International
Sport

Afrika-Cup 2024: Das sind die Fans in der Elfenbeinküste

epa11113288 Supporters of the Ivory Coast national soccer team celebrate in the streets of Abidjan, Ivory Coast, 29 January 2024, after their team beat Senegal during their round of 16 match at the CA ...
Der ganz normale Wahnsinn auf den Strassen von Abidjan.Bild: keystone

Ein Land dreht vor Begeisterung durch – und diese Fans sind einmalig

Der Afrika-Cup versetzt gerade ein Land in Partystimmung. Die Elfenbeinküste ist nach schwachem Start plötzlich im Titelrennen. Und sowieso: Die Fans an der Kontinentalmeisterschaft sind jedes Mal eindrücklich. Und schräg.
03.02.2024, 09:1003.02.2024, 14:58
Mehr «International»

Vor dem Eröffnungsspiel am Afrika-Cup zwischen Gastgeber Elfenbeinküste und Guinea-Bissau fällt der Medienbus kurzfristig aus. Die Zeit wird knapp, und man hört viel von verstopften Strassen und schwieriger Anreise zum Stadion. Wir nehmen ein Uber. Dieses steht eine Stunde später rund sechs Kilometer vor dem Stadion im Stau. Nichts geht mehr. Drinnen zumindest.

Draussen, da tanzt der Bär. Oder gefühlt ganz Abidjan. Was die Einwohner der Hauptstadt entlang der Strasse zum Stadion schon Stunden vor dem Spiel abziehen, ist Vorfreude pur. Sie hüpfen, tröten, singen, trommeln entlang der vierspurigen Strasse. Es würde mich nicht wundern, wenn plötzlich wirklich ein tanzender Bär auftauchen würde.

Da lief der Verkehr noch flüssig: Kilometer vom Stadion entfernt versammeln sich die Massen fünf Stunden vor dem Spiel.Video: watson

Sollen wir von hier zu Fuss gehen? In knapp 1,5 Stunden wären wir im Stadion. Da rollt der Verkehr wieder ein Stück. Wir bleiben sitzen. Durch eine nächste Strassensperre kommen wir dank der Journalistenausweise. Aber rund zwei Kilometer vor dem Stadion geht wirklich nichts mehr. Wir steigen aus und werden bald von den Massen verschluckt. Es sind wilde Szenen. Eine knappe Stunde später sind wir im Stadion.

Vorfreude auf das Spiel auf dem Weg zum Stadion. Die allermeisten hier haben kein Ticket für das Spiel.Video: watson

Begeisterung nicht am Stadionbesuch messen

Die Eröffnungsfeier läuft bereits, als wir ankommen. Die Stimmung in der 60'000 Zuschauer fassenden Arena ist – obwohl nicht ganz gefüllt – elektrisierend. Gefühlt wird endlos Akwaba («Willkommen»), der offizielle Turniersong, gespielt. Alle johlen spätestens beim «eeh-ooh, eeh-ooh» mit, quasi ein «Chum bring en hei» für den ganzen afrikanischen Kontinent. Ich werde die Melodie nie mehr aus meinem Kopf bringen.

Die Eröffnungsfeier – das ganze Stadion singt mit.Video: watson

Die letzten Stunden mit der hektischen Anreise zum Stadion, den vielen Eindrücken, dem Lärm, so vielen Menschen, dem krassen Unterschied zwischen den armen Menschen am Strassenrand und uns Privilegierten hier im Stadion haben Spuren hinterlassen. Mein Sitznachbar Simon aus England – erstmals am Afrika-Cup – sitzt fast apathisch da. Normalerweise verfolgt er Liverpool und Everton nah. Er kennt sich aus mit Emotionen im Fussball. Jetzt aber sagt er: «Hey, ich muss kurz raus. Ich kann das grad nicht verarbeiten.»

