Bürgerkrieg im Sudan – «Es ist ein Schlachthaus»
Seit April 2023 herrscht im Sudan ein blutiger Machtkampf zwischen der Regierung und der RSF (Rapid Support Forces) Miliz. Ende Oktober drängte sich der Konflikt erneut in die Schlagzeilen, als eine strategisch wichtige Stadt Al-Faschir in der Region Nord-Darfur im Westen des Landes in die Hände der Rebellen fiel.
Forscher und Hilfsorganisationen sind sich einig: Die humanitäre Lage in Nord-Darfur ist katastrophal. Wissenschaftler des Humanitarian Research Lab der Universität Yale werten Satellitenaufnahmen aus, um Informationen über Truppenbewegungen, Bombardierungen und Massengräber zu sammeln. Sie halten es für möglich, dass es mehrere Zehntausende Tote gegeben hat, seit die Miliz RSF, die Stadt eingenommen hat. In der Stadt hungern die Menschen seit Monaten. Hilfsorganisationen haben keinen Zugang.
Satellitenbilder zeigen Leichenstapel
Nathaniel Raymond, Direktor des Research Lab, berichtet der Deutschen Presse-Agentur von den Beobachtungen kurz nach der Einnahme der Stadt durch die Miliz. «Innerhalb der ersten sieben bis zehn Tage waren über 140 Leichenstapel zu erkennen», sagt er. «Sie bewegen sie (die Leichen) und verbrennen sie. Das geht seit Wochen so. Es ist ein Schlachthaus.»
Lebenszeichen von Zivilisten können die Wissenschaftler dagegen kaum ausmachen. Keine Menschen an den Wasserstellen, keine Eselskarren auf den Märkten. «Wir sehen nur Bewegungen der RSF, wir sehen Plünderungen», sagt Raymond. «Sollten noch Zivilisten in grösserer Zahl in der Stadt sein, dann verstecken sie sich.»
Binnenvertriebene erzählen von Überfällen
Doch nicht nur in Al-Faschir ist die Lage dramatisch, auch in Tawila, etwa 70 Kilometer davon entfernt ist sie das, auch wenn die Dramatik dort anders gelagert ist. Veronicah Mbogo von der Hilfsorganisation Plan International ist derzeit als Kinderschutzexpertin in der Stadt. Dort haben Zehntausende Binnenflüchtlinge Zuflucht gesucht.
«Es mangelt an allem – an Lebensmitteln, an Hygieneartikeln, an Unterkünften», schildert Mbogo. «Oft haben sie nicht einmal ein Handtuch, Kleidung zum wechseln oder das Nötigste», weil sie an Kontrollpunkten von RSF-Milizen ausgeraubt wurden. Einige Geflüchtete hätten Plastikplanen bekommen, andere hätten aus Hirsehalmen provisorische Unterkünfte gebaut.
Hilfsorganisationen berichten von sexueller Gewalt
Es sind nicht nur Satellitenaufnahmen, sondern die Menschen von dort und ihre Schilderungen, die helfen, das Grauen in Al-Faschir zu erfassen. Die Stadt war eineinhalb Jahre von der Miliz RSF belagert worden, bevor sie eingenommen wurde. Die meisten Flüchtlinge kommen in Tawila deswegen bereits in schlechtem Zustand an. Es gab kaum Lebensmittel.
Es gibt viele Berichte über sexuelle Gewalt. Vergewaltigung war schon vor 20 Jahren während des Völkermords in Darfur eine Kriegswaffe. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Das Frauennetzwerk Siha hat vor wenigen Tagen einen Bericht über sexuelle Gewalt in dem Krieg veröffentlicht. «Der Krieg im Sudan ist gekennzeichnet durch sexuelle Gewalt und anderen schweren Missbrauch, um sudanesische Gemeinschaften gezielt zu unterdrücken und zu erniedrigen», sagt Regionaldirektorin Hala Al-Karib.
Stigma und Schweigen
Opfer von sexueller Gewalt werden im Sudan stigmatisiert – deswegen sprechen viele Betroffene nicht über das Erlebte. Das Frauennetzwerk geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Plan-Helferin Veronicah Mbogo berichtet ebenfalls von Scham und Schweigen. «Die Frauen und Mädchen öffnen sich oft nur gegenüber Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen», sagt sie. «Aber innerhalb der eigenen Gemeinschaft ist es oft nicht sicher für sie, über das zu berichten, was ihnen zugestossen ist.»
Gerade junge, unverheiratete Frauen und Mädchen fürchteten, keinen Ehemann zu finden, wenn bekannt ist, dass ihnen sexuelle Gewalt angetan wurde. Bei anderen gebe es die sogar die Angst, von ihren Brüdern oder anderen Angehörigen getötet zu werden, weil diese die Familienehre verletzt sehen.
Die Berichte sind «erschütternd»
Auch im Nachbarland Tschad trifft man auf Geflüchtete aus Darfur und ihre Geschichten. Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger, hat dort kürzlich Überlebende aus Al-Faschir getroffen. «Eine Frau, die seit Kurzem mit zwei Enkelkindern in einem Flüchtlingslager lebt, erzählte, dass ihre beiden Brüder vor ihren Augen getötet wurden. Sie selbst wurde in Al-Faschir schwer verletzt und musste ins Krankenhaus», schildert er ihren Bericht.
Auf ihrer Flucht mussten die Menschen Grauenvolles ansehen: Mädchen und Frauen, die auf den Strassen vergewaltigt wurden. Personen, die wahllos getötet wurden. «Ihre Berichte sind erschütternd.» (dpa)

