Die US-Regierung hat in den vergangenen Wochen Hunderte mutmassliche Bandenmitglieder in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador abgeschoben. Präsident Donald Trump erklärte, alle Abgeschobenen würden zur kriminellen Bande Tren de Aragua (TdA) gehören – und berief sich dabei auf ein Kriegsgesetz von 1798.
Einige Abgeschobenen seien aber aufgrund ihrer Tätowierungen fälschlicherweise als Mitglieder der TdA identifiziert worden, sagen die verantwortlichen Anwälte. Das Sicherheitsdepartement von Texas veröffentlichte nämlich eine Auflistung von Tätowierungen, welche auf die «Erkennung und Identifizierung von TdA-Mitgliedern» hinweisen sollen. Darunter ist aber auch die Tätowierung von Pete Belton aus Derbyshire, wie BBC berichtet.
Belton (44) war schockiert, als er seinen Unterarm in einem Dokument des Sicherheitsdepartements von Texas fand. Das Papier soll zur Identifizierung mutmasslicher Mitglieder der TdA dienen. Belton selbst habe aber überhaupt keine Verbindung zur kriminellen Organisation, wie er gegenüber «BBC» sagt:
Belton sagte, es «sei ein bisschen seltsam, ein bisschen lustig am Anfang» gewesen. Aber jetzt sei er besorgt: Er habe eine Familienreise mit seiner Frau und seiner Tochter im August nach Miami gebucht. Jetzt hoffe er einfach, dass die Ferien nicht in einem «sechsmonatigen All-inclusive-Urlaub in Guantánamo» enden, wie er sagt.
Die Tätowierung von Belton, die ihn auf die ominöse Liste brachte? Ein Ziffernblatt mit dem Datum und der Uhrzeit der Geburt seiner Tochter.
Das Bild der Tätowierung im DPS-Dokument ist von schlechterer Qualität als der Instagram-Post des Tätowierers, der 2016 geteilt wurde. Aber es ist eindeutig: Es handelt sich um dasselbe Foto.
BBC fragte sowohl das US-DHS als auch das texanische DPS nach der Quelle der Bilder, erhielt jedoch keine Antwort. In einer E-Mail teilte das DHS jedoch mit, dass es Vertrauen in die Erkenntnisse seiner Strafverfolgungsbehörden habe und dass seine «Einschätzungen weit über Tätowierungen von Bandenmitgliedern und soziale Medien» hinausgehen.
Es ist unklar, wie die Tätowierung von Belton in den US-Dokumenten gelandet ist. Den Post von 2016 hat der Tätowierer aus Nottingham gelöscht.
Andere Tätowierungen auf der Auflistung des Sicherheitsdepartements zeigen Sterne, Kronen und ein Michael-Jordan-Sprungmann-Logo. «Offenes Quellenmaterial zeigt TdA-Mitglieder mit einer Kombination der unten aufgeführten Tätowierungen», heisst es in dem Dokument, das in den Gerichtsakten erschien.
Andere Fälle erlangten auch mediale Aufmerksamkeit: So berichteten US-Medien etwa über einen Mann, der nach Angaben seiner Anwälte wegen einer Kronen-Tätowierung, die dem Logo des Fussballclubs Real Madrid nachempfunden war, abgeschoben wurde.
In einem anderen Fall berichtete der «Guardian», wie ein Maskenbildner nach El Salvador abgeschoben wurde. Seine Kronen-Tätowierung mit den Worten «Mama» und «Papa» seien von US-Behörden als Beweis für eine Bandenmitgliedschaft herangezogen worden, so seine Anwälte.
Die US-Regierung hätte aber niemanden allein aufgrund seiner Tätowierungen abgeschoben, wie ein Beamter der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) in einer Gerichtsakte erklärte.
Aus den Gerichtsunterlagen geht aber hervor, dass die Einwanderungsbehörden ein Punktesystem anwenden, bekannt als «Alien Enemy Validation Guide», um festzustellen, ob jemand mit der venezolanischen Bande in Verbindung steht.
Der Leitfaden enthält ein Punktesystem: Werden acht Punkte in einer Reihe von Kategorien erfüllt, sollen weitere Konsultationen durchgeführt werden, bevor jemand als TdA-Mitglied bezeichnet wird.
Die Hälfte dieser Punkte können aber schon vergeben werden, wenn «eine Person Tätowierungen hat, die auf eine Mitgliedschaft oder Loyalität zur TdA hinweisen», berichtet BBC.
Die venezolanische Journalistin Ronna Risquez, die ein Buch über die Ursprünge der TdA geschrieben hat, sagt:
Um wirklich festzustellen, ob eine Person Mitglied der TdA ist, müssen die Behörden eine polizeiliche Untersuchung auf eine mögliche Vorstrafe durchführen. Eine Tätowierung, Kleidung oder die Nationalität seien kein Beweis, so Risquez.
In Derbyshire sagt Pete Belton, dass seine Familie in Erwägung gezogen habe, ihre Reise in die USA wegen der potenziellen Risiken abzusagen. Man wolle zunächst die weitere Entwicklung der Geschichte verfolgen. «Hoffentlich erkennen sie jetzt, dass ich kein venezolanischer Gangster bin, aber ich habe in letzter Zeit verrücktere Dinge in den Nachrichten gesehen, also werden wir einfach abwarten», so Belton.
Die Willkür der Grenzpolizisten, die unter Trump enorm gestiegen ist, könnte ihm immer noch zum Verhängnis werden.