Wolodymyr Selenskyj ist nicht nur das Symbol des ukrainischen Widerstands gegen die russischen Invasoren. Er befindet sich derzeit auch auf virtueller Werbetour. Fast täglich richtet sich der Präsident via Video an einen ausländischen Staat und bittet um Hilfe für sein Land. Mit mehr oder weniger Erfolg.
Die von der Ukraine erhoffte Flugverbotszone wird es nicht geben. Zu gross ist das Risiko, dass die Nato in den Krieg hineingezogen wird. Dafür sollen die Waffenlieferungen an die ukrainische Armee ausgeweitet werden. Nach Selenskyjs Rede vor dem US-Kongress am Mittwoch sicherte ihr Präsident Joe Biden weitere Hilfe von 800 Millionen Dollar zu.
Die Europäische Union lässt sich ebenfalls nicht lumpen. An ihrem Sondergipfel von letzter Woche genehmigten die Staats- und Regierungschefs weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung. Die gleiche Summe hatte die EU schon kurz nach Kriegsbeginn bereitgestellt. Hinzu kommen Waffenlieferungen einzelner Länder.
In erster Linie soll die Ukraine «defensive» Rüstungsgüter erhalten. Alles andere wäre zu heikel für die Nato. Aus diesem Grund scheiterte etwa die Lieferung polnischer MiG-29-Kampfjets. Dafür soll die ukrainische Armee im grossen Stil mit Panzer- und Flugabwehrsystemen aufgerüstet werden. Ein Überblick über die geplanten Lieferungen:
Die ukrainische Armee hat laut eigenen Angaben schon mehr als 400 russische Panzer und 2000 weitere Militärfahrzeuge zerstört. Solche Zahlen sind in einem Krieg immer mit Vorsicht zu geniessen, doch fraglos war sie in dieser Hinsicht überraschend erfolgreich. Nun sollen die Ukrainer zusätzlich mehrere tausend Panzerabwehr-Systeme erhalten.
So wollen die USA weitere 2000 Javelin-Raketen liefern. Sie erreichen ihr Ziel selbständig durch Infrarot-Lenkung und gelten als effizienteste Panzerabwehrwaffe der Welt. In der Ukraine sind die Raketen, die sie schon von Donald Trump erhalten hatte, ein wahrer Mythos. Auf «Heiligenbildern» und Flaggen werden sie als «St. Javelin» verehrt.
Ausserdem wollen die Amerikaner mehr als 6000 Stück des schwedischen Systems AT-4 liefern. Es ist für den einmaligen Gebrauch bestimmt und kann nicht nachgeladen werden. Von Deutschland wird die Ukraine 1000 Stück des Modells Panzerfaust 3 erhalten, eine eigene Entwicklung. Weitere 400 Panzerfäuste schicken die Niederlande.
Erfolge kann die ukrainische Armee auch bei der Abwehr russischer Flugzeuge und Helikopter vorweisen. Bis heute ist es den Russen nicht gelungen, die Lufthoheit über der Ukraine zu erringen. Nun liefern die USA weitere 800 Stinger-Lenkwaffen, ein seit Jahrzehnten bewährtes System, das auch von der Schweizer Armee beschafft wurde.
Stinger-Raketen können Ziele in bis zu 4000 Metern Höhe ansteuern und abschiessen. Deutschland will 500 Stück liefern sowie 2700 Strela-Raketen, ein russisches System, das die Bundeswehr aus den Beständen der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR übernommen hatte. Strela (auf Deutsch Pfeil) erreicht Ziele in bis zu 2300 Metern Höhe.
Die Briten lassen sich ebenfalls nicht lumpen. Sie kündigten am Donnerstag an, den Ukrainern mehr als 4000 Raketen des von ihnen entwickelten Systems Starstreak zu überlassen. Es hat eine Reichweite von bis zu sieben Kilometern, wurde aber noch nie im Kampf erprobt. Und für hoch fliegende Ziele, etwa strategische Bomber, reicht das nicht.
Das amerikanische Patriot-System gilt als zu kompliziert für den kurzfristigen Einsatz. Erfahrung hat die Ukraine hingegen mit dem System S-300, das noch von der Sowjetunion entwickelt wurde. Die Slowakei erklärte sich am Donnerstag bereit, ihre S-300 zu liefern, sie verlangt aber gleichwertigen Ersatz. Aus dem gleichen Grund zögert Bulgarien.
Zu den Erfolgen der ukrainischen Armee trugen türkische Drohnen vom Typ Bayraktar bei. Nun wollen die USA gemäss Politico ihrerseits 100 Switchblade-Drohnen liefern. Es handelt sich um Kamikaze-Drohnen. Sie werden vom Boden aus gesteuert und können bis 30 Minuten in der Luft bleiben, bevor sie ihr Ziel treffen und explodieren.
Im Vergleich mit Drohnen wirkt Feldartillerie antiquiert. Dennoch bekommt die Ukraine von Deutschland 122mm-Haubitzen vom sowjetischen Typ D-30, die ebenfalls aus Beständen der NVA stammen. Folglich handelt es sich nicht um moderne Präzisionswaffen, doch die Haubitzen sind einfach zu bedienen und haben eine Reichweite von rund 20 Kilometern.
Daneben wird die Ukraine weitere Ausrüstung erhalten, etwa Gewehre und Munition (allein die USA haben 20 Millionen Schuss zugesagt) sowie Helme und Schutzkleidung. Auf ihrer «Wunschliste» befinden sich auch Raketen zur Abwehr russischer Kriegsschiffe sowie Mittel zur elektronischen Kriegsführung, wie ein westlicher Diplomat gegenüber Politico erklärte.
Ein heikles Thema ist die Frage, wie die Waffen ins Land gelangen. Aus naheliegenden Gründen lässt sich die Nato nicht in die Karten blicken. «Öffentlichkeit ist der Tod von Waffenhilfe», kommentierte der «Tagesspiegel». Der Luftweg gilt nach Ansicht von Experten als zu gefährlich. Die Lieferungen dürften auf dem Landweg erfolgen, vor allem via Polen.
Vincent Castillo, ein Logistik-Professor an der Ohio State University, schreibt in einem Essay, dass grosse Konvois nicht in Frage kämen. Sie seien ein zu leichtes Ziel für russische Luftschläge. Die Waffen würden deshalb in kleinen Einheiten transportiert und kurz vor dem Ziel in nochmals kleinere «Portionen» aufgeteilt und übergeben.
Falls die ukrainische Armee alle Systeme erhält, wäre sie in einer vorteilhaften Lage. Derzeit tut sie sich vor allem im Süden des Landes schwer, während sie Kiew halten und einen russischen Durchbruch nach Osten Richtung Odessa verhindern konnte. Sollte sich der Krieg hinziehen, halten immer mehr Experten sogar einen Sieg für möglich.
G.
Ich hoffe für die Ukraine sehr, dass die Lieferungen tatsächlich und frühzeitig ankommen!
🙌
HappyUster
Salvatore_M