Die Lage in der Ukraine ist unübersichtlich. Mehrere Städte sind heftig umkämpft, ein kilometerlanger Konvoi bedroht die Hauptstadt Kiew. Zugleich werden in den sozialen Medien fleissig Bilder von liegen gebliebenen russischen Militärfahrzeugen geteilt. Oft haben diese Militärfahrzeuge kaputte Reifen.
Und genau diese kaputten Reifen könnten für Putin noch zum Problem werden, glaubt Trent Telenko. Telenko war nach eigenen Angaben Qualitätsprüfer der US-Militärbehörde «Defense Contract Management Agency» (DCMA), die von Mitte der 1990er Jahre bis Mitte der 2000er Jahre für bestimmte Fahrzeuge der US-Armee zuständig war.
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Der Grundstein seiner Vermutung ist dieses Bild eines russischen Raketensystems, das im Schlamm eines ukrainischen Feldes steckengeblieben ist:
This is a thread that will explain the implied poor Russian Army truck maintenance practices based on this photo of a Pantsir-S1 wheeled gun-missile system's right rear pair of tires below & the operational implications during the Ukrainian mud season.🧵
— Trent Telenko (@TrentTelenko) March 2, 2022
1/ pic.twitter.com/LmxW43v6gy
In seinem Twitter-Thread prangert Telenko die schlechten Wartungspraktiken der Reifen auf dem Bild an und erklärt, dass mit entsprechender Vorsorge durchaus hätte verhindert werden können, dass das Raketensystem im Schlamm stecken geblieben ist.
«Aus Wartungsgründen müssen Militär-Lastwagen einmal im Monat bewegt werden, weil direktes Sonnenlicht die Reifen altern lässt.» Und weiter: «Lässt man die Reifen eines Militär-Lastwagens mehrere Monate an einer Stelle stehen, können die Reifen so spröde werden, dass sie sich nicht mal mehr auf kurzen Strecken mit wenig Druck fahren lassen, ohne zu zerreissen.» Versuche man einen solchen Reifen von der Felge zu lösen, falle er komplett auseinander.
Talenko untermauert sein Urteil über den schlecht gewarteten Reifen damit, dass auf dem Bild vorne links genau ein solcher zerrissener Reifen zu sehen sei.
Der Reifen-Spezialist geht weiter davon aus, dass die zentrale Reifendruckanlage (CTIS) unzureichend gewartet worden sei. Das CTIS-System dient zur Steuerung des Reifeninnendrucks bei luftbereiften Kraftfahrzeugen. Mit ihm kann die Druckregelung eines Fahrzeuges in schwergängigem Gelände verbessert werden – besonders häufig wird es in Militärfahrzeugen verbaut.
Seine Schlussfolgerungen: Die Russen dürften gar nicht riskieren, ihren Fuhrpark ausserhalb von befestigten Strassen fahren zu lassen. «Dazu müsste nämlich Druck aus den Reifen gelassen werden, damit sie nicht im Schlamm versinken.» Und genau dies sei mit den schlecht gewarteten Reifen nicht möglich. Er behauptet: «Wenn die russische Armee es nicht geschafft hat, diesen Pantsir-S1 zu bewegen, dann hat sie es auch nicht geschafft, ihre anderen Lastwagen und Truppentransporter, die jetzt in der Ukraine sind, zu bewegen.»
28-02:
— Kemal (@kemal_115) February 28, 2022
Russian Pantsir-S1 SHORAD abandoned by its crew and seized by Ukrainian forces. pic.twitter.com/YZD0tTKzHL
Technische Probleme bei den russischen Fahrzeugen hat auch das britische Verteidigungsministerium ausgemacht. Im öffentlichen Teil seiner Lagebeurteilung twittert es heute Morgen, dass der russische Armee-Fahrzeuge-Wurm vor Kiew unter anderem aufgrund mechanischer Störungen gebremst werde:
Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine - 03 March 2022
— Ministry of Defence 🇬🇧 (@DefenceHQ) March 3, 2022
Find out more about the UK government's response: https://t.co/94E5eEDqiw
🇺🇦 #StandWithUkraine 🇺🇦 pic.twitter.com/XFTUykMhQx
Allerdings sei der stockende Konvoi alleine kein Hinweis auf eine mangelnde Effektivität der russischen Militäroperationen, meint der Militärstratege Franz-Stefan Gady. Die Geschichte habe gezeigt, dass eine Militärfahrzeug-Kolonne stocken könne. Als Beispiel führt er die 1. Panzerarmee der deutschen Wehrmacht an, die im Mai 1940 in einem etwa 250 km langen Stau gestanden habe, bevor sie in Frankreich eingefallen sei.
The stalled Russian convoy says little about effectiveness of 🇷🇺 military operations. To put this in perspective: On day 3 of Germany’s invasion of France in May 1940, the Wehrmacht’s 1st Panzerarmee caused a traffic jam about 250 km long from the Meuse to the Rhine on one route. https://t.co/OkOrOUbHJV
— Franz-Stefan Gady (@HoansSolo) March 3, 2022
In der Diskussion unter seinem Tweet schreibt er: «Ich will damit nur sagen, dass Staus wahrscheinlich zu jeder gross angelegten Militäroperation gehören. Natürlich ist es besser, sie zu vermeiden, aber sie sagen wenig über den weiteren Verlauf einer Kampagne aus.»
(yam/t-online)