Rudy Giuliani ist sich seiner Sache sicher. Wenn in der Ukraine-Affäre, die Washington derzeit in Atem hält, das letzte Wort gesprochen ist, dann wird er «als Held» gefeiert werden: Als «legitimer Whistleblower», der eine «massive» Affäre aufgedeckt hat. Wer dies anders sieht, der sei «ein Trottel».
Selbst Giulianis Verbündeten fällt es allerdings zunehmend schwer, den Überblick über die Erzählstränge des 75-Jährigen zu behalten. Am Donnerstag wurde er auf dem «Fox News Channel» gefragt, für wen er eigentlich tätig sei. Er sei der persönliche Anwalt von Präsident Donald Trump, antwortete Giuliani. Er wolle seinen Klienten entlasten. Im Zuge dieser Arbeit sei er über den eigentlichen Ukraine-Skandal gestolpert – nämlich die vermeintliche Tatsache, dass sich die Familie von Präsidentschaftsbewerber Joe Biden in der Ukraine die Taschen gefüllt habe, als der Demokrat als Nummer zwei in der Regierung von Präsident Barack Obama tätig war.
Things are going swimmingly on Fox News right now pic.twitter.com/GLRKXUIG0y
— Justin Baragona (@justinbaragona) September 25, 2019
Giuliani scheute keinen Aufwand, seine Theorie über die vermeintlich korrupten Machenschaften Bidens zu beweisen. Der New Yorker stand in Kontakt mit Staatsanwälten in der Ukraine, die ihn mit Informationen fütterten – auch weil sie wussten, dass Giuliani einen direkten Draht zum US-Präsidenten besitzt – und dass eine Kooperation mit dem Trump-Anwalt ihre innenpolitische Position stärken könnte.
Während Reisen nach Paris oder Warschau sammelte Giuliani Beweise, die sein Klient einsetzen könnte, um die Wahl 2020 zu gewinnen. Warum er denn seine Erkenntnisse nicht der Bundespolizei FBI mitgeteilt habe, wollte eine Moderatorin wissen. Die Antwort Giulianis: Weil das FBI von Menschen unterwandert sei, die dem Präsidenten kritisch gegenüberstünden und deshalb kein Interesse an einer Untersuchung hätten, die Trumps Gegner schwächen könnte.
Das ist eine atemberaubende Aussage für einen Mann, der berühmt wurde, weil er als New Yorker Staatsanwalt – also als Angestellter des Justizministeriums, dem auch das FBI unterstellt ist – hart und unerbittlich gegen Kriminelle vorging. In dieser Rolle, die er in den Achtzigerjahren ausübte, brachte er unter anderem führende Mafiosi vor Gericht.
In seiner zweiten Karriere, die 1989 mit einer Niederlage bei der Stadtpräsidentenwahl begann, präsentierte sich der Republikaner als furchtloser Kritiker des Status quo. Nachdem es ihm 1993 gelungen war, an die Spitze der grössten Stadt Amerikas gewählt zu werden, räumte er in New York auf; auch dank seiner Unterstützung gelang es der Stadtpolizei, die Gewaltwelle unter Kontrolle zu bringen.
Weltweit berühmt wurde Giuliani am 11. September 2001: In den chaotischen Stunden nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center gelang es Giuliani, Panik zu vermeiden. «America’s Mayor» wurde er fortan genannt. 2008 trat er bei der Präsidentenwahl an, scheiterte aber in den republikanischen Vorwahlen kläglich. Daraufhin verschwand er politisch in der Versenkung – bevor er dank seinem alten Bekannten Donald Trump ein Comeback gab, das viel zu reden gibt.