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Russland-Sanktionen: Jetzt knöpfen sich die G7-Staaten die Schweiz vor

Russengelder in der Schweiz: Jetzt knöpfen sich die G7-Staaten den Bundesrat vor

Die internationale Kritik wird immer lauter: Die Schweiz verhalte sich passiv und helfe zu wenig mit, die Russlandsanktionen effizient umzusetzen. Jetzt schaltet sich die Gruppe der führenden westlichen Wirtschaftsmächte ein.
31.03.2023, 20:4931.03.2023, 21:02
Remo Hess, Brüssel / ch media
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Nach der internationalen Kritik um die strikte Auslegung der Neutralität, namentlich beim Wiederausfuhrverbot für in der Schweiz produzierte Waffen und Munition, bahnt sich neuer Ärger für den Bundesrat an. Konkret geht es um die Umsetzung der Russlandsanktionen. Mehrere Quellen bestätigen gegenüber dieser Zeitung, dass sich die G7-Staaten unter der Führung der USA momentan mit der Schweiz befassen.

FILE - German Chancellor Olaf Scholz, right, and U.S. President Joe Biden, arrive for the official G7 summit welcome ceremony at Castle Elmau in Kruen, near Garmisch-Partenkirchen, Germany, June 26, 2 ...
Führt die G7-Gruppe der westlichen Industrienationen an: US-Präsident Joe Biden (links) beim Gipfeltreffen im deutschen Elmau (Juni 2022).Bild: keystone

Die G7 sind der informelle Zusammenschluss der wichtigsten westlichen Industrienationen bestehend aus den USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien und Japan. Offenbar hat das mächtige Septett das Gefühl, die Schweiz verhalte sich passiv und könne weit mehr tun bei der Umsetzung der Sanktionen. Ein Brief sei in Vorbereitung, heisst es. Darin enthalten: viele Fragen an den Bundesrat.

Zum Beispiel zur Suche nach Vermögenswerten sanktionierter Russen. Scott Miller, der US-Botschafter in Bern, beklagte sich jüngst in einem Interview in der «NZZ» über das seiner Ansicht nach fehlende Engagement der Schweiz. Neben den momentan blockierten 7.5 Milliarden Franken könne die Schweiz zusätzlich 50 oder 100 Milliarden an Russengeldern einfrieren, so Miller. Besonders ins Visier nahm der Amerikaner das Wirtschaftsdepartement von SVP-Bundesrat Guy Parmelin.

Genauer: Parmelins Staatssekretärin Helen Budliger Artieda vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Er sei «beunruhigt» über manche ihrer Kommentare und hoffe, «dass wir auch weiterhin auf das Seco als Partner zählen können», so der US-Botschafter. Auch der Schweizer Botschafter in den USA, Jacques Pitteloud, warnte diese Woche gegenüber dieser Zeitung, dass es in den Beziehungen «knistere» und dass sich da womöglich etwas zusammenbraue.

Der Bundesrat schliesst das Einziehen von Oligarchengeldern aus, während man international mit Hochdruck an einer Lösung arbeitet.

Die Signale der mächtigsten Wirtschafts- und Militärmacht der Welt an die Schweiz sind eindeutig. Für Ärger soll laut Insidern auch gesorgt haben, dass der Bundesrat Mitte Februar verkündete, man werde in der Schweiz keine gesperrten Vermögen von russischen Oligarchen konfiszieren. Die Schweizer Rechtsordnung würde so etwas nicht erlauben, kam eine Arbeitsgruppe des Bundes zum Schluss. Rückblickend sei diese Aussage in ihrer abschliessenden Deutlichkeit wohl ungeschickt und unnötig gewesen, ist zu hören. Auch weil den Bundesrat zu diesem Zeitpunkt gar niemanden danach gefragt habe.

International geht der Trend nämlich genau in die andere Richtung. Sowohl in der von den USA angeführten «Repo»-Taskforce («Russische Eliten, Proxies und Oligarchen») wie auch in der sogenannten «Freeze and Seize»-Taskforce (einfrieren und einziehen) auf EU-Ebene lotet man Möglichkeiten aus, blockierte Russengelder nutzbar zu machen, um sie der Ukraine für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Obwohl man sich der juristischen Herausforderungen bewusst ist: Der politische Wille, zu einer Lösung zu kommen, sei klar vorhanden, heisst es in Brüssel.

Bereits ist die EU daran, die entsprechenden Rechtsgrundlagen zu schaffen: Ursula von der Leyen schlug vergangenen Dezember vor, den Versuch zur Umgehung von Sanktionen zu einem EU-weiten Verbrechen zu erklären. Wer sich schuldig macht, dessen Vermögen soll vereinfacht eingezogen werden. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft treibt die Gesetzesvorlage mit Entschlossenheit voran. Bereits im Juni könnten sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine Position einigen.

