Ein Thema stört die traute Einigkeit, wenn die Demokraten diese Woche in Chicago, Illinois, zu ihrem Wahlparteitag zusammenkommen: Der anhaltende Krieg in Gaza.
Am Montag strömten Hunderte von Demonstrantinnen und Demonstranten durch die engen Strassenzüge direkt bei der Sportarena United Center, wo sich die Parteidelegierten bis am Donnerstag treffen. Organisiert von einer Koalition propalästinensischer und linker Organisationen, setzten sich die Aktivistinnen und Aktivisten für einen Waffenstillstand ein.
Auch forderten sie ein sofortiges Ende der amerikanischen Unterstützung für die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu - und zwar sowohl der militärischen als auch der zivilen. Hatem Abudayyeh, ein Sprecher des Organisationskomitees, bezichtigte Israel des Genozids an der palästinensischen Zivilbevölkerung.
Ein Grossaufgebot der Chicagoer Stadtpolizei beobachtete das bunte Treiben mit Argusaugen. Vorerst blieben die Proteste aber friedlich. Abudayyeh hatte zuvor vor Provokateuren gewarnt, die unbedingt Unruhen schüren wollten. Auch hatte er sich in scharfen Worten von den Versuchen der Stadtbehörden distanziert, die Demonstration räumlich zu begrenzen. Allerdings blieb die Teilnehmerzahl vorerst deutlich unter den Erwartungen.
Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, befand sich zum Zeitpunkt des Protestzugs nicht im United Center. Dennoch zeigten sich einige Aktivisten im Gespräch überzeugt davon, dass sie ein offenes Ohr für die Anliegen der Demonstranten habe. «Mit meinen Steuergeldern töten wir Babies in Gaza», sagte ein älterer Mann, der sich mit dem Vornamen Steve vorstellte. «Das muss umgehend ein Ende haben.»
Natürlich werde auch eine Präsidentin Harris, sofern sie denn im November gewählt würde, die Allianz zwischen Washington und Jerusalem nicht einfach aufkündigen. Aber wenn die Strasse Druck auf sie ausübe, dann falle ihr vielleicht eine Kurskorrektur leichter. «Ich glaube, sie würde dies begrüssen», sagte Steve.
Andere Stimmen rechnen aber nicht damit, dass eine Präsidentin Harris sich von der Israel-Politik von Joe Biden distanzieren würde. Harris sei eine der engsten Beraterinnen des Präsidenten, sagte am Montag Suzi LeVine, unter dem demokratischen Präsidenten Barack Obama die amerikanische Botschafterin in der Schweiz. Ihrer Meinung nach würde sich damit am aussenpolitischen Kurs des Weissen Hauses nichts ändern, sollte Harris im November die Wahl gewinnen.
Im Gespräch mit CH Media betonte LeVine aber auch, dass Harris eine gute Zuhörerin sei. Auch finde sie jeweils die richtigen Worte, um über das humanitäre Drama zu sprechen, das sich in den vergangenen Monaten in Israel und im Gazastreifen abgespielt habe. «Für mich ist das enorm wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, dass es hier um Menschen geht», sagte LeVine.
Harris selbst hat es bisher vermieden, ausführlich über ihre Israel-Politik zu sprechen. An einer Kundgebung wies sie einen Zwischenrufer aber kürzlich darauf hin, dass die Demokraten die kommende Wahl nur gewinnen würden, wenn sie Einigkeit demonstrierten.
Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass Harris den propalästinensischen Delegierten der Demokraten - rund 30 an der Zahl - am Parteitag Redezeit einräumen wird. Vielleicht ist deshalb auch mit Protesten im United Center zu rechnen. Der Delegierte Abbas Alawieh aus Dearborn (Michigan) sagte am Montag an einer Pressekonferenz: «Wir können nicht länger warten.» (aargauerzeitung.ch)