Dänemark bestätigt t-online-Recherchen zum Anschlag auf Nord Stream: Es existieren 112 Fotos russischer Schiffe am Tatort. Sie wurden vier Tage vor den Explosionen von der dänischen Marine angefertigt. Das geht aus einem Bericht der dänischen Tageszeitung «Information» hervor. Das dänische Verteidigungsministerium bestätigte demnach die Existenz der Bilder, will sie aber zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeit geheim halten.
t-online hatte vor drei Wochen exklusiv über Spezialschiffe des russischen Militärs mit Lastkränen und Mini-U-Boot berichtet, die am 21. und 22. September 2022 den Tatort nordöstlich von Bornholm angesteuert haben sollen.
Die Informationen aus Sicherheitskreisen konnten in Teilen durch Satellitenbilder und Positionsdatenbanken nachvollzogen werden. Auch die dänischen und schwedischen Streitkräfte rückten damals zu Kontrollfahrten aus. Nun ist klar: Das dänische Patrouillenboot Nymfen stiess am späteren Tatort auf Russlands Militär.
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«Information» hatte «Zugang zu den Bildern- und Videoaufnahmen von russischen Schiffen beantragt, die am 22. September 2022 an Bord von P524 Nymfen gemacht wurden», wie die Zeitung schreibt. Woraufhin das Verteidigungsministerium bestätigte, 112 Fotos identifiziert zu haben, «die von Ihrem Antrag (...) abgedeckt werden». Der Zugang zu ihnen könne aber nicht gewährt werden, da sie «Teil der nachrichtendienstlichen Arbeit sind». Weitere Auskünfte erteilte das Ministerium nicht.
Die Stellungnahme fügt sich ins Bild: Laut «New York Times» misstrauen die schwedischen und dänischen Ermittler angeblich den Spuren, denen der deutsche Generalbundesanwalt massgeblich folgt und fühlen sich unter Druck, der durch Medienberichte öffentlich gewordenen Erzählung etwas entgegenzusetzen. Eine «False Flag»-Operation steht im Raum, also eine Spurenlage, die absichtlich gelegt wurde, um die Drahtzieher zu verschleiern.
Die Täter hätten «in dem Wissen gehandelt, dass sie Spuren hinterlassen würden», sagte vergangene Woche der mit den Ermittlungen in Schweden beauftragte Staatsanwalt Mats Ljungqvist. In Anbetracht des verwendeten Sprengstoffs komme eine sehr grosse Anzahl von Akteuren nicht infrage. Ein Staat als Drahtzieher der Anschläge sei weiterhin das wahrscheinlichste Szenario. Bei den Ermittlungen kooperiere seine Behörde unter anderem mit Dänemark.
«Zeit» und ARD hatten darüber berichtet, dass deutsche Ermittler vor allem die Segelyacht «Andromeda» verdächtigen, mit dem Anschlag in Verbindung zu stehen. Spuren einer Sechs-Mann-Crew führten demnach in die Ukraine.
Experten bezweifeln aber viele Details der These. Auf ebenso viel Skepsis stossen nicht bestätigte US-Geheimdienstinformationen über eine angeblich im Privatauftrag handelnde «pro-ukrainische Gruppe», über die die «New York Times» schrieb.
Ein international weit verbreiteter Bericht auf dem Blog des US-Journalisten Seymour Hersh über die USA als Drahtzieher der Anschläge gilt als unseriös und weitgehend widerlegt. Er wolle keine einzelnen Medienberichte kommentieren, sagte Ljungqvist dazu, viele der «heissen Theorien» könnten aber bereits leicht ausgeschlossen werden. «Der Vorfall ist offensichtlich zu einer offenen Arena für verschiedene Einflussnahmeversuche geworden».
Explosionen hatten am 26. September 2022 die deutsch-russischen Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 am Grund der Ostsee zerstört. Die Lieferungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt, Deutschland hatte das Aus von Nord Stream 2 bereits beschlossen. Ermittler in Deutschland, Dänemark und Schweden gehen von Sabotage aus.