Warum rund 2000 Kolumbianer für die Ukraine kämpfen
Mehrere Tausend ausländische Freiwillige kämpfen derzeit an der Front in der Ukraine gegen die russischen Truppen. Ein Grossteil dieser Kämpfer, schätzungsweise 40 Prozent, stammt aus Südamerika, wobei Kolumbianer die grösste Gruppe stellen. Laut ukrainischen Angaben sind bisher rund 2000 Kolumbianer als Vertragssoldaten eingereist.
Wie der Besuch eines «Welt»-Reporters in einem der geheimen Ausbildungslager zeigt, führt der immense Zulauf zu einer ungewöhnlichen Armee-Organisation: Ukrainische Brigaden bilden mittlerweile ganze Kompanien, die fast ausschliesslich aus Südamerikanern bestehen – primär Kolumbianer, aber auch Chilenen und Brasilianer sind dabei. Dies vereinfacht die Ausbildung, da in der Regel nur Spanisch und Ukrainisch gesprochen werden muss.
Der ukrainische Kommandeur einer solchen Einheit, Deckname «Musikant», war vor dem Krieg Klavierlehrer. Nun bildet er im Nordosten des Landes die die Südamerikaner zu Frontsoldaten aus.
Anfangs durften nur Freiwillige mit militärischer Vorerfahrung in die Internationale Legion eintreten. Aufgrund des grossen Bedarfs an Frontsoldaten hat die Ukraine die Anforderungen jedoch gelockert: Viele der Rekruten kommen heute völlig ohne Kampferfahrung an. Zwar dienen auch einige ehemalige Spezialeinheiten oder Polizisten aus Kolumbien und Brasilien, diese stellen jedoch nur eine Minderheit dar.
Die ausländischen Infanteristen sind für Kiew aktuell wichtiger denn je. Nach bald vier Kriegsjahren kämpft die ukrainische Armee mit einem existenziellen Mangel an Frontsoldaten. Das Mobilisierungsalter liegt bei 25 Jahren, Rekrutierungsprogramme für Jüngere waren zuletzt nicht sehr erfolgreich. Diese personelle Unterlegenheit der Ukraine führt dazu, dass Russland an einigen Frontabschnitten eine Übermacht von bis zu 7:1 erreicht und unter hohen Verlusten langsam aber stetig vorrücken kann.
Geld ist eine Hauptmotivation
Für viele Südamerikaner ist die Verpflichtung eine wirtschaftliche Entscheidung. Der Kolumbianer Oliver (37), der zuvor 14 Jahre lang in seinem Heimatland gedient hatte und nun seinen zweiten Einsatz in der Ukraine leistet, bestätigt dies: Während der Sold in seiner Heimat extrem gering sei, verdienen Frontsoldaten in der Ukraine bis zu 3000 Euro monatlich.
Auch Iberson Raul Martinez (29), der in seiner Heimat Kriminelle bekämpfte, will mit dem Sold ein Stück Land in Kolumbien kaufen und ein Haus für seine Familie bauen. «Für die meisten von uns sind unsere Familien die Motivation», erklärt er. Viele würden aber auch einfach das Militärleben und den Krieg mögen.
Dabei gehen sie ein immenses Risiko ein, schliesslich sind schon hunderttausende Soldaten im Einsatz gefallen. Doch im Gegensatz zu ukrainischen Soldaten können Ausländer ihren Vertrag jederzeit auflösen. Martinez will bleiben, solange er kann, während der zweifache Vater Oliver nach seinem Einsatz nach Kolumbien zurückkehren und «einfach nur die Zeit mit meiner Familie geniessen» will. Die meisten Freiwilligen aus Südamerika kämpfen nur einige Monate an der Front, andere bleiben länger – bis zu drei Jahre. Die Ukraine kann ihre Hilfe auf jeden Fall gut gebrauchen. (pre)
