Die Bilder des zerstörten westlichen Kriegsmaterials gingen um die Welt: Ausgebrannte Leopard-Panzer aus Deutschland rosten neben amerikanischen M2-Bradleys ohne Turm vor sich hin. Oder Bergepanzer mit britischen Räumschaufeln, die zerfetzt und schwarz vor Russ in den Feldern liegen.
Es sind die Überreste eines gescheiterten ukrainischen Vorstosses bei Mala Tokmatschka, nahe Saporischschja, vom 8. Juni. An diesem Tag sollte eine Kampfgruppe, bestehend aus der 47. Sturmbrigade und der 33. Mechanisierten Brigade, über ein Minenfeld in Richtung des südlich gelegenen Robotyne stossen. Robotyne, von den Russen gut ausgebaut und verteidigt, ist die erste grosse Hürde auf dem Weg in die Grossstadt Melitopol. Würden die Ukrainer bis dorthin, ans Schwarze Meer, kommen, hätten sie die russischen Kräfte in zwei geteilt.
Doch so weit kam es (bislang noch) nicht. Der Vorstoss vom 8. Juni sollte als einer der verlustreichsten Tage der ukrainischen Gegenoffensive in die Geschichte eingehen. Zuerst wurde die herannahende Kampfgruppe von Helikoptern entdeckt und mit panzerbrechenden Raketen angegriffen. Vorerst zogen die Panzer weiter.
Allen voran waren Leopard 2R aus Finnland und deutsche Wisent-Bergepanzer. Damit sollten die zahlreichen Minen, die von den russischen Truppen dicht verlegt worden sind, aus dem Weg geräumt werden. Dies verlief nicht ganz so erfolgreich, wie wohl erwartet wurde: Drei der finnischen Minenräum-Leoparden (2R), ein Wisent und mehrere amerikanische M2-Bradleys fielen den Minen zum Opfer.
Die Fahrzeuge dahinter liefen auf, dann tobte die russische Artillerie über der Kolonne. Insgesamt verlor die Ukraine an diesem Tag rund 25 gepanzerte Fahrzeuge: 17 M2-Bradleys, vier Leopard 2A6, drei Leopard 2R und einen Wisent. Oder anders ausgedrückt: ein Fünftel aller Bradleys, die der Ukraine geliefert wurden. Ein Fünftel aller Leopard 2A6. Und die Hälfte aller Leopard 2R. Von denen gibt es übrigens sonst keine mehr. Denn Finnland hatte alle seine sechs Panzer und somit den weltweiten Bestand an die Ukraine vergeben. Ein herber Schlag.
Und doch scheint nicht aller Tage Abend zu sein: Ein unlängst veröffentlichtes Video zeigt die Besatzung eines deutschen Bergepanzers 2, wie sie einen «zerstörten» Bradley zum Abschleppen vorbereitet.
#Ukraine: A Ukrainian Bergepanzer 2 ARV recovering damaged equipment including two M2A2 Bradley ODS-SA IFVs, South of Mala Tokmachka, #Zaporizhzhia Oblast. pic.twitter.com/321JuwW4to
— 🇺🇦 Ukraine Weapons Tracker (@UAWeapons) July 1, 2023
Daraus schliesst das US-amerikanische Magazin Forbes zweierlei: Einerseits sind die ukrainischen Kräfte bereits so weit in Richtung Robotyne/Tokmak vorgestossen, dass das Umfeld sicher genug für eine Bergung von beschädigten Fahrzeugen ist.
Und zum anderen scheinen die Ukrainer davon auszugehen, dass sie zumindest einen Teil der am 8. Juni zurückgelassenen Fahrzeuge wieder flott machen können. Das ist auch gut so, denn die Ukraine benötigt den Stahl auf Raupen dringend. Seit Beginn der Gegenoffensive sind bereits sieben Leoparden diverser Ausführungen zerstört oder zumindest beschädigt worden – ein Achtel aller Leos, die der Ukraine versprochen (und teils schon geliefert) wurden.
Doch sind es eben nicht nur die Kampfpanzer, die für die Gegenoffensive benötigt werden, sondern auch Genie-Panzer wie der Wisent. Unter Genie-Panzer versteht man eine Art gepanzertes Baufahrzeug. Untersuchungen haben ergeben, dass das Gebiet, in dem die Kampfgruppe am 8. Juni in die Falle geraten war, extrem dicht vermint war. Die russischen Truppen hatten schliesslich fast den ganzen Winter hindurch Zeit, ihre Verteidigungen zu härten. Das heisst, nicht nur Minen, sondern auch Panzersperren und Barrikaden verzögern die ukrainische Offensive.
So ist nun zu hoffen, dass die Ukrainer auch die drei zumindest beschädigten Leopard 2Rs wieder instand setzen können. Die finnischen Boliden mit britischem Minenräumpflug können nebst effizienter Minenbeseitigung auch Schützengräben füllen und Erdwälle aushöhlen.
Doch die Bergung der Minenräumer dürfte im wahrsten Sinne des Wortes kein leichtes Unterfangen werden. Ein Leopard R2 wiegt rund 60 Tonnen. Eventuell bedarf es gar zweier Bergepanzer, um das finnische Stahlmonster an eine befestigte Strasse zu bringen, von wo es dann per Sattelschlepper in die Werkstatt geht. Kein leichtes Unterfangen, aber auch kein unmögliches.