Man hört viel über Fans am Afrika-Cup. Oder eher: das Fehlen der Fans. Die Stadien sind selten gut gefüllt oder füllen sich erst im Verlauf des Spiels. Das traf bei früheren von mir besuchten Afrika-Cups meist zu. Deshalb auf fehlendes Interesse zu schliessen, ist ein grober Trugschluss. Meist sind es andere Umstände, die ausländischen Fans nicht erlauben, ins Gastgeberland zu reisen und den Einheimischen, sich einen Stadioneintritt zu gönnen.

Yamoussoukro Afrika-Cup 2024 Elfenbeinküste. Fan aus dem Senegal
Mit einem Fan des Senegals vor dem Stadion in Yamoussoukro.Bild: Reto Fehr

Gute Stimmung in den Stadien

Die Begeisterung aber, die ich auf den Strassen von Abidjan antreffe, ist grenzenlos. Kaum jemand, der nicht irgendwo die Nationalfarben trägt. Ganz egal, ob das die Verkäuferin im Supermarkt, der Taxifahrer, das Kleinkind oder der Geschäftsmann ist. An Spieltagen bleiben diverse Geschäfte oder öffentliche Anlagen geschlossen. Man will ja vorbereitet sein für die Partie – auch wenn die erst abends stattfindet.

Diese Fans kennst du vielleicht von Bildern der letzten Fussball-WM. Beachte auch die beiden Wuschel zu Beginn des Videos.Video: watson

In der Elfenbeinküste habe ich oft das Gefühl, dass die Stadien meist gut ausgelastet sind und die Stimmung auf den Rängen sich nicht vor derjenigen der Europameisterschaft verstecken muss. Bei Ghana gegen Ägypten geht gar «La Ola» um die Stadionrunde. Dazu gesellt sich das permanente Trommeln, tanzen und singen der Fans. In Yamoussoukro setzt sich eine Trommeltruppe neben die Medientribüne. An die Arbeit ist nicht mehr zu denken.

Wie willst du so noch arbeiten im Stadion?Video: watson

Farbenfrohe Fans in schrägen Kostümen

Und dann sind natürlich sie da: die verkleideten Fans. An jeder Fasnacht würden sie einen der vorderen Plätze belegen. Ganzkörperbemalungen oder verrückte Verkleidungen gehören einfach dazu. Als Aussenstehender ist es nicht immer klar, ob es sich um einen gewöhnlichen Fan handelt oder doch eher um einen Voodoo-Meister. Oder beides.

Fans am Afrika-Cup 2024

1 / 56
Fans am Afrika-Cup 2024
Die Elfenbeinküste hat starke Unterstützung.
quelle: keystone / sunday alamba
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Früher kam auch mal ein lebendiges Huhn mit ins Stadion – das sehe ich 2024 nirgends. Aber bleibenden Eindruck hinterlassen die Fans von Gambia. Einer kommt als roter Wuschel, einer mit einer Art Holzrinden-Kleid, dazu schlägt er zum Takt zwei Holzscheite zusammen. Ich habe schon viele verrückte Fans gesehen – aber so etwas noch nie. Die beiden dürften bei 30 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von zwischen 60 und 80 Prozent auch ziemlich schwitzen.

Der rote Wuschel, die Trommler und der Holzmensch feuern ihr Team 90 Minuten lang an.Video: watson

Wilde Szenen in der Fanzone

Doch wie zuvor erwähnt: Die wahre Begeisterung, die spielt sich ausserhalb des Stadions ab. Wenn du verstehen willst, was Fussball hier bedeutet, dann musst du in die Strassen der Stadt. Die Partie zwischen der Elfenbeinküste und Nigeria schaue ich darum im Public Viewing in Treichville, einem Mittelstands-Stadtviertel. Die Fanzone bleibt bis kurz vor Spielbeginn schlecht besucht, doch in den Minuten vor dem Anpfiff stürmen die Zuschauer vor die grossen Screens.

