International
Ukraine

Das russische Reifenproblem, das vielleicht den Krieg entscheiden könnte

Die russischen Laster und das Problem der platten Pneus

Auf Social Media sind Bilder von russischen Armeefahrzeugen zu finden, die mit kaputten Pneus im Schlamm steckengeblieben sind. Was dahinter stecken könnte und ob dies etwas über den Zustand der russischen Armee aussagt.
03.03.2022, 18:29
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Die Lage in der Ukraine ist unübersichtlich. Mehrere Städte sind heftig umkämpft, ein kilometerlanger Konvoi bedroht die Hauptstadt Kiew. Zugleich werden in den sozialen Medien fleissig Bilder von liegen gebliebenen russischen Militärfahrzeugen geteilt. Oft haben diese Militärfahrzeuge kaputte Reifen.

Und genau diese kaputten Reifen könnten für Putin noch zum Problem werden, glaubt Trent Telenko. Telenko war nach eigenen Angaben Qualitätsprüfer der US-Militärbehörde «Defense Contract Management Agency» (DCMA), die von Mitte der 1990er Jahre bis Mitte der 2000er Jahre für bestimmte Fahrzeuge der US-Armee zuständig war.

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Der Grundstein seiner Vermutung ist dieses Bild eines russischen Raketensystems, das im Schlamm eines ukrainischen Feldes steckengeblieben ist:

In seinem Twitter-Thread prangert Telenko die schlechten Wartungspraktiken der Reifen auf dem Bild an und erklärt, dass mit entsprechender Vorsorge durchaus hätte verhindert werden können, dass das Raketensystem im Schlamm stecken geblieben ist.

«Aus Wartungsgründen müssen Militär-Lastwagen einmal im Monat bewegt werden, weil direktes Sonnenlicht die Reifen altern lässt.» Und weiter: «Lässt man die Reifen eines Militär-Lastwagens mehrere Monate an einer Stelle stehen, können die Reifen so spröde werden, dass sie sich nicht mal mehr auf kurzen Strecken mit wenig Druck fahren lassen, ohne zu zerreissen.» Versuche man einen solchen Reifen von der Felge zu lösen, falle er komplett auseinander.

Talenko untermauert sein Urteil über den schlecht gewarteten Reifen damit, dass auf dem Bild vorne links genau ein solcher zerrissener Reifen zu sehen sei.

Der Reifen-Spezialist geht weiter davon aus, dass die zentrale Reifendruckanlage (CTIS) unzureichend gewartet worden sei. Das CTIS-System dient zur Steuerung des Reifeninnendrucks bei luftbereiften Kraftfahrzeugen. Mit ihm kann die Druckregelung eines Fahrzeuges in schwergängigem Gelände verbessert werden – besonders häufig wird es in Militärfahrzeugen verbaut.

Seine Schlussfolgerungen: Die Russen dürften gar nicht riskieren, ihren Fuhrpark ausserhalb von befestigten Strassen fahren zu lassen. «Dazu müsste nämlich Druck aus den Reifen gelassen werden, damit sie nicht im Schlamm versinken.» Und genau dies sei mit den schlecht gewarteten Reifen nicht möglich. Er behauptet: «Wenn die russische Armee es nicht geschafft hat, diesen Pantsir-S1 zu bewegen, dann hat sie es auch nicht geschafft, ihre anderen Lastwagen und Truppentransporter, die jetzt in der Ukraine sind, zu bewegen.»

Ein stockender Konvoi wegen mechanischer Störungen?

Technische Probleme bei den russischen Fahrzeugen hat auch das britische Verteidigungsministerium ausgemacht. Im öffentlichen Teil seiner Lagebeurteilung twittert es heute Morgen, dass der russische Armee-Fahrzeuge-Wurm vor Kiew unter anderem aufgrund mechanischer Störungen gebremst werde:

Allerdings sei der stockende Konvoi alleine kein Hinweis auf eine mangelnde Effektivität der russischen Militäroperationen, meint der Militärstratege Franz-Stefan Gady. Die Geschichte habe gezeigt, dass eine Militärfahrzeug-Kolonne stocken könne. Als Beispiel führt er die 1. Panzerarmee der deutschen Wehrmacht an, die im Mai 1940 in einem etwa 250 km langen Stau gestanden habe, bevor sie in Frankreich eingefallen sei.

In der Diskussion unter seinem Tweet schreibt er: «Ich will damit nur sagen, dass Staus wahrscheinlich zu jeder gross angelegten Militäroperation gehören. Natürlich ist es besser, sie zu vermeiden, aber sie sagen wenig über den weiteren Verlauf einer Kampagne aus.»

(yam/t-online)

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Satellitenbilder: Russischer Militärkonvoi in der Ukraine
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Satellitenbilder: Russischer Militärkonvoi in der Ukraine
Die 64-Kilometer-Kollonne der russichen Armee rollt auf Kiew zu.
quelle: keystone
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Putin, Nato und der Zankapfel: Der Ukraine-Konflikt einfach erklärt
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35 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rüedu 22
03.03.2022 19:07registriert Januar 2022
Mögen noch tausende russische Reifen im ukrainischen Gelände ihren Dienstversagen….. und der Ukraine den Sieg bescheren
2017
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n3rd
03.03.2022 18:58registriert Februar 2020
Vielleicht machen auch desertierende Junior-Soldaten die Reifen kaputt. Einige Videos zeigen ja, dass die 19-jährigen Jungsoldaten hohe Skrupel haben zu schiessen.
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der/die Waldpropaganda
03.03.2022 19:15registriert September 2018
Die russische Armee macht allgemein nicht den besten Eindruck, nebenbei sind es mehrheitlich 19-20 Jährige Soldaten, welche in diesen Krieg geschickt werden. Das einzige was der Westen fürchten muss, sind die atomaren Sprengköpfe, der rest ist wohl aber weit entfernt von unserer stärke.
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