Der frühere NATO-General Erhard Bühler gibt im Podcast «Was tun, Herr General?» regelmässig Einschätzungen zum Ukraine-Krieg ab. Nun hat der 68-jährige Militärexperte aus Deutschland der «Neuen Zürcher Zeitung» diese Woche ein Interview gegeben (siehe Quellen).
watson fasst die Punkte, die auch aus Schweizer Perspektive spannend sind, zusammen.
Dazu Erhard Bühler:
Wladimir Putin selbst hatte 2005 erklärt, der Zusammenbruch der Sowjetunion sei für ihn «die grösste politische Katastrophe des Jahrhunderts». Sollte ein östliches NATO-Mitglied sein nächstes Ziel werden, wären die Verbündeten verpflichtet, zu Hilfe zu eilen.
Zudem sagt Bühler:
Europas Staatsführer sehen sich also mit einem Szenario konfrontiert, das sie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr ernsthaft in Betracht ziehen mussten: einen Landkrieg gegen Russland. Denn gemäss Artikel 5 des Nordatlantikvertrags stehen sich die Mitgliedsstaaten bei einem Konflikt gegenseitig bei.
Ex-General Bühler argumentiert, es bringe nichts, darüber zu spekulieren, was der russische Despot genau erreichen wolle und was er vielleicht als Nächstes tue. Entscheidend sei aus seiner Sicht etwas Anderes:
Es kommt allerdings noch düsterer, wie Bloomberg-Journalisten Mitte Oktober konstatierten. Ein solcher Krieg in Europa müsse möglicherweise ohne die volle Feuerkraft der USA geführt werden, «des unverzichtbaren Verbündeten, der die Sicherheit der Region während des Kalten Krieges und auch danach gewährleistet hat».
Der Aufstieg Chinas als Militärgrossmacht mit seinen offen kommunizierten Eroberungsplänen für die Insel Taiwan lasse die amerikanischen Militärexperten ein Szenario durchspielen, in dem die USA gezwungen wären, Langstreckenwaffen aus dem Nordatlantik abzuziehen, um einen Krieg in Ostasien zu führen.
Wenn die westliche Militärhilfe auf dem aktuellen Niveau verharrt oder gar noch gesenkt wird, muss der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj früher oder später mit der russischen Führung verhandeln, um einen totalen Zusammenbruch des Landes zu verhindern.
Gemäss den bekannten Forderungen aus dem Kreml liefe das auf die einseitige Abtretung des von Russland besetzten ukrainischen Staatsgebietes hinaus.
Erhard Bühler warnt:
Erhard Bühler ruft im NZZ-Interview in Erinnerung, was der Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 im Sinne seiner «Zeitenwende» der deutschen Armeeführung versprochen habe: Die Bundeswehr werde zur am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa und «zum Grundpfeiler der konventionellen Verteidigung auf dem Kontinent».
Die Realität sei eine andere.
Die Zeit, die die Verantwortungsträger nun mit innenpolitischen Konflikten und Diskussionen verlieren, setze das ganze Projekt der Zeitenwende aufs Spiel.
Es gebe in der Welt immer das Böse, so Bühler, und wenn es irgendwo die Oberhand gewinne, benötige man eine Streitkraft, die einen davor schütze.
Der deutsche Militärexperte sagt:
Bleibt anzumerken, dass der Schweizer Armeechef davor gewarnt hat, dass die Verteidigungsfähigkeit stark beeinträchtigt sei und weiter abnehme, weil wichtige Waffen-Systeme komplett zu veralten drohen. Derweil streiten linke und rechte Politiker im Parlament und in der Regierung um die Aufrüstung der Armee und insbesondere um die Frage, woher das Geld dafür kommt.
Und dies jetzt, Ende 2024.
Dieses Bsp. zeigt exemplarisch, dass die vom dt. SPD-Bundeskanzler Scholz im Jahr 2022 verlautbarte «Zeitenwende» v.a. eine Worthülse war / ist:
Nach fast 1000 Tagen RU-Angriffskrieg gegen die UA gelangt die dt. Bundesregierung zur Erkenntnis, dass es an der Zeit wäre, zusätzliche «Taurus»-Marschflugkörper in Auftrag zu geben.
Den Vorwurf der 'zaudernden Zögerlichkeit' muss sich Scholz – nicht nur bzgl. der UA – gefallen lassen.