Noch vor seinem Amtsantritt hatte der US-Präsident Donald Trump angekündigt, er werde den Ukrainekrieg beenden. Nun hat er erste Schritte dazu unternommen: Er telefonierte direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dann mit dessen ukrainischem Gegenpart Wolodymyr Selenskyj.
Kurz zuvor hatte Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth bei einer Sitzung der Ukraine-Kontaktgruppe im NATO-Hauptquartier in Brüssel die neuen Eckpunkte der amerikanischen Ukraine-Politik erläutert. Sie bergen einigen Zündstoff.
Die Strategie der Trump-Regierung zur Beendigung des blutigsten Krieges in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zeichnet sich damit in ihren Grundzügen ab. Wie ist sie einzuschätzen?
Trumps Post auf seinem sozialen Netzwerk «Truth Social», in dem er sein Telefonat mit Putin bekanntgab, war in gewohnt überschwänglichem Ton gehalten, was Kritiker angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der russischen Sabotageaktionen gegen den Westen als ungerechtfertigt bemängelten. Zugleich sorgte die Tatsache, dass Trump zuerst den Gegner Putin und erst danach den Verbündeten Selenskyj anrief, für Irritationen. Auch die EU war offenbar nicht zuvor über Trumps Gespräch mit Putin informiert worden.
Beobachter fürchten daher, dass Trump die Bedingungen zur Beendigung des Krieges über die Köpfe der Ukrainer und Europäer hinweg mit Putin aushandeln will. Die Politikwissenschaftlerin Claudia Major sagte etwa im Deutschlandfunk, Trump habe mit Putin verhandelt, «als wäre die Ukraine schon kein souveräner Staat mehr». Die USA würden so von einem Verbündeten der Ukraine zu einer Art Vermittler. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnte vor einem «Diktatfrieden» auf Kosten der Ukraine.
Während der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte, die Europäer dürften bei den Gesprächen zwischen Trump und Putin «nicht am Katzentisch sitzen», warnte Claudio Masala, Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, vor genau diesem Szenario. Gegenüber der «Bild»-Zeitung sagte er: «Die Europäer werden keinen Platz am Verhandlungstisch haben. Sie werden das Ergebnis akzeptieren müssen. Und es sieht leider Gottes so aus, dass dies auch für die Ukraine gilt.»
Auf Kritik stiessen auch die Äusserungen von US-Verteidigungsminister Hegseth in Brüssel, die man als Startschuss für Trumps neue Ukraine-Politik sehen kann.
Hegseth bezeichnete die Rückkehr zu den Grenzen der Ukraine vor 2014 als «unrealistisches Ziel», ebenso die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Die Stationierung von US-Friedenstruppen in der Ukraine schloss er grundsätzlich aus. Dies werteten manche Beobachter als voreiligen Verzicht auf mögliche Druckmittel in den Verhandlungen mit Putin, was den amerikanischen Verhandlungsspielraum einenge.
Zu den Kritikern zählt etwa Michael McFaul, ehemaliger US-Botschafter in Russland unter der Regierung von Präsident Barack Obama von 2012 bis 2014. Er fragte in einem Post auf der Plattform X: «Warum macht die Trump-Administration Putin Geschenke – ukrainisches Land und keine NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine –, bevor die Verhandlungen überhaupt beginnen?» Er fügte an: «Ich habe mit den Russen verhandelt. Man gibt ihnen nie etwas umsonst.»
Und der ehemalige litauische Aussenminister Gabrielius Landsbergis kommentierte Hegseths Auslassungen auf X wie folgt: «Keine NATO-Mitgliedschaft, keine Truppen vor Ort? Hört sich an, als würde man die Ukraine im Stich lassen.» Landsbergis spielte in seinem Post zudem auf das Münchner Abkommen von 1938 an, bei dem die Westmächte die – an den Verhandlungen notabene nicht beteiligte – Tschechoslowakei zwangen, das Sudetenland an Nazi-Deutschland abzutreten.
Stephen Wertheim vom Think Tank Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) bezeichnete Hegseths Äusserungen hingegen als «Zugeständnis an die Realität», wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Hegseths Bemerkung impliziere nicht die Bereitschaft der USA, besetztes ukrainisches Territorium rechtlich als russisch anzuerkennen. Der Ausschluss einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine signalisiere Russland, dass eine realistische Lösung möglich sei.
Die russischen Invasionstruppen halten beinahe drei Jahre nach Kriegsbeginn grosse Teile der ukrainischen Oblaste Donezk und Luhansk im Donbass besetzt, dazu auch Gebiete im Norden bei Charkiw und bei Saporischschja im Süden. Die Halbinsel Krim hat Russland bereits 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Die Ukraine wiederum hat einige Quadratkilometer in der russischen Region Kursk besetzt. Seit Längerem rückt die russische Armee vor, wenn auch nur sehr langsam und unter hohen Verlusten. Die Ukraine hat zwar bisher standgehalten, befindet sich aber unter starkem militärischem Druck.
Daher ist der russische Präsident Putin derzeit nicht darauf angewiesen, auf Trumps Vorschläge einzugehen oder territoriale Konzessionen zu machen. Er könnte weiterhin auf die militärische Karte setzen und mittelfristig versuchen, etwa die wichtigen Städte Dnipro und Saporoschschja einzunehmen. So oder so hat ihn Trumps Initiative bereits aus der Rolle als Paria der internationalen Gemeinschaft herausgeholt – der Aggressor Russland sitzt nun als vollwertiger Gesprächspartner am Verhandlungstisch. Falls die Verhandlungen scheitern sollten, verliert Putin nichts.