Nach dem Siegtor der Elfenbeinküste gegen den Senegal brechen beim Public Viewing alle Dämme (und die Gitterabsperrung).Video: watson

Es herrscht ausgelassene Stimmung; kaum nähert sich der Gastgeber dem Strafraum, steigt der Lärmpegel. Leider fällt kein Tor für die «Elefanten» und sie verlieren 0:1 gegen die «Superadler». Ich glaube, die Stimmung wäre explodiert im umgekehrten Fall.

Der entscheidende Elfmeter im Achtelfinal gegen den Senegal. Entschuldigt die wilde Kameraführung. Video: watson

«Das Land hat nicht geschlafen»

Dass ich damit richtig liege, höre ich von befreundeten Journalisten nach dem überraschenden Achtelfinal-Erfolg der Elfenbeinküste gegen den Senegal. Selbst hartgesottene Fussballkenner aus Nigeria, Ghana, England oder Dänemark versichern mir, dass sie selten solche Szenen nach einem Fussballspiel erlebt haben.

«Es drehen hier alle völlig durch. Das Land hat nicht geschlafen, es war absolut wild», schreibt mir Abiola Shodiya, der den Afrika-Cup seit Jahren hautnah verfolgt – und er ist sich als Nigerianer einige wilde Feierlichkeiten gewohnt. Einen tanzenden Bären hat er allerdings nicht gesehen. Noch nicht.

Solche Szenen gehören dann (leider) auch dazu. Im Freudentaumel kann es auch kritisch werden. Hier ist zum Glück (noch) nichts Schlimmes passiert.Video: watson

Denn noch ist die Elfenbeinküste im Rennen. Heute geht es im Viertelfinal gegen Mali (18 Uhr Schweizer Zeit). Im Halbfinale würde Kap Verde oder Südafrika warten. Plötzlich ist das Tableau offen. Es kann alles passieren. Klar ist nur eines: Es wird der Ausnahmezustand herrschen.

Afrika-Cup, Viertelfinals:
Nigeria – Angola 1:0
DR Kongo – Guinea 3:1
Mali – Elfenbeinküste (3. 2., 18 Uhr)
Kap Verde – Südafrika (3. 2., 21 Uhr)

Halbfinals am Mittwoch, 7. Februar:
18 Uhr MEZ: Nigeria – Kap Verde/Südafrika
21 Uhr MEZ: Mali/Elfenbeinküste – DR Kongo

Final am Sonntag, 11. Februar:
21 Uhr MEZ

Die Partien werden in der Schweiz mit deutschem Kommentar auf dem TV-Sender Sportdigital übertragen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Afrikas Fussballer des Jahres seit 1993
1 / 20
Afrikas Fussballer des Jahres seit 1993
1993: Rashidi Yekini (Nigeria).
quelle: keystone / keystone
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wie ein Buch das Leben dieser Schweizerin auf den Kopf stellte und sie nach Afrika führte
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
mstuedel
03.02.2024 09:53registriert Februar 2019
Hier zeigt sich mal wieder die Rolle, welche der Sport zur Stiftung einer kollektiven Identität spielt. Was früher das Wunder von Bern für Deutschland war, ist heute der Afrikacup für die Elfenbeinküste. Dies kann positiv genutzt werden, etwa zur Überbrückung von Stammeskonflikten, allerdings auch mit dem Risiko, dass Nationalismus an gleiche Stelle tritt. Das friedliche Zusammenspiel von Mannschaften aus ganz Afrika stärkt hoffentlich auch den afrikanischen Zusammenhalt.
345
Melden
Zum Kommentar
13
    Ex-Mitarbeiter von AfD-Politiker Krah wegen Spionage für China angeklagt

    Die deutsche Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen einen früheren Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah wegen Spionage für China erhoben. Er soll auch Informationen über die AfD-Parteichefs gesammelt haben.

    Zur Story