Was hat der Bundesrat Trump versprochen? Das Preisschild des Zolldeals rückt in den Fokus
Nur drei Stunden habe er im Bundesratsjet auf dem Rückflug in der Nacht auf Freitag von Washington nach Bern geschlafen, gab Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) der der «Sonntagszeitung» zu Protokoll. «Das ist nicht viel. Aber da ist auch Adrenalin im Spiel.»
Mit entsprechend wenig Schlaf startete Parmelin nach der Landung in Bern-Belp um 7:07 Uhr am Freitagmorgen in den Tag, der den Durchbruch im US-Zollstreit bringen sollte.
Unmittelbar nach der Landung führte Parmelin letzte Konsultationen mit seinen Bundesratskollegen. Am Mittag informierte er die Fraktions- und Parteispitzen an den Von-Wattenwyl-Gesprächen über das Ergebnis. Um 16.30 Uhr trat Parmelin schliesslich gemeinsam mit Staatssekretärin Helene Budliger Artieda vor die Medien.
Sie präsentierten die wichtigsten Eckpunkte der gemeinsamen Erklärung («Joint Statement»), auf die sich die Schweiz mit den USA geeinigt hat. Das Dokument ist rechtlich nicht bindend. Es bildet jedoch die Grundlage für die bevorstehenden Verhandlungen über ein verbindliches Abkommen mit den USA.
Der aus Schweizer Sicht wichtigste Satz des «Joint Statement»: Der Zollsatz auf Exporte in die USA sinkt von 39 Prozent auf 15 Prozent – den gleichen Wert, mit dem die USA auch Importe aus der EU belasten.
Souveräne Schweiz oder unilaterales US-Diktat?
Parmelin zeigte sich vor den Medien zufrieden. Die Absichtserklärung stelle «eine grosse Erleichterung für die Schweizer Wirtschaft» dar und stabilisiere den Zugang zum US-Markt.
Der Bundesrat habe gegenüber den USA keine Zugeständnisse gemacht, welche die Schweizer Souveränität oder Neutralität infrage stellten, betonte Parmelin: «Ich kann Ihnen versichern, dass der Bundesrat die Interessen der Schweiz resolut verteidigt und dies auch in Zukunft tun wird».
Einen anderen Eindruck hinterliess hingegen die Aussage von Staatssekretärin Budliger Artieda. Die Verhandlungen seien «ein unilateraler Prozess, der von den USA ausgelöst worden ist». Die USA hätten entschieden, was es braucht, um von 39 auf 15 Prozent herunterzukommen: «Die Schweiz konnte das nicht entscheiden.»
Auch darum wuchsen über das Wochenende die Zweifel an Parmelins Worten. Hat die Schweiz Trump zu weit gehende Konzessionen gemacht, um den US-Präsidenten zufriedenzustellen? Aus dem Parlament wird Kritik laut an mehreren Punkten der gemeinsamen Erklärungen, bei denen die Schweiz Entgegenkommen signalisiert.
Sanktionen, Export- und Investitionskontrollen
Gemäss der gemeinsamen Erklärung soll die bereits existierende Zusammenarbeit in diesem Bereich «verstärkt werden». Im von der US-Regierung publizierten Faktenblatt zum Deal mit der Schweiz ist sogar von einem «Ausbau der Zusammenarbeit» die Rede. Auf Anfrage von CH Media teilt Parmelins Kommunikationschef Urs Wiedmer mit: «Die Schweiz entscheidet als souveräner Staat selbstständig, ob und in welchen Bereichen sie geeignete Massnahmen erlässt, um ihre nationalen Interessen zu schützen»
Landwirtschaft
Sobald die US-Regierung den tieferen Zollsatz von 15 Prozent in Kraft setzt, wird der Bundesrat die Schweizer Zölle auf gewisse US-Landwirtschaftsprodukte wie Fisch, Meeresfrüchte, frische und getrocknete Nüsse oder Zitrusfrüchte aufheben. Die Zulassungsbedingungen für Fleisch- und Milchprodukte aus den USA sollen vereinfacht werden. Zudem gewährt die Schweiz den zollfreien Import von 500 Tonnen Rindfleisch, 1000 Tonnen Bisonfleisch und 1500 Tonnen Geflügelfleisch. Parmelin zeigte sich in der «Sonntagszeitung» offen dafür, eine Diskussion über die Zulassung von hierzulande bisher verbotenen Chlorhühnern zu führen. Dafür brauche es allerdings eine Gesetzesänderung.
Bauernverbandspräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter sagte dem «Sonntagsblick»: «Die Schweizer Landwirtschaft darf nicht unter dem Zolldeal leiden.» Sollten ihr dadurch Nachteile erwachsen, so fordert Ritter Begleitmassnahmen. «Mit Struktur- und Investitionshilfen können zum Beispiel Landwirtschaftsgebäude saniert oder neu gebaut werden.»
US-Autos
Laut der gemeinsamen Erklärung beabsichtigt die Schweiz, gemeinsam mit den USA an einer vereinfachten Anerkennung der amerikanischen Sicherheitsstandards für US-Autos zu arbeiten. Bisher mussten diese kostspielig an die Schweizer Anforderungen angepasst werden. Die «Sonntagszeitung» warf die Frage auf, ob künftig Pickups und Cybertrucks auf Schweizer Strassen verkehren würden. Es gebe bestimmte Erwartungen der Vereinigten Staaten, räumte Parmelin ein. Doch die Erklärung sei rechtlich nicht bindend. Das Endergebnis stehe erst nach Abschluss der Verhandlungen durch den Bundesrat fest.
Gegenüber der «NZZ am Sonntag» warf SP-Co-Präsident Cédric Wermuth dem Bundesrat vor, die Bevölkerung am Freitag nicht vollständig über das Ausmass des Entgegenkommens der Schweiz informiert zu haben. Das Preisschild des Deals sei deshalb völlig unklar. «Der Bundesrat agiert undurchsichtig.»
Ein äusserst ambitionierter Zeitplan
Tatsächlich lag der Text des «Joint Statement» nicht vor, als Parmelin am Freitag vor die Medien trat – die Publikation durch die Amerikaner hatte sich verzögert. Das Weisse Haus stellte den Text am Freitagabend (Schweizer Zeit) online. Aufgrund eines «internen Missverständnisses» publizierten die Schweizer Behörden das Dokument erst am Sonntag. Da es rechtlich unverbindlich ist, werde es nicht in die Landessprachen übersetzt, erklärt das Wirtschaftsdepartement.
Der Bundesrat werde nun «rasch» ein formelles Verhandlungsmandat beschliessen und darüber die aussenpolitischen Kommissionen und die Kantone konsultieren. Im Falle eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses mit den USA muss das Parlament dem Abkommen zustimmen. Wird das Referendum ergriffen, hat die Bevölkerung das letzte Wort. Eine Einigung bis Ende März 2026, wie im «Joint Statement» festgehalten, ist ambitioniert.
Bis der Deal in trockenen Tüchern ist, kann noch viel passieren. Die legendäre Sprunghaftigkeit von US-Präsident Trump, der Abmachungen manchmal aus einer Laune heraus vom Tisch fegt, dürfte Bundesrat Parmelin noch einige kurze Nächte bescheren. (aargauerzeitung.ch)
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