Die Ampelparteien finden scharfe Worte, um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu verurteilen. Der Krieg sei «der Versuch, eine diktatorische Herrschaft auszudehnen, die Demokratie in Europa zurückzudrängen und Europäerinnen und Europäern das Recht auf ein Leben in Frieden, Würde und Selbstbestimmung zu nehmen», heisst es in dem zehnseitigen Entschliessungsantrag, der t-online vorliegt. Aber tut die Bundesregierung nun auch mehr, um die Ukraine militärisch zu unterstützen?
Bei der Lieferung von schweren Waffen endete in den vergangenen Wochen oft die Einigkeit innerhalb der Koalition. Zwar gehen SPD, Grüne und FDP in ihrem Antrag jetzt einen Schritt vorwärts und ermöglichen damit im Prinzip die Lieferung von schweren Waffen aus Deutschland in das Kriegsgebiet. Die grosse Wende markiert das Papier jedoch nicht, denn in vielen Streitfragen bleibt die Koalition vage.
Worum geht es? Die Koalitionsfraktionen im Bundestag wollen mit dem Antragsentwurf die Bundesregierung auffordern, die Waffenlieferungen in die Ukraine, wo möglich, zu beschleunigen und zu erweitern. SPD, Grüne und FDP sprechen sich dafür aus, «die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtauschs zu erweitern, ohne die Fähigkeit Deutschlands zur Bündnisverteidigung zu gefährden». Ausserdem verlangen sie die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland zur Bedienung gelieferter Waffen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche angekündigt, kaum noch Waffen aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine liefern zu wollen, um die Fähigkeit der Truppe zur Bündnis- und Landesverteidigung nicht zu gefährden. Gleichzeitig kündigte er den sogenannten Ringtausch an, bei dem Nato-Partner für die Lieferung von schweren Waffen sowjetischer Bauart Ersatz aus Deutschland erhalten sollen. Die Lieferung schwerer Waffen im Ringtausch, wie in dem Antragsentwurf gefordert, ist also schon vorgesehen.
Zwar hat die Bundesregierung nun angekündigt, auch «Gepard»-Flugabwehrpanzer an die Ukraine übergeben zu wollen. Aber warum sie sich gerade für diese Panzer entschieden hat, ist fraglich. Der «Gepard» ist ein vergleichsweise sehr komplexes System, das ab 2010 von der Bundeswehr ausgemustert wurde. Es dürfte mehrere Monate dauern, um ukrainische Soldaten an den Geräten auszubilden – dabei braucht die Ukraine vor allem schnelle Unterstützung. Dagegen lässt die Bundesregierung weiterhin offen, ob sie die Lieferung von gebrauchten «Leopard 1»-Panzern aus Industriebeständen freigibt.
Auch der Antragsentwurf der Ampelkoalition lässt diese Frage unbeantwortet. Neben der direkten Lieferung aus Bundeswehrbeständen ist auch die Genehmigung von Lieferungen der deutschen Industrie denkbar. So heisst es: «Neben der umfassenden ökonomischen Isolierung und Abkoppelung Russlands von den internationalen Märkten ist das wichtigste und wirksamste Mittel, um den russischen Vormarsch zu stoppen, die Intensivierung und Beschleunigung der Lieferung wirksamer, auch schwerer, Waffen und komplexer Systeme durch Deutschland in enger Abstimmung mit unseren Partnern in Nato, EU und der Welt.»
Das ist wahrscheinlich auch ein Grund für das zögerliche Handeln der Bundesregierung. Bislang hat noch kein anderes Nato-Mitglied die Lieferung von Kampfpanzern beschlossen. Deutschland möchte sich dabei weiterhin eng mit den internationalen Partnern – auch mit der Ukraine – abstimmen.
Der Antragsentwurf ist dabei auch als Entgegenkommen an die Union im Bundestag zu werten. «Es gibt auch in unserer Fraktion sehr besorgte Stimmen, die vor einer weiteren Eskalation warnen», sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag. «Deutschland sollte nicht der Bremser bleiben. Wir wollen auch nicht, dass Deutschland allein vorangeht.» Dementsprechend könnte die Einigung der Ampelfraktionen nun auch den Weg für einen gemeinsamen Antrag mit der Union im Bundestag bereiten.
Die Oppositionsfraktion CDU/CSU hatte zuvor bereits einen eigenen Antrag vorgelegt, der konkreter ist und weiter geht. Sie verlangt, die deutschen Waffenlieferungen «in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar» zu intensivieren. Das schliesse auch schwere Waffen ein. Konkret fordert sie die Bundesregierung unter anderem auf, «aus verfügbaren Beständen der Bundeswehr in grösstmöglichem Umfang Rüstungsgüter direkt für die Ukraine bereitzustellen und unverzüglich dorthin zu liefern, inklusive 'schwerer Waffen' wie gepanzerte Waffensysteme (darunter Kampfpanzer und Schützenpanzer) und Artilleriesysteme».
Die Koalition bleibt vergleichsweise vage. In ihrem Antrag heisst es: Die Bundesregierung wird aufgefordert «zu prüfen, ob weitere Waffen abgegeben werden können und aktiv auf andere Länder zuzugehen, um ihnen einen Ringtausch anzubieten». Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr, die durch die Abgabe an die Ukraine entstanden seien, müssten schnellstmöglich geschlossen werden. In Kooperation mit den Partnern solle die Ausbildung ukrainischer Soldaten kurz-, mittel- und langfristig weiter unterstützt werden – «dies umfasst auch die Bedienung der gelieferten Waffensysteme in Deutschland oder auf Nato-Gebiet».
Kurz: Die Ampelkoalition möchte in erster Linie auf den sogenannten Ringtausch setzen und die Ukrainer bei der Ausbildung an Waffensystemen unterstützen. Es sollen demnach eher schwere Waffen aus russischer oder sowjetischer Produktion an die Ukraine geliefert werden – direkte Lieferungen werden zwar nicht ausgeschlossen, aber der Bundestag würde die Bundesregierung mit dem Ampelantrag auch nicht auffordern, Panzer aus deutschen Beständen zu liefern. So ist der Entwurf ein erster Schritt, die grosse Waffenwende von Kanzler Olaf Scholz ist er jedoch nicht.