Russland bangt um seine Militärstützpunkte in Syrien – was wir wissen
Wo liegen die Stützpunkte?
Um einen Regimewechsel ähnlich wie in Libyen 2011 zu verhindern, bot Russland dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad 2015 militärische Unterstützung an. Als Dank dafür erhielt Russland zwei Militärstützpunkte im Land:
- Die Marinebasis in Tartus
Sie entstand 1971 während der Sowjetzeit im Rahmen eines Abkommens zwischen der Sowjetunion und Syrien. Nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs wurde die Basis ab 2015 erheblich ausgebaut, um als wichtiger Knotenpunkt für die russische Marine und Logistik im Mittelmeerraum zu dienen. Es ist aktuell die einzige russische Marinebasis ausserhalb des ehemaligen Gebiets der Sowjetunion. - Die Luftwaffenbasis Hmeimim
Sie befindet sich in der Nähe der Stadt Latakia und wurde 2015 eingerichtet. Hmeimim dient seitdem als Hauptquartier für die russischen Luftstreitkräfte in Syrien. Von dort aus werden Luftangriffe und andere militärische Operationen koordiniert.
Wie wichtig sind die Stützpunkte?
Die beiden Basen sind zentrale Elemente der russischen Militärpräsenz im Nahen Osten und stärken die geopolitischen Interessen Moskaus in der Region. Gemäss dem österreichischen Militärhistoriker Markus Reisner ist vor allem der Marinestützpunkt in Tartus von grosser strategischer Bedeutung, weil es für die Russen die einzige Möglichkeit sei, «Kräfte ins Mittelmeer hineinzuprojizieren».
Der Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim sei für Moskau primär notwendig gewesen, um das Regime von Assad gegen Rebellen zu stützen. Dies falle nach dem Sieg der Rebellen nun aber weg.
Was passiert aktuell in den Stützpunkten?
In den letzten Tagen gab es vor allem im Marinestützpunkt in Tartus viel Bewegung. Wie Satellitenaufnahmen zeigen, waren letzte Woche sechs russische Schiffe in der Basis angedockt: drei Fregatten, zwei Versorgungstanker und ein U-Boot. Gemäss neuen Bildern von Montag und Dienstag sind sämtliche Boote aktuell nicht mehr in Tartus.
Wie Gustav Gressel, ehemaliger Experte beim European Council on Foreign Relations (ECFR) der «Deutschen Welle» erklärte, befinden sich die sechs Schiffe für ein Manöver unweit von Tartus im Mittelmeer. Für einen Abzug von Truppen und Kriegsmaterial, wie die ukrainische Online-Plattform «Defense Express» berichtete, gebe es momentan keine Anzeichen. Auch nicht in der Luftwaffenbasis Hmeimim. Dort sei zwar eine erhöhte Tätigkeit von Transportmaschinen zu sehen, aber nicht in dem Ausmass, dass man von einer vollständigen Evakuierung sprechen könne.
Was plant Russland?
Natürlich möchte Russland seine beiden Militärstützpunkte behalten, doch aktuell ist die Lage ziemlich unübersichtlich. Am Freitag hatte Aussenminister Sergej Lawrow russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aufgerufen, Syrien zu verlassen. Gemäss Kremlsprecher Dmitri Peskow ist derzeit aber kein Abzug aus den beiden Militärbasen geplant.
«Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Wir sehen aktuell eine Periode der Transformation, der extremen Instabilität», erklärte Peskow gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax und führte aus: «Es wird natürlich Zeit brauchen, und dann wird es ein ernsthaftes Gespräch mit denen benötigen, die an die Macht kommen.»
Was plant die HTS?
Russische Medien berichteten zuletzt, dass die in Syrien an die Macht gekommenen Islamisten, angeführt von der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), Moskau die Sicherheit der Militärstützpunkte vorerst zugesichert hätten. Ob das auch langfristig der Fall sein wird, ist aktuell völlig unklar.
Russland hofft natürlich auf einen Deal, aber was kann Moskau den Rebellen anbieten? Der britische Politologe Mark Galeotti, Autor des Buches «Putins Kriege» glaubt, dass Moskau für die HTS eine Möglichkeit sei, sich aus der aktuellen Abhängigkeit von der Türkei zu diversifizieren. Nahostexpertin Burcu Ozcelik ist allerdings skeptisch, dass die HTS voreilig ein Bündnis mit Russland eingehen und einer langen russischen Militärpräsenz an der syrischen Küste sogleich zustimmen wird. Sie glaubt, dass es lange und intensive Verhandlungen geben werde.
Was wären Russlands Alternativen?
Wenn Russland seine beiden Militärstützpunkte in Syrien verlieren sollte, müsste der Kreml sich nach Alternativen umsehen. Im Mittelmeer kommt laut Experten nur Libyen für einen Marinestützpunkt infrage. Dort unterhält Russland Kontakte zu General Chalifa Haftar, auf dessen Seite einst russische Söldner der «Wagner»-Gruppe kämpften.
Im Roten Meer verhandelt Russland seit Jahren mit dem Sudan über einen Marinestützpunkt, bislang allerdings ohne Erfolg. Schnell realisierbar scheint derzeit keine Alternative, weshalb Russland wohl alles daran setzen wird, seine beiden Stützpunkte in Syrien behalten zu können.
