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Dans la tempête géopolitique, la voie bilatérale reste la seule option sérieuse pour la Suisse,
Roger Nordmann betont die Wichtigkeit der Bilateralen angesichts der globalen geopolitischen Spannungen.Image: watson
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Zwischen China und den USA – diese 2 grossen Vorteile haben die Schweiz und Europa

Der chinesische Druck, die amerikanische Unbeständigkeit und der Aufstieg des Populismus zeigen, wie dringlich es für die Schweiz und Europa ist, ihre gemeinsamen Werte zu sichern.
16.11.2025, 10:3316.11.2025, 10:33
Roger nordmann

Oft liest man, dass das Schicksal der Welt von der grossen wirtschaftlichen, militärischen und geostrategischen Rivalität zwischen China und den USA beherrscht wird. Kürzlich wurde diese Rivalität folgendermassen dargestellt: China würde zu einem elektrotechnischen Staat werden, der sein gesamtes Wirtschaftssystem auf Elektrizität aufbaut – dank seiner Batterien, Mikroprozessoren, Solarpanels und Windenergie (und nebenbei seiner Kernenergie). Wind- und Photovoltaik machen 2024 bereits 18,1 Prozent der chinesischen Stromproduktion aus, die Atomenergie deckt 4,4 Prozent, der Anteil ist leicht steigend.

Die Vereinigten Staaten hingegen würden zurückfallen und zu einem einfachen Erdölstaat verkommen. Auch wenn der Öl-Aspekt dieser Analyse wahrscheinlich Donald Trumps Wunschdenken widerspiegelt, entspricht er zum Glück nicht ganz der Realität: Die CO₂-Emissionen der USA gehen seit 2007 kontinuierlich zurück. Und was die Entwicklung von Software, künstlicher Intelligenz und hochleistungsfähigen Mikroprozessoren betrifft, liegen die Vereinigten Staaten weiterhin an der Spitze.

Dagegen ist der Niedergang der amerikanischen Demokratie besorgniserregend. Die absurde Wirtschaftspolitik Trumps könnte zudem dazu führen, den Dollar zu entwerten und das exorbitante Privileg zu verlieren, sich vom Rest der Welt praktisch nach Belieben und nahezu kostenlos Geld leihen zu können. Ein Privileg, das den Amerikanern seit den Bretton-Woods-Abkommen ermöglicht hat, ihre weltweite wirtschaftliche Dominanz abzustützen.

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Jeden Sonntagmorgen lädt watson Persönlichkeiten aus der Romandie ein, um aktuelle Ereignisse zu kommentieren oder ein Thema ins Licht zu rücken, das sonst zu wenig Beachtung findet.

Mit dabei: Nicolas Feuz (Schriftsteller), Anne Challandes (Schweizer Bauernverband), Roger Nordmann (Berater, ehem. SP-Nationalrat), Damien Cottier (FDP), Céline Weber (GLP), Karin Perraudin (Groupe Mutuel, ehem. CVP), Samuel Bendahan (SP) und die QoQa-Otte.

Und auch wenn China seinen industriellen Wandel dank aggressiver Planung, enormer Bildungsanstrengungen, staatlicher Kapitalmittel, erbittertem Wettbewerb und Handelsdumping brillant gemeistert hat, leidet es dennoch unter ernsten anderen Problemen, allen voran der Demografie.

Nach zwei Generationen der Ein-Kind-Politik geht die Geburtenzahl weiterhin stark zurück. Die Bevölkerung schrumpft sehr schnell, und laut demografischen Prognosen wird sie von einem Höchststand von 1,45 Milliarden Einwohnern im Jahr 2020 auf 600 Millionen im Jahr 2100 sinken. Allein in den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Erwerbstätigen um fast 100 Millionen zurückgehen!

In einem repressiven und freiheitsfeindlichen Regime wird zunehmender wirtschaftlicher Wohlstand die Frauen nicht davon überzeugen, mehr Kinder zu bekommen. Innovation beschränkt sich nicht nur auf die Technik. Es braucht auch gesellschaftliche Innovation, um die Menschen glücklich zu machen – und vor allem Freiheit. Etwas, das das chinesische Regime nicht bieten kann.

Zwischen diesen beiden Kolossen stellt sich die Frage – was wird aus Europa? Könnten wir aufgerieben, gar zermalmt, werden?

Zum Glück verfügt Europa auch über besondere Stärken und ein erhebliches Potenzial. Die Europäische Union, ihre Mitgliedstaaten und enge Verbündete wie die Schweiz oder Norwegen besitzen eine gefestigte demokratische Kultur, eine freiheitsbewusste Bevölkerung und ein ausgeprägtes Solidaritätsgefühl. Ihre Bevölkerung ist recht gut ausgebildet und oft mehrsprachig.

Demografisch verfügt Europa über zwei wichtige Vorteile:

  • Einerseits ist die Geburtenrate nicht so niedrig wie in China.
  • Andererseits verfügt sie über eine lange Tradition der schrittweisen Integration von Migration.

