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Azovstal wird gestürmt – 5 Punkte zur Lage im Stahlwerk

Azovstal wird gestürmt – die Lage im umzingelten Stahlwerk in 5 Punkten

03.05.2022, 17:1603.05.2022, 17:30
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Sturm auf Stahlwerk hat begonnen

In der heftig umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol haben russische Truppen Medienberichten zufolge mit der Erstürmung des belagerten Stahlwerks Azovstal begonnen. Dort drin haben sich zu Beginn des Krieges sowohl ukrainische Kämpfer als auch Zivilisten verschanzt.

«Die ganze Nacht haben sie uns aus der Luft bombardiert (...) und jetzt wird Azovstal gestürmt», zitierte etwa die Zeitung «Ukrajinska Prawda» am Dienstag den Vizekommandeur des ukrainischen Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar. Bei den jüngsten russischen Angriffen seien auch zwei Zivilisten getötet worden, sagte Palamar demnach. In den sozialen Medien kursieren Bilder von zwei toten Frauen.

Verstrichene Ultimaten

Mitte April forderte Moskau die ukrainischen Kämpfer im Stahlwerk dazu auf, sich zu ergeben. Es sei ihre einzige Chance, zu überleben. Die Ukraine weigerte sich allerdings und kündigte stattdessen an, Widerstand zu leisten. Dennoch befahl Putin seinen Truppen daraufhin, das Gelände nicht zu stürmen, sondern es stattdessen zu blockieren, «so dass nicht einmal eine Fliege entfliehen kann». Weiter versprach er, die Soldaten mit Respekt zu behandeln, falls sie sich ergeben würden.

Dass der Sturm Azovstals jetzt doch stattfinden soll, wurde von russischer Seite bisher nicht offiziell bestätigt. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete jedoch unter Berufung auf einen Sprecher des Verteidigungsministeriums, auf dem Werksgelände verschanzte Asow-Kämpfer hätten eine Feuerpause genutzt, um an ihre Schiesspositionen zurückzukehren. Diese würden nun mit Artillerie und aus der Luft attackiert.

Eine erfolgreiche und eine gescheiterte Evakuierung

Bei Evakuierungsaktionen am Wochenende waren über 120 Zivilisten herausgelangt, doch eine weitere geplante Rettung gestern scheiterte.

«Heute haben uns die russischen Besatzer keine Möglichkeit gegeben, Leute aus Azovstal herauszuholen», sagte der Gouverneur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, am Montagabend im ukrainischen Fernsehen. Noch etwa 200 Zivilisten sollen nach ukrainischen Angaben noch dort ausharren.

Zuvor hatte es Berichte über schwere Bombardierungen und den Beschuss des Werksgeländes aus Schiffskanonen und mit Artillerie gegeben. Bilder zeigten eine dicke schwarze Rauchwolke. Aus Mariupol seien Kyrylenko zufolge aber 56 Menschen in Richtung Regierungsgebiet gefahren. Den Donezker Separatisten zufolge sind zugleich mehr als 200 Menschen nach Besimenne in östlicher Richtung aus der Stadt herausgebracht worden.

Videos auf Twitter zeigen, wie heute Nachmittag Busse mit aus Azovstal evakuierten Menschen in Saporischschja einzutreffen beginnen. Saporischschja unter ukrainischer Kontrolle liegt etwa 230 Kilometer nordwestlich von Mariupol.

Die Vorräte werden knapp

Die Hafenstadt Mariupol war unmittelbar nach dem russischen Angriff Ende Februar von russischen Truppen eingeschlossen worden.

Einzig das Gelände des Stahlwerks Azovstal steht noch in Teilen unter Kontrolle von ukrainischen Soldaten, die dort seit zwei Monaten ausharren. Eine Frau, der die Flucht aus dem Stahlwerk gelang, berichtete gegenüber «CNN», dass sie diese zwei Monate in der Dunkelheit des Bunkers verbracht habe. Zu gross war ihre Angst, draussen an die frische Luft zu gehen.

Dass sich die Menschen nun schon seit geraumer Zeit im Stahlwerk befinden, macht sich auch an den schwindenen Vorräten bemerkbar. «Wir haben nur noch sehr wenige Vorräte, was Wasser und Essen betrifft. Ich kann nicht genau sagen, wieviel noch übrig ist, aber ich kann euch versichern, dass wir sparsam damit umgehen», so Vizekommandeur Swjatoslaw Palamar gegenüber CNN. «Wenn es hart auf hart kommt, werden wir Vögel fangen und alles tun, um standhaft zu bleiben.»

«Wenn es hart auf hart kommt, werden wir Vögel fangen und alles tun, um standhaft zu bleiben.»

Keine Gnade erwartet bei Gefangenschaft

Sollte das Stahlwerk in die Hände der Russen fallen und Palamar und seine Soldaten in Gefangenschaft geraten, so rechnet Palamar mit dem Schlimmsten. Er habe kein Vertrauen darin, dass sie respektvoll als Kriegsgefangene behandelt werden würden. So hätte beispielsweise seine Mutter Bilder eines gefolterten ukrainischen Soldaten zugesendet bekommen.

Die Russen verstiessen gegen Konventionen, indem sie ukrainische Soldaten folterten und töteten, so Palamar weiter. Sie hingegen hielten sich daran. So sollen sich gemäss Palamar auch russische Gefangene im Stahlwerk befinden, mit denen sie ihre Vorräte teilten. (saw)

Mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa.

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29 Kommentare
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Judgemental PoS
03.05.2022 19:22registriert Mai 2020
In meinen Augen sind das Helden. Halten stand, obwohl es wenig Aussicht auf Rettung gibt. Hoffe, dass sie doch irgendwie lebend herauskommen
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Hiker
03.05.2022 18:48registriert Januar 2017
Was für eine unfassbare Ungeheuerlichkeit. Russlands Armeeführung gehört samt und sonders hinter Gitter. Ein entsetzliches Verbrechen am Ukrainischen Volk. Da ist eine grausame Mörderbande am Werk die den Vergleich mit den Nazis, die sie angeblich vernichten wollen, verdient. Ich hoffe wir werden schon bald all diese Verbrechen an der Menschlichkeit vor Gericht bringen können.
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Rivka
03.05.2022 18:46registriert April 2021
Das wird ein Massaker geben. Putin der Schlächter braucht unbedingt einen Sieg und die Azov-Einheit war seine faulste Ausrede für den Einmarsch in die Ukraine. Wenn jetzt kurz vor seinem Show am 9. Mai die verbliebenen Azov-Soldaten umgebracht werden, hat der Gnom vom Kreml etwas in der Hand, dass er dem vernebelten russischen Volk bieten kann. Das Einzige was die verbliebenen ukrainischen Soldaten noch machen können, ist die siegessicheren russkis, die in den Bunker kommen mit einem explosiven Geschenk willkommen heissen...
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