen Landwirtschaftsministerin blockiert – und die kriminellen Gelder zurückbezahlt. Auch mehrere Millionen Franken eines Managers der Gazprombank hat sie eingefroren. Und wieder zurückbezahlt. Es gibt eine lange Liste weiterer verdächtiger Fälle. Der aktuelle Fall bestätigt das schlechte Vorgehen der Bundesanwaltschaft.
Er zeigt vor allem, wie schwierig es ist, korrupte Geldflüsse zu beweisen. In Ihrer Kampagne stellen Sie die Schweiz schlechter dar, als sie ist, um eine spannende Storyline zu haben.
Sie können meine Aussage vor dem britischen Parlament schauen, wo ich das britische Verhalten auf die gleiche Weise attackiert habe. Ich sage den Mächtigen die Wahrheit in allen Ländern, die vom Magnitski-Fall berührt sind. In 16 Ländern wurden deshalb Verfahren eröffnet. Dabei können wir sehen, wo das System funktioniert und wo nicht. Am Anfang hätte ich auch der Schweiz gute Noten gegeben. Doch dann hat Laubers Team den Fall übernommen und alles ist in sich zusammengebrochen. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Es ist eine Schande für die Schweiz.
Sanktionen gegen die drei Schweizer wären nur von symbolischer Bedeutung, da sie nicht mehr im Amt sind. Was wollen Sie damit erreichen?
Es ist unüblich für den US-Kongress, dass eine Kommission Sanktionen gegen Leute in einem befreundeten Staat wie der Schweiz verlangt. Das ist eine extreme Botschaft, die das Ausmass der Situation aufzeigt. Die Sanktionen hätten eine abschreckende Wirkung für aktuelle und künftige Justizbeamte. Sie könnten nicht mehr einfach weitermachen wie bisher.
Wieso glauben Sie, dass die Schweiz die Hilfe der USA nötig hat, um ihre Probleme zu lösen?
Nun, die Schweiz war auch auf die Hilfe der USA angewiesen, um das Raubgold der Nazi an die jüdischen Familien zurückzuerstatten. Und die Schweiz war auch auf die Hilfe der USA angewiesen, um die geheimen Bankkonten von Geldwäschern zu schliessen. Auch heute noch hält die Schweiz stur an ihrer Tradition fest, die aus einer längst vergangenen Ära stammt. Das Land muss sich nun modernisieren und ein Teil der zivilisierten Welt werden, wenn es um finanzielle Angelegenheiten geht. Offenbar ist das ohne die Hilfe der USA nicht möglich.
Sie können doch nicht das Nazi-Raubgold mit aktuellen Beweisschwierigkeiten in Geldwäschereifällen vergleichen.
Wieso nicht? Wir haben eine ähnliche Situation. Die Schweiz will Gelder an russische Kriminelle zurückzahlen. Es ist ein glasklares Beispiel dafür, dass sich die Schweiz nicht geändert hat.
Und Sie werden nicht aufhören, bis Sie Ihr Ziel erreicht haben?
Wir versuchen, Russland finanziell vom Rest der Welt zu isolieren, damit Putin seinen mörderischen Angriffskrieg nicht fortführen kann. Die Schweiz ist dabei ein Teil des Problems und nicht der Lösung. Und solange dies der Fall ist, werde ich alles tun, um den Druck auf die Schweiz hochzuhalten.
Sie sind 59, werden aber wohl nie in den Ruhestand gehen, oder?
Ich werde länger aktiv sein als die Leute, die mich loshaben wollen. Meine Stärke ist, dass die Leute, die zu mir in Opposition stehen, ihre Jobs wechseln und in Pension gehen. Ich bleibe. Solange die Schweiz russische Korruption ermöglicht, bleibt sie in meinem Visier. (aargauerzeitung.ch)
Die Frage lautet: Wer profitiert?
Aber es muss mehr getan werden, wenn es sein muss mit Druck vom Ausland. Die Schweiz hat die Tendenz sich von selbst nicht zu bewegen.
Wir Merken es halt nicht aber es werden immer mehr Menschen die, die Schweiz nur noch als Kriegsprofiteur und Bonzen Land sehen - irgendwann fälltes dann auf uns zurück im Urlaub oder Beruf - und nur wegen Politikern die sich nicht für denn Normal Schweizer interessieren. Der Geldadel der Schweiz steht nicht zur Schweiz sondern nur zu dem Geld.