Auffällig war die amerikanische Politikerin schon lange, nicht zuletzt aufgrund ihres ungewöhnlichen Vornamens. Nun gibt es an Kamala Harris, 59 Jahre alt, aber kein Vorbeikommen mehr – sie ist die designierte Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.
Als Korrespondent in Washington verfolge ich die Karriere der Kalifornierin seit zehn Jahren mit. Sechs Gedanken zur Vizepräsidentin, die Joe Biden ablösen will.
Die Videos sind plötzlich überall. Kamala tanzt. Kamala zitiert den Text eines bekannten Popsongs. Kamala amüsiert sich. Und der Kontrast zum Amtsinhaber Joe Biden, bei dem man immer wieder Angst vor einem Fehltritt haben musste, könnte grösser nicht sein. Harris ist eine Politikerin, die Energie versprühen kann, und damit auch das junge Fussvolk der Demokraten motiviert. Ich erinnere mich an einen Auftritt von Harris im Frühjahr 2019, als sie sich erstmals um die Nominierung zur demokratischen Präsidentschaftskandidatin bemühte. Sie sprach in Iowa vor Hunderten von Zuschauern und stellte sich als die Kandidatin vor, die am besten geeignet sei, Donald Trump zu besiegen. Dafür erntete sie tosenden Applaus.
Von diesem Auftritt ist mir aber auch der Abgang von Harris in Erinnerung geblieben. Er war abrupt und liess das Publikum etwas enttäuscht zurück. Andere Politikerinnen und Politiker – Biden in seinen jüngeren Jahren zum Beispiel – wenden viel Zeit auf, um Hände zu schütteln oder Fotos mit Wählern zu knipsen. Harris aber scheint diesen Teil ihres Jobs nicht sonderlich zu schätzen. Kürzlich, nach einem Auftritt der Vizepräsidentin in North Carolina, warteten einige Dutzend Menschen auf sie. Allesamt waren sie Fans von Harris, die ihr gratulieren und vielleicht auch ein Erinnerungsbild schiessen wollten. Doch die Demokratin war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf dem Weg zum Flughafen.
Interessant an diesem Auftritt, der kurz vor der Reise der Vizepräsidentin in die Schweiz stattfand, war auch noch ein anderer Aspekt. Im Publikum wimmelte es von dunkelhäutigen Frauen, die Kleidungsstücke mit aufgedruckten griechischen Buchstaben trugen. Die Erklärung dafür: Harris ist seit ihren Studien an Hochschulen in Washington und San Francisco Mitglied von «Alpha Kappa Alpha», einer 1908 gegründeten Studentinnenverbindung für schwarze Frauen. Diese «Sororities» sind gut organisiert und könnten im Schlussspurt auf das Weisse Haus eine wichtige Rolle spielen. Schliesslich sind erfolgreiche Wahlkämpfe darauf angewiesen, dass Aktivistinnen und Aktivisten in ihrem Umfeld Werbung machen. Aktuell jedenfalls sind gewisse Bevölkerungskreise euphorisch darüber, dass mit Harris eine Frau mit Wurzeln in Indien und in der Karibik die Präsidentenwahl gewinnen könnte.
In Washington gilt Harris als furchtbare Chefin: Sie sei im persönlichen Umgang grob, heisst es, und verlange von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Unmögliches. Viele Beraterinnen der Senatorin und Vizepräsidentin halten es deshalb jeweils nicht lange an ihrer Seite aus. In der Öffentlichkeit ist von dieser Seite Harris' wenig zu sehen. Bei ihren Auftritten fällt vielmehr auf, dass sie manchmal übermässig gut vorbereitet wirkt. So spricht sie häufig in Schachtelsätzen, als wolle sie keines der einstudierten Schlagworte vergessen. In North Carolina, wo sie vor einigen Hunderten Menschen an einer «moderierten Konversation» teilnahm, verlor das Publikum wiederholt das Interesse an ihren Ausschweifungen.
Und weil Harris immer wieder den Eindruck erweckt, sie wolle niemanden verärgern, hat sie ein unscharfes politisches Profil. So setzte sie sich im Wahlkampf 2020 zuerst für die Verstaatlichung sämtlicher Krankenkassen ein; dann aber krebste sie zurück. Auch tat sie sich damals schwer mit ihrem Image als knallharte Staatsanwältin, die auch viele dunkelhäutige Menschen hinter Gitter gebracht hatte.
Seit ihrer Wahl zur Vizepräsidentin ordnete sich Harris fast vollständig Präsident Joe Biden unter, der die Richtlinien seiner Regierung vorgibt. Sie verortet sich politisch aber immer noch links des 81-Jährigen. Das könnte sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche sein. Zum Beispiel kann Harris im Streit um die Verschärfung der Abtreibungsgesetze die Position der Demokraten besser vertreten als der alte Präsident. Andererseits muss sie aufpassen, dass sie damit die Mehrheitsmeinung nicht vergisst. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner würden eine Fristenlösung bevorzugen, aber keine vollständige Freigabe von Abtreibungen.
Weil die Politikberichterstattung in den USA häufig mit Schablonen und Klischees operiert, galt Kamala Harris zu Beginn ihrer Karriere als die weibliche Version von Barack Obama. Das ist sie aber nicht, aus ganz vielen Gründen. So besitzt sie weniger rhetorisches Talent als der Ex-Präsident. Aber das muss nicht schlecht sein. Obama neigte zu luftigen Ankündigungen, die er dann nicht umsetzen konnte. Harris kann, auch dank ihres Erfahrungsschatzes, die Realpolitikerin geben. Das trifft vielleicht den Zeitgeist, sehnen sich doch viele Amerikanerinnen und Amerikaner nach Politikern, die nicht den Scharfmacher geben. (aargauerzeitung.ch)
Das Rastlose und ihre Energie gefällt mir eigentlich ganz gut. Ich halte es durchaus für möglich, dass wenn sie von der Kette (Vize) gelassen wird, sie eine gute Präsidentin wird. Für alle Amerikaner.
Als Justizministerin hat sie Schwarze und Weisse gleichermassen hinter Gitter gebracht. Was für sie spricht.
Ich hoffe auf Fernsehdebatten Harris vs. Trump. Die Szene, wenn sie auf die Bühne springt.. 😎