Ein Vorteil, den China nicht hat, um seine Bevölkerung zu verjüngen, da die Sprachbarriere nur sehr schwer zu überwinden ist.

Die Schweiz zeigt deutlich, welchen Vorteil es bedeutet, ein Einwanderungsland zu sein: Wie der Demograf Manuel Buchmann gegenüber dem Tagesanzeiger darlegt, würde bei einem vollständigen Stopp der Zuwanderung die Bevölkerung der Schweiz bis 2075 um die Hälfte schrumpfen!

Europa, ebenso wie die Schweiz, ist es gewohnt, mit begrenzten natürlichen Ressourcen und Raum umzugehen. Die Europäische Union ist führend im Kampf gegen die Erderwärmung und macht Fortschritte in den Bereichen Materialrecycling und Kreislaufwirtschaft. Ihre Wirtschaft ist daher weniger anfällig für die Erschöpfung natürlicher Ressourcen. Sie hat sich insbesondere bereits weitgehend von fossilen Energien gelöst, auch wenn noch ein langer Weg vor ihr liegt.

Diese 4 Herausforderungen gibt es

Um nicht zwischen China und den USA zermalmt zu werden, darf sich unser Kontinent nicht nur auf seine Stärken verlassen. Meiner Ansicht nach ist es im Gegenteil notwendig, mehrere Herausforderungen bereits jetzt anzugehen:

  • Die erste Herausforderung besteht darin, die eigene Industrie vor chinesischem Dumping zu schützen und sie zu ermutigen, die Herausforderungen von morgen anzunehmen – auch durch Finanzierung. Ein naiver Freihandel mit China fördert die Innovation in unserer Industrie nicht, sondern zerstört sie. Denn diese erfordert erhebliche Investitionen und lange Zeiträume. Das zwingt zu langfristigem Engagement, fernab der kurzfristigen Logik des ‚Shareholder Value‘, die die neoliberale Ära dominierte. Im Grossen und Ganzen hat der Draghi-Bericht den Weg aufgezeigt.
  • Die zweite Herausforderung besteht darin, stärker in gross angelegte digitale Lösungen und künstliche Intelligenz vorzudringen. Dies erfordert nicht nur Investitionen, sondern auch den Schutz des europäischen Raums durch klare Regeln, um die Ausbeutung dieses Raums durch die amerikanischen GAFAMs (die 5 US-Tech-Giganten Google, Apple, Facebook (jetzt Meta), Amazon und Microsoft) und ihre chinesischen Pendants zu stoppen.
  • Die dritte Herausforderung besteht leider darin, die eigenen defensiven militärischen Fähigkeiten wirksam zu stärken. Angesichts der russischen Aggressivität, unterstützt durch die chinesische Logistik, bleibt kaum eine Wahl – vor dem Hintergrund, dass die USA täglich an Zuverlässigkeit verlieren.
  • Die vierte Herausforderung besteht darin, sich gegen die zerstörerische populistische Welle zu schützen, die unsere Institutionen und unsere demokratische Kultur angreift und eine morbide Faszination für autoritäre Regime und Oligarchen zeigt. Sollte diese toxische Welle die Oberhand gewinnen, würden wir einen unserer wichtigsten Vorteile verlieren. Europa ist zudem ständig Ziel chinesisch-russischer Desinformationskampagnen.

Die Schweiz ist nicht besser vor Populismus geschützt als der Rest des Kontinents. Es genügt, die pro-chinesische und anti-schweizerische Kampagne des ehemaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer zu beobachten, um sich davon zu überzeugen. Hat er sich nicht kürzlich bei einer Militärparade in Peking in Szene gesetzt? Und hat er nicht erst vor Kurzem, so berichtet der Tagesanzeiger, erklärt, dass ihn die Idee einer Abspaltung von der Zentral- und Ostschweiz sowie dem Tessin durchaus reizt?

Die Herausforderungen sind also erheblich, und die Schweiz hat ein grosses Interesse daran, in Europa an vorderster Front zu stehen, um sie zu meistern.

In diesem Sinne muss es erste Priorität sein, den bilateralen Weg mit der EU zu festigen, wie es der Bundesrat vorschlägt.

Roger Nordmann
ist strategischer Berater und ehemaliger Präsident der Sozialistischen Fraktion in den eidgenössischen Räten. Aus Lausanne stammend, hat er drei Bücher über Klima und Energie veröffentlicht und war 20 Jahre lang Nationalrat für die SP.
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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jackie055
16.11.2025 12:07registriert August 2025
Europa ist die letzte grosse Hoffnung, freiheitliche und demokratische Werte zu schützen. Gerade wir Schweizer sollten doch erkennen, dass wir heute genauso eine Schicksaalsgemeinschaft sind, wie es die alten Eidgenossen anno dazumal waren und dass wir nur bestehen können, wenn wir zusammenstehen.
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