Sie sind Soldaten einer Armee, die es bis letzten Herbst offiziell nicht einmal gab. Mittlerweile sind sie berühmt-berüchtigt als Schlächter von Putins Koch aka Jewgeni Prigoschin: die Söldner der Wagner-Truppe. Seit Monaten werden sie im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von Prigoschin verheizt und begehen dabei mutmasslich brutalste Kriegsverbrechen.
Am letzten Freitag dann die Wende: Prigoschin tobte vor laufender Kamera, dass er genug habe davon, dass Putin seine Männer nicht richtig ausrüste und dass sich die russischen Friedhöfe mit Wagners füllten. Darum kündete er an, bis Mittwoch den Abzug der Wagner-Söldner aus Bachmut zu vollziehen.
Nur zwei Tage darauf, am Sonntag, dann der Rückzug vom Rückzug: Die Wagners bleiben in Bachmut, so Prigoschin in einer Audiodatei, die auf dem Telegramkanal des Pressedienstes von Prigoschin veröffentlicht wurde. Die Wagner-Söldner in Bachmut sollen jetzt sogar Rückendeckung bekommen von der russischen Armee, um nicht länger Gefahr zu laufen, eingekesselt zu werden. Prigoschin sagt:
In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob Putin Wort halten kann.
In den vergangenen Monaten hatte Prigoschin das russische Verteidigungsministerium unter Sergei Schoigu immer wieder für die hohen Verluste seiner Wagner-Truppe verantwortlich gemacht. Er klagt das russische Regime an, dass wegen fehlender Artilleriemunition die Ausfälle beim Sturm der Stadt fünfmal so hoch seien, wie nötig.
Zwischen diesen zwei Szenen spielte sich noch ein Intermezzo ab: Auch nach der ersten Ankündigung Prigoschins, dass die Wagner-Söldner Bachmut verlassen werden, hätte die Ukraine nicht aufatmen können. So hat Ramsan Kadyrow, Chef der russischen Teilrepublik Tschetschenien, bekannt gegeben, seine Tschetschenen-Kämpfer in einer Rochade mit den Wagner-Kämpfern auszutauschen – das Rudel von Putins Bluthund, wie Kadyrow auch genannt wird, stand also bereits in den Startlöchern. Und auch sie sind bekannt für ihr menschenverachtendes Vorgehen.
Dabei haben die Tschetschenen vor nicht allzu langer Zeit etwas Ähnliches erlebt, wie die Ukraine heute. Während der beiden Tschetschenenkriege (1994–1996 und 1999–2009) kämpfte die russische Streitmacht zusammen mit prorussischen Tschetschenengruppen gegen die Tschetschenische Republik Itschkerien. Allein im zweiten Tschetschenenkrieg sind zwischen 50'000–80'000 Menschen umgekommen, die Städte lagen in Schutt und Asche.
Der Konflikt endete damit, dass die ehemalige autonome Sowjetrepublik im Nordkaukasus, die seit 1991 unabhängig war, wieder in die Russische Föderation eingegliedert und Kadyrow als russlandtreuer Präsident installiert wurde.
Bachmut befindet sich zusammen mit Siwersk und Soledar auf der Verteidigungslinie der ukrainischen Streitkräfte im Osten der Ukraine.
Die Stadt hat sich mittlerweile zum wohl blutigsten Schauplatz des russischen Angriffskrieges gewandelt. Seit Mai letzten Jahres kämpft die Ukraine vornehmlich gegen die Wagner-Söldner, die die Stadt im ostukrainischen Gebiet Donezk einnehmen wollen. Den Russen gelang es dabei mehrfach, die Ukrainer immer wieder zurückzudrängen – aber nie, sie zu besiegen. Strategie-Experte Marcel Berni von der ETH sagte kürzlich gegenüber watson:
Er erklärt aber auch, dass gerade in Bachmut, Wuhledar und Awdijiwka eben noch aktiv russische Angriffe stattfänden. Der Tribut für Bachmut ist gewaltig, die Stadt gilt als völlig zerstört.
Ein Rückzug aus der Stadt wäre für Putin und Prigoschin zwar aus militärstrategischer Sicht kein dramatischer Rückschlag – aus symbolischer und moralischer Sicht aber wohl eine Katastrophe. Immerhin soll das ukrainische Bollwerk «Zehntausende» Tote und Verletzte auf russischer Seite gefordert haben, wie Prigoschin vor der Kamera polterte. Mindestens. Und die Verluste auf ukrainischer Seite könnten in ähnlichen Dimensionen liegen.
(yam)
Der Verlierer darf dafür in Putins Büro im Kreml mal die schöne Aussicht aus dem Fenster geniessen.