Aber auch bei der Absicht, die über 300 Milliarden Euro an blockierten russischen Zentralbankreserven nutzbar zu machen, tut sich einiges. In einem internen Konzeptpapier breitete die EU-Kommission diese Woche Varianten aus. Die wahrscheinlichste lautet, die Zentralbankmilliarden zwar nicht direkt zu konfiszieren, aber an den Finanzmärkten zu investieren und die Profite abzuschöpfen. Die EU-Beamten schätzen, mit einer geschickten Anlagestrategie eine Rendite von etwa 2.6 Prozent zu erzielen, was immerhin mehrere Milliarden abwerfen würde.

Das Wichtigste aber ist: das politische Signal, dass Russland für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine bezahlen müsse.

Scott Miller, Ambassador of USA to Switzerland, holds his national statement during the Ukraine Recovery Conference URC, Tuesday, July 5, 2022 in Lugano, Switzerland. The URC is organised to initiate  ...
Redet Klartext: US-Botschafter in Bern: Scott Miller bei der Ukraine-Recovery-Konferenz in Lugano im Juli 2022.Bild: keystone

Seco verteidigt sich: EU würde Schweiz für Sanktionsdurchsetzung loben

Die Schweiz ihrerseits hat trotz Drängen der USA bisher kein Interesse gezeigt, an der Repo-Taskforce teilzunehmen. Der Grund: Seit Lancierung des sich noch im Aufbau befindlichen Gremiums sei ausser den G7 kein anderes Land beigetreten, schreibt das Seco auf Anfrage. Bei der EU-Taskforce «Freeze and Seize» nehme man hingegen «regelmässig aktiv an Treffen von Untergruppen» teil. Handlungsbedarf darüber hinaus sieht man anscheinend keinen: «Die EU-Kommission hat ausdrücklich festgehalten, dass sie den Beitrag der Schweiz zur Stärkung der Wirksamkeit der Sanktionsdurchsetzung in ganz Europa sehr begrüsst», so ein Seco-Sprecher. Was die Verwertung der russischen Zentralbankmilliarden angeht, so könne man sich nicht äussern.

Bis vor kurzem erachtete es das Seco auch nicht als nötig, sich überhaupt zur Höhe der in der Schweiz befindlichen russischen Staatsgelder zu informieren. Erst mit der Übernahme des zehnten EU-Sanktionspakets durch den Bundesrat am Mittwoch, mehr als einen Monat nach dessen Verabschiedung durch die EU-Staaten, gibt es neu eine Meldepflicht über hiesige Vermögenswerte der russischen Zentralbank. Personen oder Organisationen, welche solche Gelder halten oder kontrollieren, müssen diese bis zum 12. April dem Seco melden.

Ob das reicht, um den Ärger der Amerikaner und der G7 über die Berner Behäbigkeit aufzufangen? Im «NZZ»-Interview redete US-Botschafter Miller auch dazu Klartext. Auf die Frage, ob die Schweiz unter Druck gerate, wenn sie bei den internationalen Bestrebungen zur Konfiszierung der Russengelder nicht mitmachen wolle, antwortete er: «Natürlich! Das ist die Schweiz gewohnt. Man kann nicht ein international führender Finanzplatz sein, ohne von allen Seiten Druck ausgesetzt zu sein.» (bzbasel.ch)

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167 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Flexon
31.03.2023 21:19registriert Februar 2014
Gut so. Je grösser der Druck auf die Schweiz desto besser. Die Schweiz reagiert grundsätzlich nur auf Druck, vor allem was Steuern und Finanzen betrifft.

Haltet den Druck aufrecht. Ich will keine Drehscheibe für illegales russisches Geld sein. Geld eines Unrechtstaates.
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N. Y. P.
31.03.2023 21:12registriert August 2018
Sieht so aus, dass jetzt das Geschäftsmodell..

"Neutralität als Feigenblatt, um im Hintergrund Pfründe zu sichern"

..seinem Ende zugeführt wird.

@G7

Die Oligarchenvermögen in der Schweiz liegen nicht bei den Banken, sondern bei unseren Treuhändern. Aber das ist ja bekannt. Ein Teil in Lichtenstein.
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AlfredoGermont
01.04.2023 01:35registriert März 2022
Nachrichtenlose Vermögen, Nazigold, Apardheid-Geschäfte, Blutdiamanten. Und jetzt Klüngelei mit Ruzzland.
Ein paar Anwälte, Banker, Treuhänder etc machen jeweils das grosse Geld und das ganze Land dard es nachher ausbaden.
Ich bin es leid, dass die gaze Welt denkt wir seien ein feiges Volk von Egoisten und würden jedem Diktator in den A*** kriechen!
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