Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag weltweit auf den Kopf gestellt und uns an die Schwelle zu einer neuen Zeit gebracht. Von einem auf den anderen Tag waren viele gezwungen, ihr Büro in der Wohnung einzurichten. Meetings werden virtuell abgehandelt, digitale Plattformen erlebten einen Boom.
Bei vielen Unternehmen findet derzeit ein Umdenken statt. Sollen Mitarbeitende öfters im Homeoffice bleiben? Soll das Homeoffice gar ganz eingeführt werden?
In Spanien geht man bereits einen Schritt weiter. Ab Oktober will die spanische Regierung ein Pilotprojekt zur 4-Tageswoche starten. 200 Unternehmen sollen testen, ob sich das Wohlbefinden und die Produktivität der Mitarbeitenden verbessert, wenn diese zum gleichen Lohn nur viermal wöchentlich zur Arbeit erscheinen müssen.
Das ist nun das erste Mal, dass Spanien ein Experiment dieser Grössenordnung startet, schreibt «El Confidencial». Im Fokus stehen vor allem die Branchen Programmierung, Beratung und Marketing. Ziel ist es jedoch, Hotel- und Tourismusunternehmen in diesen Pilotversuch einzubeziehen.
Lange hat man im Parlament besprochen, was passieren könnte, wenn die Arbeitszeit in bestimmten Berufen verkürzt würde. Einig wurde man dabei nicht. Nun wagt man den Versuch, der von der die linke Partei Más País kommt. «Mit der Vier-Tage-Arbeitswoche starten wir in die eigentliche Debatte unserer Zeit», schreibt Íñigo Errejón von Más País.
Die Partei hat vorgeschlagen, dass das Pilotprojekt von einem Expertenteam aus Vertretern der Regierung, der Gewerkschaften und der Wirtschaftslobby geleitet wird. Ziel ist es, die in den vergangenen Jahren stark zurückgegangene Produktivität zu steigern. Was man nicht sehen möchte, seien wegfallende Jobs oder reduzierte Gehälter. «Wir wollen, dass es bloss eine Arbeitszeitverkürzung gibt und keine Lohn- oder Arbeitsplatzverluste», sagt Héctor Tejero von Más País.
Die Regierung um Pedro Sánchez hat der linken Partei Más País, die das Pilotprojekt ins Leben gerufen hatte, 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Circa 6000 Arbeiter und Arbeiterinnen von hauptsächlich kleineren und mittleren Unternehmen sollen am Projekt teilnehmen. Damit die Kosten kompensiert werden können, erhalten die Unternehmungen für das einjährige Projekt durchschnittlich 250'000 Euro.
Die Details des Pilotprojekts werden derzeit noch verhandelt. Bei der Dauer des Projektes ist man sich noch nicht einig. Ursprünglich war nur ein Jahr vorgesehen. Nun schlägt die Partei Más País vor, das Projekt auf drei Jahre auszuweiten. Dabei soll das Experiment im ersten Jahr zu 100 Prozent, im zweiten zu 50 Prozent und im dritten zu 33 Prozent subventioniert werden.
Die gesetzliche Obergrenze liegt in Spanien bei 40 Stunden pro Woche. Nach Angaben von Eurostat liegt der Durchschnitt in Spanien fürs Jahr 2019 bei 37,5 Stunden pro Woche. Dies ist etwas mehr als der europäische Durchschnitt, der bei 37,1 Stunden liegt.
Auch punkto Arbeitsproduktivität steht Spanien verglichen mit anderen EU-Staaten gut da. Jedoch ist die Produktivität im Land selbst in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. 2012 lag der Produktivitätswert laut Eurostat noch auf 103,1, 2019 ist er auf 98,7 gesunken.
Kritik für das Projekt kommt vor allem aus der Wirtschaft. «Ich bin sehr skeptisch», sagt Manuel Hidalgo, Professor für Angewandte Ökonomie einer Universität in Sevilla, zu «El Confidencial». «Die Produktivität in Spanien stagniert, sie wächst nur sehr wenig.» Angesichts der heiklen Situation auf dem spanischen Arbeitsmarkt sei es derzeit kein guter Zeitpunkt für ein Experiment.
«Es ist nie ein guter Zeitpunkt, wenn es darum geht, Verbesserungen für die Lebensqualität der Arbeitnehmer einzuführen», räumt Carlos Gutiérrez, Mitarbeiter das Gewerkschaftsbund, ein. Es sei aber wahr, dass vom Konzept der Vier-Tage-Woche nur spezifische Sektoren profitieren würden. In Dienstleistungssektoren wie dem Hotel- oder Gastgewerbe könne man nicht sofort eine verkürzte Woche einführen, ohne dass die Produktivität darunter leide.
Die genauen Details werden kommende Woche noch besprochen. Bis Ende des Monats möchte man das Projekt aber fertiggestellt haben.
Schaut euch die Arbeitszeitentwicklung über die letzten Jahre an. Die Entwicklung mit mehr Diskussionen über das BGE und eine 4-Tage Woche ist die richtige. Natürlich funktionieren solche Änderungen nicht, wenn jeder jetzt einfach 20% Lohneinbussen hat, aber solche Versuche bieten eine gute Gesprächsgrundlage.