Der Politikwissenschaftler Claudio Masala glaubt sogar, dass Putin den Ukrainekrieg nun gewonnen habe, da die Amerikaner sich aus diesem Konflikt zurückzögen. «Putin wird in die Hände klatschen. Das ist das Beste, was ihm passieren konnte. Europäische Sicherheitstruppen werden ihn nicht davon abhalten, in ein paar Jahren einen erneuten Angriff auf den Rest der Ukraine durchzuführen», sagte Masala gegenüber der «Bild».
Ganz anders sieht es für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj aus. Sein Verhältnis zu Trump ist ohnehin bereits seit dessen erster Amtszeit getrübt; damals hatte Trump ihn aufgefordert, gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu ermitteln. Selenskyj gab sich nach dem Telefonat mit Trump zwar optimistisch und betonte, die Ukraine werde kein Abkommen akzeptieren, das ohne die Beteiligung seines Landes zustandekomme. Doch mit der neuen amerikanischen Ukraine-Politik steigt der Druck auf Kiew unweigerlich.
Möglicherweise wird die Neuausrichtung der US-Politik Selenskyj sogar aus dem Amt drängen. Im Friedensplan, den Trumps Ukraine-Beauftragter Keith Kellogg dieser Tage auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorstellen wird, soll die Forderung nach baldigen Neuwahlen in der Ukraine enthalten sein. Wegen des andauernden Krieges wurden die Wahlen, die turnusgemäss im vergangenen März stattgefunden hätten, verschoben.
Der US-Sender CNN spekuliert bereits über einen möglichen Zeitplan: Zuerst könnte es an Ostern zu einem Waffenstillstand kommen und danach im August zu Neuwahlen. CNN-Analyst Nick Walsh kommentiert dies wie folgt: «Es ist schwer, den Aufruf zu Neuwahlen nicht als eine Möglichkeit zu verstehen, Selenskyj zu einem langsamen Rücktritt zu bewegen und dem Kreml vielleicht ein Zugeständnis zu machen, um ihn an den Verhandlungstisch zu bringen.» Die Führungsriege im Kreml hat Friedensgespräche mit Beteiligung Selenskyjs stets ausgeschlossen.
Die Neuausrichtung der amerikanischen Ukraine-Politik ist nicht überraschend – US-Präsident Trump hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, die Unterstützung für die Ukraine zurückziehen zu wollen. Sie ist, so abrupt sie jetzt auch wirken mag, jedoch auch in einem grösseren Zusammenhang zu sehen, nämlich demjenigen der zunehmenden Wandlung der USA zu einer vorwiegend pazifischen Macht und dem damit zusammenhängenden allmählichen Rückzug aus Europa. Diese geopolitische Plattenverschiebung hat bereits unter Barack Obama begonnen, wie Politikwissenschaftler Claudio Masala in der «Zeit» feststellt.
Die europäischen NATO-Partner der USA, die nun auf dem linken Fuss erwischt wurden, müssen sich daher an der eigenen Nase nehmen. Der Politikwissenschaftler Nico Lange, der für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz tätig ist, sagte im «heute journal» des ZDF: «Die Amerikaner denken: Europäische Sicherheit ist Sache der Europäer. Man hat es sich unter dem amerikanischen Schutz bequem gemacht.» Die Europäer hätten alle Möglichkeiten gehabt, mehr zu tun. Und sie hätten auch jetzt alle Möglichkeiten, sich an den Verhandlungstisch zu bringen. «Dafür müssen sie aber handeln, für ihre eigene Sicherheit.»
Gleichwohl dürften die USA aber Putin das Feld nicht einfach überlassen. Auch Trump ist klar, dass er wie ein Verlierer aussehen würde, wenn Putin mit sämtlichen Forderungen problemlos durchkäme.
Wie Masala bemerkte, würde dies Trump in der wichtigen Auseinandersetzung mit China schaden – dem weitaus mächtigsten Rivalen der USA. US-Verteidigungsminister Hegseth nannte das Kind beim Namen, als er in Brüssel über die Eckpunkte der US-Aussenpolitik sprach: «Die USA räumen der Kriegsabschreckung gegen China im Pazifik Priorität ein, erkennen die Realität der Knappheit an und gehen Kompromisse bei den Ressourcen ein, um sicherzustellen, dass die Abschreckung nicht scheitert.»
In der Rivalität mit dem Westen ist Russland für Peking ein wichtiger Verbündeter. Seit Beginn des Ukrainekriegs ist Moskau zudem in Abhängigkeit von China geraten, das eine wichtige wirtschaftliche Lebensader für das von Sanktionen gebeutelte Russland ist.
Sollte sich das russisch-amerikanische Verhältnis dank Trumps Annäherungsversuchen bessern, wäre dies nicht unbedingt im Sinne der chinesischen Führung. Ohne russische Schützenhilfe liesse sich die chinesische Vision einer Alternative zu der von den USA geführten Weltordnung kaum verwirklichen.
1. Sich auf Freunde verlassen anstatt für sich selbst zu schauen.
2. Die USA als Freund gesehen.
3. Die Ukrainer nicht genügend unterstützt.
.... was jetzt kommt, wird unterm Strich deutlich teurer.
Das Europa zusammenstehen muss!