International
Analyse

Ukraine: Korruptionsfall Energoatom im Fokus

Wieder ein Korruptionsfall in der Ukraine – dieser ist besonders heikel

Millionenschwere Schmiergeldzahlungen, Ermittlungen und ein abgetauchter Selenskyj-Vertrauter: Der ukrainische Energiekonzern Energoatom ist ins Visier von Korruptionsfahndern geraten.
11.11.2025, 14:5611.11.2025, 15:08
Bojan Stula / ch media

Nach einer Serie von Razzien wegen mutmasslicher Korruption beim staatlichen ukrainischen Energiekonzern Energoatom hat Wolodymyr Selenskyj strenge Massnahmen und Verurteilungen verlangt. «Die Reinhaltung des Unternehmens hat Priorität», erklärte der ukrainische Präsident in seiner allabendlichen Videobotschaft. Es sei jeder zu bestrafen, «der an korrupten Machenschaften beteiligt war», sagte Selenskyj am Ende des Videos.

A woman holds a banner during a protest against a law targeting anti-corruption institutions in central Kyiv, Ukraine, Wednesday, July 23, 2025. (AP Photo/Efrem Lukatsky)
Russia Ukraine War
«Unsere Helden sind nicht für die Korruption gestorben»: Die Teilnehmerin an einer Antikorruptionsdemo im Sommer 2025 in Kiew.Bild: keystone

Die Ermittlungsbehörden — insbesondere das Nationale Anti-Korruptionsbüro der Ukraine (Nabu) und die spezialisierte Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (Sapo) — führen nach eigenen Angaben ein aufwendiges Verfahren gegen Korruption im Energiesektor. In einer offiziellen Erklärung spricht Nabu von einer «hoch­rangigen kriminellen Organisation», die «ein grosses Bestechungsnetz aufgebaut hat, um zentrale staatliche Unternehmen wie Energoatom zu kontrollieren». Das berichtete neben anderen Medien das Onlineportal «Kyiv Independent» am Dienstag.

Im Zentrum der Ermittlungen steht der Unternehmer Timur Mindich. Der 46-jährige Produzent war früher Geschäftspartner von Selenskyj und Mit­inhaber der Medienfirma Kvartal 95. Laut Berichten verliess Mindich das Land, kurz bevor an seinem Wohnsitz in Kiew am 10. November Durchsuchungen stattfanden. Besonders pikant: Erst vor wenigen Tagen hatten Recherchierjournalisten der «Ukrainska Pravda» enthüllt, dass Mindich unter Selenskyj seinen wirtschaftlichen Einfluss wesentlich ausbauen konnte. Zudem könnte er laut «Kyiv Independent» auch ein Urheber von früheren Versuchen gewesen sein, die Unabhängigkeit der ukrainischen Antikorruptionsbehörden einzuschränken.

Gemäss Angaben von Nabu betrieb die Gruppe um Mindich ein Bestechungs­system, bei dem 10 bis 15 Prozent der Vertragssummen zur Errichtung von Schutzbauten für Energieanlagen gezahlt werden mussten.

Timur Mindich
Der Hauptverdächtige Timur Mindich soll inzwischen aus der Ukraine geflohen sein.Bild: social media

Mindich wird zudem mit dem Justizminister und früheren Energieminister Herman Halushchenko in Verbindung gebracht — dessen Privat­räume wurden ebenfalls Ziel von Durchsuchungen. Laut «Ukrainska Pravda» hat Nabu die Telefone von mindestens vier aktuellen oder ehemaligen Ministern angezapft; ausserdem gab es eine Verhaftung in den eigenen Reihen der Korruptionsjäger.

Die Affäre trifft Kiew in einer kritischen Phase: Während russische Raketen und Drohnen zunehmend die Energie­infrastruktur angreifen, betont Selenskyj, dass Energoatom den Haupt­teil der Strom­produktion für sein Land liefere. In diesem Kontext und mitten im Krieg wirkt ein Gross­skandal im Energiebereich besonders heikel. Kritiker sehen darin einen Rückschlag im schwierigen Kampf gegen die Korruption, der auch ein Hindernis für die angestrebte europäische Integration der Ukraine darstellt. (aargauerzeitung.ch)

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Adrian Geissbühler
11.11.2025 15:23registriert Juli 2020
Den Grundgedanken der Korruptionsbekämpfung nicht verstanden! Wenn ein Anti-Korruptionsbüro Korruption aufdeckt, dann ist das ein Erfolg für die Demokratie und kein Rückfall! All das, was ich hier im Beitrag lese, suggeriert eine Demokratie, die besser funktioniert als in manch anderen EU-Ländern: Die Medien dürfen kritisch sein bis zu obersten Etage. Die Leute gehen Demonstrieren, auf der Straße, trotz täglicher Luftangriffe! Das alles zeigt mir, wie stark der demokratische Willen der Ukrainer immer wieder unterschätzt wird.
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El_Chorche
11.11.2025 15:19registriert März 2021
Der Umstand, dass darüber berichtet wird, ist trotzdem ein gutes Zeichen.

Nicht vergessen; die Ukraine war über Jahrzehnte von den Russen besetzt - das dauert, bis man alle alten Zöpfe abgeschnitten hat.
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T13
11.11.2025 15:34registriert April 2018
Immerhin werden solche Skandale aufgedeckt.
Nur weil man bei uns selten sowas hört sollte man nicht davon ausgehen, dass es nicht zu solchen Fällen kommt.
Und ja bei uns gibt es jede Menge Korruption, die Politik und die Wirtschaft nennen es halt einfach lieber Lobbyismus weil das besser klingt.
Aber der nächste Fall in dem auskommt, dass wieder irgend ne Firma z.b. tonnenweise giftigen Bauschutt irgendwo abgeladen hat und die Politik das zu vertuschen versucht hatte wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.
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