Innerhalb kurzer Zeit sind zwei Flugzeuge des Typs Boeing 737 MAX abgestürzt. Rund 350 Menschen kamen bei den Unglücken ums Leben. Wie aus verschiedenen Medienberichten bekannt wurde, beschäftigt sich die US-Regierung seit Oktober mit dem ersten Absturz.
Das Verkehrsministerium untersuche dabei die Frage, ob die US-Flugaufsicht Federal Aviation Administration (FAA) geeignete Standards und Analysen bei der Zulassung des neuen Kontrollsystems MCAS genutzt habe.
Dieses soll verhindern, dass der Schub der Triebwerke im Steigflug derart stark wird, dass sich die Maschine nicht mehr gerade ausrichten lässt. Bei beiden Vorfällen wurden nach dem Start äusserst unregelmässige Flugkurven festgestellt.
Die «Seattle Times» berichtet nun Brisantes: 2015 wollte Boeing seine neue Maschine möglichst rasch zertifizieren lassen. Die zuständige FAA ist ihrer Pflicht offenbar nicht nachgekommen und hat den Ingenieuren von Boeing teilweise die Verantwortung für die Testes des Kontrollsystems übertragen.
In anderen Worten: Boeing kontrollierte sich selber. Die Analysen würden aber erhebliche Mängel aufweisen – die Flugaufsicht hat dies aber nicht geprüft. Gegenüber der Zeitung haben sich derzeitige und ehemalige Ingenieure von Boeing zum Sicherheitsbericht des MCAS geäussert. Sie wollten anonym bleiben.
Laut «Seattle Times» hat die FAA Boeing über die Jahre immer mehr Befugnisse übertragen. Bei der Zertifizierung der späteren Unglücksmaschine wurden die Aufgaben geteilt. Mehrere Techniker der Flugaufsicht geben an, dabei von ihren Managern unter Druck gesetzt worden zu sein, damit die Maschine möglichst schnell zugelassen werde.
«Es gab keine vollständige und ordnungsgemässe Überprüfung der Dokumente», sagte ein ehemalige Ingenieur. Wichtig war offenbar nur, dass man im Zeitplan nicht weiter zurückfällt. Denn: Die Entwicklung des MAX war bereits neun Monate hinter dem Konkurrenten Airbus A320neo im Rückstand.
Und wenn eine weitere Deadline anrückte, sollen die Manager die Sicherheitsdokumente auch mal schnell selber unterschrieben haben – anstelle der technischen Experten.
Das Kontrollsystem MCAS wurde eigentlich so programmiert, dass es sich nur in extremen Situationen einschaltet. Bei beiden Abstürzen wird aber vermutet, dass die Software massgeblich zum Unglück beigetragen hat. Man geht davon aus, dass die Piloten das System nicht rechtzeitig deaktivieren konnten, obwohl der Hersteller wiederholt betont hat, dass dies möglich sei.
Boeing selber preist seinen neusten Flieger mit erheblichen Kostenvorteilen an. Airlines können angeblich «mit einer 737 MAX-Flotte Millionen von Dollar sparen». Der Verdacht liegt jetzt aber nahe, dass vor allem der Hersteller von Einsparungen profitieren wollte.
Denn: Boeing sah es nicht als Notwendigkeit an, Piloten für das neue System zu schulen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die meisten Kapitäne davon nichts wussten – auch im Pilotenhandbuch soll das MCAS nicht vermerkt sein.
Dennis Tajer, Sprecher der Allied Pilots Association von American Airlines, hat bereits Erfahrung mit der Boeing 737 MAX. Er steuerte auch das Vorgängermodell 737 NG. Tajer sagt, er habe das Training für die neue Maschine während rund einer Stunde auf einem iPad absolviert. Flugsimulatoren kamen nicht zum Einsatz.
Weltweit wurden mehr als 5000 Flugzeuge vom Typ 737 MAX bestellt. Ohne Kurse und Trainings kann Boeing also eine ganze Menge Geld sparen. (vom mit Material von sda/reu/afp)
Airbus wirds freuen.