«Der Afrikameister wird ganz sicher nicht aus dem Maghreb kommen.» Das behauptete ein erfahrener Fussball-Journalist aus Ghana gegenüber watson-Redaktor Reto Fehr, der den Afrika-Cup an der Elfenbeinküste in der Startwoche besuchte.
Fehrs Reporterkollege, der die drückende Hitze als Hauptargument ins Feld führte, sollte sich als Kenner erweisen. Denn die Viertelfinal-Paarungen lauten wie folgt:
Die Mannschaften aus dem Norden des Kontinents? Alle ausgeschieden. Algerien und Tunesien jeweils sieglos als Gruppenletzte, Ägypten (im Penaltyschiessen gegen DR Kongo) und WM-Halbfinalist Marokko (0:2 gegen Südafrika) in den Achtelfinals.
Auch andere Grössen des afrikanischen Fussballs strauchelten: Kamerun und Senegal in den Achtelfinals, Ghana schon in der Vorrunde. All dies führte zur Tatsache, dass das Teilnehmerfeld in den Viertelfinals ein völlig anderes ist als am letzten Afrika-Cup vor zwei Jahren. Bemerkenswert ist, dass kein einziger der acht Viertelfinalisten von damals nun erneut so weit vorgestossen ist.
— Out Of Context Football (@nocontextfooty) January 31, 2024
Tatsächlich mussten mitunter die erschwerten Bedingungen als Begründung herhalten, dass es den Favoriten nicht lief. Die Rede ist von stumpfen Plätzen mit trockenem Rasen, welcher Teams im Ballbesitz nicht entgegen komme. Die Hitze, kombiniert mit einer hohen Luftfeuchtigkeit, macht vielen zu schaffen. Um 17 und 20 Uhr Ortszeit, wenn die Viertelfinals gespielt werden, ist es in Abidjan immer noch über 30 Grad warm und die Luftfeuchtigkeit beträgt um die 70 oder 80 Prozent.
Emeka Enyadike, eine renommierte Stimme des afrikanischen Fussballs, nannte in der «FAZ» einen weiteren Grund dafür, dass viele Topteams strauchelten: das Geld. «Einst kleine Fussballnationen haben aufgeholt und entwickeln den Fussball in ihren Ländern geschickt. Dort – zum Beispiel in Mauretanien – sitzen Verantwortliche, die wirklich Sinnvolles anfangen mit den Geldern, die sie vom Fussball-Weltverband FIFA erhalten», sagte der Südafrikaner. In Ländern wie Ghana, Nigeria oder Kamerun würden die Millionen offenbar irgendwo versickern. «Wir beobachten das seit Jahren.»
Gut möglich, dass der Afrika-Cup den achten Sieger bei den letzten acht Austragungen erhält. Von den letzten sieben Siegern sind nur zwei Teams noch dabei, Nigeria und die Elfenbeinküste.
Unter diesen Voraussetzungen ist es gewagt, nun Favoriten benennen zu wollen. Vielleicht den Gastgeber? Die Elfenbeinküste enttäuschte zunächst, warf nach der Vorrunde Trainer Jean-Louis Gasset raus, schaffte es als Gruppendritter aber doch noch glücklich in die K.o.-Phase. Ex-Nationalspieler Emerse Faé übernahm und dank dem Weiterkommen herrscht wieder Zuversicht.
Als Nigerias Prunkstück erwies sich bislang die Abwehr mit bloss einem Gegentreffer in vier Partien. Schlägt vielleicht endlich die Stunde von Mali? Die «Adler» galten schon häufig als Anwärter, gewonnen haben sie den Afrika-Cup noch nie. Oder triumphiert zum erst zweiten Mal Südafrika? Weiter als bis in die Viertelfinals schaffte es die «Bafana Bafana» in diesem Jahrtausend nie. Nun wartet mit Kap Verde ein vermeintliches Leichtgewicht, das allerdings in der Vorrunde Ghana besiegte und gegen Ägypten ein Unentschieden holte.
Wobei eben: Das mit den Prognosen ist so eine Sache. Vor den Achtelfinals hätte wahrscheinlich auch kaum jemand gedacht, dass mit Senegal, Marokko und Äquatorialguinea gleich drei der sechs Gruppensieger scheitern. Auf dem Kontinent, der in der westlichen Welt oft als chaotisch wahrgenommen wird, scheint auf dem Fussballplatz Anarchie zu herrschen. In dieser Form sah das womöglich nicht einmal der weitgereiste Chronist aus Ghana kommen.