Sag das doch deinen Freunden!
In Sadad ist nur wenigen nach Feiern zumute. Die mehrheitlich von Christen bewohnte Stadt 100 Kilometer nordöstlich von Damaskus ist zwar unter Kontrolle der Regierungstruppen, doch nur 15 Kilometer entfernt liegen die Positionen des sogenannten Islamischen Staats.
«Ich stelle seit vier Jahren keinen Weihnachtsbaum mehr auf, weil es die Lage nicht erlaubt und ich keine Platz für Freude in meinem Haus finde», sagt Youssef gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der 65-Jährige lebt allein, seine Familie hat er an einen sichereren Ort gebracht. Dutzende seien in dieser Stadt umgekommen, wie könne er da Weihnachtsschmuck aufstellen oder Süssigkeiten verteilen?
Die Bewohner Sadads, das vermutlich dem biblischen Zedad entspricht, plagen traumatische Erinnerungen: Ende 2013 wurde der Ort von der extremistischen Nusra-Miliz besetzt. Nach der Rückeroberung durch die Regierungstruppen fanden die Überlebenden zwei Massengräber mit 30 Leichen, darunter Frauen und Kinder. Die einzigartigen Fresken in den Kirchen hatten die Terroristen mit Graffiti verunstaltet.
Viel Weihnachtsdekoration ist in den Strassen Sadads nicht sichtbar, daür umso mehr Militär. Von den neun Kirchen sind nur noch drei benutzbar. In einer versammeln sich Frauen, Senioren und einige junge Männer zu einem Gottesdienst. An der Wand prangt eine riesige Collage aus rund 60 Bildern mit dem Titel «Die Märtyrer von Sadad».
«Ich werde mich bis zum Letzten gegen den Daesh wehren. Wie kann ich diesen Ort verlassen, während ihn mein Sohn verteidigt?», sagt der 62-jährige Shams Abboud. Derweil gedenkt der Priester der Jugend, die früher zu dieser Jahreszeit immer einen grossen Baum im Stadtzentrum schmückte, aber jetzt die Grenzen verteidigt.
Fearful Christmas for Syrian Christian town threatened by IS https://t.co/ZNdvNsJrsA pic.twitter.com/EaMhpyUhcE
— Agence France-Presse (@AFP) 24. Dezember 2015
«Ich wünsche mir nur, dass diese Weihnachten friedlich vorübergehen», sagt Mtanyos Mawas. Der ältere Herr entschied sich, in Sadad zu bleiben, als er hörte, dass die Regierung Verstärkung schickt. Über 700 schiitische Hisbollah-Kämpfer aus dem Libanon sind in der Stadt stationiert, um den «IS» auf Distanz zu halten. «Trotz unserer religiösen Differenzen sind wir mit einem gemeinsamen Feind konfrontiert, und das ist Daesh», sagt Bürgermeister Khalil. Die Anwesenheit der libanesischen Miliz habe die Zuversicht der Bewohner und Soldaten gestärkt.
Die Allianz ist weniger erstaunlich als auf den ersten Blick vermutet, denn auch im Libanon spannen Schiiten und Christen zusammen. «Als der Daesh näher kam, rückten die Festtage in die Ferne. Aber mit der Hisbollah ist das Leben zurück», sagt ein 48-jähriger Lehrer. «Unser Weihnachtsgeschenk sind die Hisbollah-Kämpfer.»