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USA

Anklage gegen Trump – der Sonderermittler und das empörte Trump-Lage

FILE - President Donald Trump pumps his fist after speaking in the East Room of the White House, early Wednesday, Nov. 4, 2020, in Washington. (AP Photo/Evan Vucci)
Donald Trump
Bild: keystone

Anklage Nummer drei gegen Trump – der Sonderermittler und das empörte Trump-Lager

Der Sonderermittler Jack Smith klagt den Ex-Präsidenten Donald Trump in vier Anklagepunkten an. Er beschuldigt den Republikaner, mit einem Schwall von Lügen das Resultat der Präsidentenwahl 2020 umstossen zu wollen. Das Trump-Lager reagiert empört.
02.08.2023, 06:49
Renzo Ruf, Washington / ch media
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Der Sonderermittler hatte es eilig. Nicht einmal drei Minuten dauerte am Dienstag die Stellungnahme, die Jack Smith in Washington abgab. Und dennoch schrieb der Sonderermittler, eingesetzt von Justizminister Merrick Garland, mit seiner kurzen Wortmeldung Geschichte. Er gab nämlich die erste Anklageerhebung gegen einen Präsidenten der USA im Zusammenhang mit seinen Amtshandlungen bekannt.

Die 45 Seiten zählende Anklageschrift, die zuvor von einer Grand Jury genehmigt worden war, dreht sich um die dramatischen Ereignisse im Herbst und Winter 2020. Nachdem Trump das direkte Duell gegen seinen Kontrahenten Joe Biden verloren hatte, versuchte der Republikaner mit allen Mitteln, das Resultat der Präsidentenwahl noch zu kippen. Dies alles mündete in den Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021, als gewalttätige Demonstranten versuchten, die Beglaubigung des Wahlsiegs von Biden in letzter Minute zu stoppen.

epa10780563 Special Counsel Jack Smith leaves after speaking to the media following the Department of Justice's indictment of former president Donald Trump on four felony counts regarding his rol ...
Jack Smith mit der Anklageschrift.Bild: keystone

Der Sonderermittler sagt nun: Wie jeder andere Amerikaner habe auch Trump das Recht, «fälschlicherweise» zu behaupten, dass er eine verlorene Wahl gewonnen habe – auch wenn Smith behauptet, dass der Ex-Präsident gewusst habe, dass er Lügen verbreite. Strafbar aber habe sich der Präsident gemacht, als er bei den Versuchen, das Resultat der Präsidentenwahl 2020 zu kippen, den Staatsapparat eingespannt habe. Gemeinsam mit sechs Mitverschwörern, die namentlich in der Anklageschrift nicht genannt werden, habe Trump die Gewalt in der Hauptstadt in Kauf genommen.

Das Trump-Lager zieht Vergleich zu Nazi-Deutschland

Mit dieser Formulierung wollte Smith wohl seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Dieser Versuch allerdings scheiterte. Umgehend beschuldigten ihn am Dienstag namhafte Stimmen aus dem Trump-Lager, er kriminalisiere politische Meinungsäusserungen. Damit verstosse der Sonderermittler gegen die in der Verfassung verankerte Redefreiheit, ein Grundrecht, das in den USA hochgehalten wird. In einer schriftlichen Stellungnahme zog das Trump-Wahlkampfteam gar Vergleiche zu Nazi-Deutschland «in den Dreissigerjahren» und der Sowjetunion.

Ein weiterer Vorwurf des Trump-Lagers: Das Justizministerium von Joe Biden versuche, den wohl stärksten Konkurrenten in der Präsidentenwahl 2024 aus dem Verkehr zu ziehen. Biden wolle Trump in einem Gerichtssaal sehen und nicht im Wahlkampf, sagte Trumps John Lauro dem Fernsehsender «Fox News Channel». Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene wiederum sprach in diesem Zusammenhang von «Wahleinmischung» durch die Regierung. Auch wolle Biden von den Korruptionsvorwürfen gegen ihn und seinen Sohn Hunter ablenken, die von republikanischen Politikern seit Monaten erhoben werden. So behauptete der einflussreiche Volksvertreter James Comer: «Es gibt viel mehr Beweise dafür, dass Joe Biden Verbrechen begangen hat. Das ist ein Fakt.»

Für diese wilden Unterstellungen gibt es keine Beweise. Zutreffend allerdings ist, dass die Anklageschrift zwar einen guten Überblick gibt über die Versuche des Trump-Lagers, eine verlorene Wahl noch zu gewinnen. Aber der Sonderermittler verzichtete darauf, neue Beweise für seine Anschuldigungen vorzulegen.

Ein Beispiel bloss: Smith beschreibt ausführlich die Druckversuche Trumps auf Mike Pence. Der Präsident schien der Meinung zu sein, dass der Vizepräsident das unilaterale Recht besitze, die Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden am 6. Januar 2021 zu stoppen. Als Pence ihm versicherte, dass eine solche Intervention gegen die Verfassung verstossen würde, soll Trump ihm am 1. Januar 2021 gesagt haben: «Du bist zu ehrlich.»

Dieses Zitat aber ist nicht neu. Es stand bereits auf Seite 446 in den Memoiren von Pence, die der ehemalige Vizepräsident und heutige Präsidentschaftskandidat im vorigen November publizierte.

Der Sonderermittler kündigte in seiner Stellungnahme einen schnellen Prozess an. Weil Trump sich allerdings bereits mit zwei weiteren Strafverfahren konfrontiert sieht – in New York und Florida -, wird dies wohl nicht ganz so einfach sein. Die erste Anhörung in diesem Verfahren ist auf den Donnerstag angesetzt.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schso
02.08.2023 07:43registriert April 2017
Der Tanz geht weiter. Aber ob Trump für seine Vergehen wirklich belangt wird, glaube ich erst, wenn ich es sehe.
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Chrisbe
02.08.2023 07:23registriert Oktober 2019
Mal schauen, ob vor dem Gesetz wirklich alle gleich sind...
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Unicron
02.08.2023 07:12registriert November 2016
«Es gibt viel mehr Beweise dafür, dass Joe Biden Verbrechen begangen hat. Das ist ein Fakt.»

Und trotzdem zeigen sie keinen einzigen dieser Beweise.
Der Unterschied zwischen tatsächlichen und erfundenen Straftaten: die echten kommen vor Gericht (Trump) und die erfundenen nicht (Hillary), auch wenn man noch so oft und laut darüber spricht.
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