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Erneut Hunderte Erdbeben auf Island – Vulkanausbruch könnte bevorstehen

Lava emerges from a fissure of the Fagradalsfjall volcano near the Litli-Hr
Lava am Fagradalsfjall in Island im Juli 2023. Bild: keystone

Erneut Hunderte Erdbeben auf Island – Vulkanausbruch könnte kurz bevorstehen

Die Erdbebenserie auf Island dauert an. Zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr morgens registrierten die Behörden am Sonntag etwa 880 Erdbeben. Ein Vulkanausbruch könnte kurz bevorstehen.
12.11.2023, 10:5721.12.2023, 12:27
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Mitten in der Stadt Grindavík? Vielleicht sogar im Meer, mit einer gewaltigen Aschesäule? Wo genau der nächste Vulkanausbruch auf Island zu erwarten ist, können Experten nicht sagen. Doch angesichts Tausender Erdbeben in den vergangenen Tagen sind sich viele Wissenschaftler sicher, dass eine Eruption bevorsteht. Es dauere höchstens nur noch ein paar Tage, heisst es auf Island.

Grindavík – diesmal ist die Situation gefährlicher

Alle Augen richten sich auf Grindavík, rund 40 Kilometer Luftlinie südwestlich der Hauptstadt Reykjavik. Die Stadt mit etwa 3700 Einwohnern war bereits in der Nacht zum Samstag evakuiert worden.

Unter dem Ort auf der Reykjanes-Halbinsel, auf der es bereits drei Jahre in Folge zu Vulkanausbrüchen kam, verläuft ein rund 15 Kilometer langer Magma-Tunnel von Nordosten nach Südwesten ins Meer. Die jüngsten Eruptionen, zuletzt im Juli, trafen stets unbewohntes Gebiet, entsprechend gering war die Aufregung der an Vulkane gewöhnten Isländer. Insgesamt gibt es mehr als 30 aktive Vulkane auf der Nordatlantik-Insel.

Das Land der Gletscher, Vulkane und Geysire liegt auf der Naht zwischen nordamerikanischer und eurasischer Platte. Deshalb kommt es auf der Insel mit insgesamt knapp 390'000 Einwohnern häufig zu seismischer Aktivität. Vulkanausbrüche mit spektakulären Bildern locken auch immer wieder Schaulustige und Touristen an.

Doch diesmal ist die Situation gefährlicher. «Unter Berücksichtigung, wie schnell sich das Magma in diesem Kanal gesammelt hat, können wir erwarten, dass die Eruption viel gewaltiger sein wird als die vorigen drei», sagte der Geophysiker Magnús Tumi Gudmundsson dem Sender RUV. Vulkanologen wiesen darauf hin, dass die Erdbeben der vergangenen Jahre die Erdkruste so stark gebrochen habe, dass das Magma seinen Weg schneller hindurchfinden könne. Der neue Zyklus erhöhter Aktivität könne mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte andauern.

Die blaue Lagune und der Luftverkehr

In der Nähe von Grindavík liegt die Blaue Lagune. Die wohl bekannteste Touristenattraktion auf der Insel im Nordatlantik war bereits vor Tagen vorsichtshalber geschlossen worden.

FILE- In this Feb. 21, 2006 file photo Tourists relax in the Blue Lagoon geothermal spa, Iceland on Feb. 21,2006. The geothermal spa Blue Lagoon has temporarily closed after a series of earthquakes ha ...
Hier war sie noch offen. Die blaue Lagune.Bild: keystone

Mit Sorge blicken Experten auf das angrenzende Geothermiekraftwerk Svartsengi, das Wasser und Strom für die 30'000 Einwohner der Reykjaves-Halbinsel liefert. Der Luftverkehr war aber zunächst nicht beeinflusst.

Das könnte sich aber ändern, falls die Eruption unter Wasser erfolgt. Dann würde sich vermutlich eine Aschesäule bilden. Ein solches Szenario weckt Erinnerungen an das Frühjahr 2010: Damals hatte der Ausbruch des Vulkangletschers Eyjafjallajökull den internationalen Flugverkehr über Tage ins Chaos gestürzt. Mehr als 100'000 Flüge wurden gestrichen, zahlreiche Passagiere sassen teils tagelang fest.

Die Hoffnung

Gudmundsson äusserte sich am Sonntag zurückhaltender. Der Magma-Zufluss habe nachgelassen. Es bestehe Hoffnung, dass eine Eruption ähnlich wie die in den vergangenen Jahren verlaufen werde.

Laut jüngster Behördenangaben befindet sich das Magma nur noch in 800 Metern Tiefe. Wissenschaftler betonten, die Originaldaten seien vermutlich mittlerweile überholt und die Aktivität noch näher an der Oberfläche.

Der Erdbebenschwarm

Allein am Sonntag wurden seit Mitternacht bereits mehr als 1000 Erdbeben in der Region gezählt. Eine Erschütterung um kurz nach 8.00 Uhr (Ortszeit, 9.00 Uhr MEZ) hatte demnach die Stärke 3,7 – es war das einzige Erdbeben mit mehr als 3,0 seit dem frühen Samstagabend. Die meiste Aktivität wurde nordöstlich von Grindavík registriert.

Hunderte Erdbeben haben bereits schwere Schäden in dem Ort verursacht. Auf Fotos waren zu sehen, dass sich Risse in Strassen und Häusern gebildet hatten. Der Boden war eingesunken und an mehreren Stellen meterbreit aufgebrochen.

Risse in der Erde in Island (Grindavik) am 11. November 2023.
Bild: Screenshot: Twitter

Es wird von erheblichen Schäden an Häusern ausgegangen. Am Mittag wollte die isländische Regierung über die Lage beraten.

Bei einer Kabinettsitzung wollte die Regierung am Sonntag über Schutzmassnahmen, vor allem für das Geothermiekraftwerk, diskutieren. Präsident Gudni Th. Jóhanesson rief die Bevölkerung am Samstag zur Einheit auf. «Island ist ein kleines Land», sagte er. Dies könne aber durchaus nützlich sein. «Wir können unsere Kleinheit in Stärke verwandeln. Manchmal sind wir wie eine kleine Familie.»

Der Erdbebenschwarm hatte vor rund zweieinhalb Wochen begonnen. Seitdem gab es Tausende Beben. Auf der Reykjanes-Halbinsel war es bereits 2021, 2022 sowie in diesem Sommer zu Vulkanausbrüchen gekommen. Sie hatten sich jeweils mit längeren Erdbebenserien angekündigt.

Der Hintergrund zur Situation in Island:

(sda/dpa)

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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bemic
12.11.2023 11:36registriert April 2023
Gemäss isländischem Nachrichtensender Vísir hat die Erdbebenaktivität in der Nacht auf Sonntag stark nachgelassen. Das heisst jedoch nicht, dass die Gefahr gebannt ist - womöglich befindet sich die Magma nun dicht an der Oberfläche und könnte demnächt durchbrechen. Ich hoffe so sehr, dass der Ausbruch glimpflich verläuft und nicht noch mehr Schaden entsteht.
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