Seit 1000 Tagen herrscht in der Ukraine ein blutiger Krieg. Trotz aller diplomatischen Anstrengungen sieht es nicht danach aus, dass die Waffen bald schweigen werden. Und selbst wenn: Die Bedrohung Europas durch ein imperialistisches Russland unter Präsident Wladimir Putin wird bleiben.
Die europäischen Staaten haben reagiert und ihre Verteidigungsausgaben erhöht. Zusammen mit Kanada geben die Europäer aktuell über 400 Milliarden Euro für Verteidigung aus – gut die Hälfte der USA, der mächtigsten Militärmacht der Welt. Das Nato-Ziel, mindestens 2 Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu stecken, haben sie heuer erstmals erreicht.
Doch es ist nicht genug. «Es ist grossartig, dass wir das Zwei-Prozent-Ziel erfüllen. Aber es reicht eindeutig nicht», warnte Nato-Generalsekretär Mark Rutte gestern in Brüssel beim Treffen der EU-Verteidigungsminister. An Rutte wird es liegen, den künftigen US-Präsidenten Donald Trump zufriedenzustellen. Und von diesem ist hinlänglich bekannt, dass er mehr von den Europäern sehen will.
Wie viel? Das hat Trump auch schon gesagt: Das Nato-Ziel soll von 2 auf 3 Prozent hochgeschraubt werden. Das ist nicht unrealistisch. Der deutsche Nato-General Christian Badia bestätigte in einem Interview kürzlich, dass die Entwicklung Richtung drei Prozent gehe.
Tatsächlich gibt es bereits europäische Nato-Länder, die weiter gehen: Polen gab im Jahr 2024 satte 4,1 Prozent seiner Wirtschaftskraft fürs Militär aus. Die beiden baltischen Staaten Estland und Lettland, aber auch Griechenland liegen über 3 Prozent.
Entscheidend für Europa ist aber, was die Schwergewichte Deutschland, Frankreich und Grossbritannien machen. Wegen ihrer Grösse fallen deren Verteidigungsausgaben besonders ins Gewicht.
Zur Einordnung: Dieses Jahr liegt das Verteidigungsbudget Deutschlands alles inklusive bei rund 80 Milliarden Euro. Würde Berlin auf drei Prozent gehen, kämen jährlich 120 Milliarden für die Bundeswehr zusammen. Das wäre rund ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts und der grösste Einzelposten nach den Sozialausgaben. In Frankreich würden die Verteidigungsausgaben auf über 90 Milliarden Euro steigen. In Grossbritannien über auf über 100 Milliarden. Europaweit fielen Zusatzausgaben von mehreren hundert Milliarden Euro an.
Das sind enorme Beträge. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt aber: Zur Zeit des Kalten Krieges waren drei Prozent Standard. In den 1980er-Jahren bis kurz vor der Wiedervereinigung lag das Militärbudget Deutschlands bei rund 3,2 Prozent. Sogar der sozialdemokratische «Friedenskanzler» Willi Brandt, der 1971 für seine «Ost-Politik» den Friedensnobelpreis erhielt, investierte über 3 Prozent in die militärische Abschreckung.
Die Gretchenfrage ist, wie die Nachrüstung Europas in Zeiten klammer Kassen finanziert werden soll. Mit Umschichtungen und Sparübungen scheint es jedenfalls nicht zu machen sein, wenn man den sozialen Zusammenhalt bewahren will.
Deutschland debattiert deshalb über eine Lockerung der Schuldenbremse. Bundeskanzler Olaf Scholz wollte dies mit dem Verweis auf eine durch den Ukraine-Krieg verursachte «Notlage» durchsetzen. Die aus der Koalition ausgetretene FDP würgte die Diskussion aber ab. So oder so: Der künftige Bundeskanzler, ob Olaf Scholz, Friedrich Merz oder wer auch immer, muss die Geld-Beschaffungs-Frage lösen.
Manche in Deutschland blicken daher nach Brüssel. Tatsächlich sieht die EU-Kommission vor, die Regeln für die Verteilung der Kohäsionsbeiträge so zu ändern, dass auch Projekte mit Verteidigungs- und Sicherheitscharakter unterstützt werden können. Mit rund 390 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2027 sind die Kohäsionsmilliarden neben den Agrarhilfen die mit Abstand grössten EU-Töpfe. Das Problem: Sie fliessen an wirtschaftlich schwächere EU-Länder und nicht an Deutschland, Italien oder Frankreich.
Eine andere Idee wäre es, neue, gemeinsame EU-Schulden aufzunehmen. Bei Corona hat das ja auch schon mal geklappt. Die Balten, Griechenland, Polen oder Frankreich wären dafür. Auf der anderen Seite stehen Deutschland, die Niederlande oder Österreich, die mit der Vergemeinschaftung von Schulden traditionell nicht viel anfangen können.
Unabhängig der Finanzierung kommt Europa aber um eines nicht herum: Nicht nur mehr zu tun, sondern mehr gemeinsam zu tun. Denn die Streuverluste nicht koordinierter Rüstungsvorhaben sind ein langbekanntes Problem. Jeder kauft seinen eigenen Panzer, sein eigenes Flugzeug und seine eigenen Drohnen. Um das zu ändern, hat die EU das Amt eines Verteidigungskommissars geschaffen. Er soll für dringend benötigte Effizienz sorgen. Dass ihn die Regierungen machen lassen, muss aber bezweifelt werden. (aargauerzeitung.ch)
Rüstungsausgaben sind auch Subventionen wenn man es richtig macht.
Klar wäre das Geld besser in anderen Dingen investiert, aber man sollte wenigstens das beste daraus machen...