International
USA

US-Verschwörungstheoretiker Jones muss fast eine Millarde Dollar zahlen

US-Verschwörungstheoretiker muss 965 Millionen Dollar zahlen – der Fall in 5 Punkten

Der US-amerikanische Verschwörungstheoretiker Alex Jones wurde von einem Gericht zu einer hohen Schadenersatzzahlung verurteilt. Er hatte während Jahren Falschaussagen zum Sandy-Hook-Amoklauf verbreitet.
13.10.2022, 07:5113.10.2022, 09:38
Mehr «International»

Die Vorgeschichte

Alex Jones ist Gründer der rechten Webseite Infowars und hatte über Jahre behauptet, dass der Amoklauf im Dezember 2012 von Schauspielern inszeniert worden sei, ein «Schwindel der Regierung». Ein 20-Jähriger hatte in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut an der Ostküste 20 Schulkinder und sechs Lehrer erschossen.

Durch seine Behauptungen wurden Angehörige der Opfer über Jahre von Jones' Anhängern attackiert, online, aber auch im realen Leben. Nebst Beschimpfungen erhielten sie sogar Morddrohungen von fanatischen Anhängern des Verschwörungstheoretikers.

FILE - Infowars founder Alex Jones testifies at the Sandy Hook defamation damages trial at Connecticut Superior Court in Waterbury, Conn., on Thursday, Sept. 22, 2022. A six-person jury reached a verd ...
Verschwörungstheoretiker Alex Jones.Bild: keystone

Der 48-jährige Texaner hatte zudem immer wieder auch weitere Verschwörungstheorien verbreitet und zum Beispiel behauptet, dass die US-Regierung die Anschläge am 11. September 2001 in New York inszeniert habe. Weiter unterstützte er auch die Falschbehauptung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, dass dieser die Präsidentenwahl 2020 nur wegen massiven Wahlbetrugs verloren habe.

Auch vor dem Untersuchungsausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol musste Jones bereits aussagen, zudem wurde er bereits im August wegen Falschaussagen verurteilt und mussten den Eltern zweier Sandy-Hook-Opfer 50 Millionen Dollar bezahlen.

Wie lautet das Urteil?

Jones wurde nun umfassend verurteilt. Wegen seiner falschen Behauptungen muss er insgesamt 965 Millionen US-Dollar (knapp 963 Millionen Franken) an Hinterbliebene zahlen. Das entschied ein Gericht im US-Bundesstaat Connecticut am Mittwoch (Ortszeit), wie US-Medien übereinstimmend aus dem Gerichtssaal in Waterbury berichteten.

Die Klage war von Angehörigen von fünf Kindern und drei Lehrern eingereicht worden, die bei dem Massaker getötet wurden; sowie von einem FBI-Agenten, der zu den Ersthelfern am Tatort gehörte.

Die wegen Verleumdung festgesetzte Strafe von 965 Millionen US-Dollar ergibt sich laut US-Medien aus der Summe der Schadenszahlungen an die 15 Klägerinnen und Kläger. Die Geschworenen sprachen ihnen unterschiedliche Beträge zu und berücksichtigten dabei ihre Zeugenaussagen und andere vor Gericht vorgelegte Beweise.

Vor Gericht sagten Eltern und Geschwister der Opfer unter Tränen aus, wie sie jahrelang bedroht und belästigt worden seien – von Menschen, die den Lügen aus der Sendung des rechten Radiomoderators Jones glaubten. Fremde seien bei ihnen zu Hause aufgetaucht, um sie zu filmen. In den sozialen Medien seien sie mit beleidigenden Kommentaren überschüttet worden. Die Tochter der getöteten Schulleiterin, Erica Lafferty, etwa schilderte in dem Prozess, wie Fremde ihr Vergewaltigungsdrohungen schickten.

Wie reagieren die Angehörigen?

Die Familien und ihre Anwälte sassen in fassungslosem Schweigen da, als der Gerichtsschreiber nacheinander die Summen verlas, die jedem der 15 Kläger in dem Fall zugesprochen wurden. Nachdem das Urteil verkündet worden war, umarmten sie sich still und weinten.

Plaintiff William Sherlach, left, hugs attorney Josh Koskoff while plaintiff Nicole Hockley hugs attorney Chris Mattei following the jury verdict and reading of monetary damages in the Alex Jones defa ...
Erleichtert über das Urteil: Angehörige der Sandy-Hook-Opfer.Bild: keystone

Die Hinterbliebene Lafferty sagte nach der Entscheidung am Mittwoch, das Urteil mache ihr Hoffnung. «Es wird noch mehr Alex Jones' auf dieser Welt geben, aber was sie heute gelernt haben, ist, dass sie auf jeden Fall zur Rechenschaft gezogen werden.»

Wie reagiert Alex Jones?

Wer denkt, dass Jones sich nach dem Urteil reumütig zeigen würde, der hat sich getäuscht. Der 48-Jährige sieht sich mehr im Recht denn je.

«Ich habe bereits gesagt, dass es mir leid tut, und ich bin fertig damit, mich zu entschuldigen.»
Verschwörungstheoretiker Alex Jones

Er blieb der Verhandlung zu einem grossen Teil fern, sorgte aber erneut für Kopfschütteln, als er wortgewaltig erklärte, dass er keine Reue verspüre, wie die «New York Times» schreibt. «Ich habe bereits gesagt, dass es mir leid tut, und ich bin fertig damit, mich zu entschuldigen», sagte Jones.

Jones verkündete das Urteil der Geschworenen am Mittwoch per Livestream in seiner Infowars-Show. Dabei sagte er unter anderem: «Sie haben vertuscht, was wirklich passiert ist, und jetzt bin ich der Teufel.» Er sei sogar stolz darauf, so hart verurteilt zu werden.

Wie geht es nun weiter?

Wie viel Jones tatsächlich zahlen kann, ist unklar. Im April meldete die von ihm gegründete Webseite Insolvenz an. Wie die «New York Times» unter Berufung auf eine Expertenschätzung im August berichtet, beträgt der Wert seines Imperiums maximal 270 Millionen Dollar.

Allerdings habe Jones durch den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln, Überlebensausrüstung und Waffenzubehör ein jährliches Einkommen von über 50 Millionen Dollar erzielt. Der Texaner hatte zudem den Prozess im Sommer medienwirksam genutzt, um Spenden zu sammeln und seine Produkte zu bewerben.

Es wird erwartet, dass Jones gegen die Entscheidung vom Mittwoch vorgeht. Ende Jahr muss sich der 48-Jährige so oder so in einer weiteren Klage im Zusammenhang mit dem Schulmassaker nochmals vor Gericht verantworten. (con/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ex-Justizminister Trumps bezeichnet Wahllügen als «Blödsinn»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
56 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
insert_brain_here
13.10.2022 08:55registriert Oktober 2019
Opfer von Schulschiessereien bzw. deren Angehörige zu schikanieren gehört unterdessen zum Standardrepertoire der amerikanischen Rechten, Marjorie Taylor Green pöbelte z.B. einen Überlebenden des Parkland-Massakers an.
Skrupellosigkeit und Fehlen jeglichen Schamgefühls sind in diesen Kreisen Erfolgsfaktoren.
1114
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mr. Feinripp
13.10.2022 08:47registriert März 2022
Ich hoffe nur, dass die amerikanische Justiz auch die Möglichkeiten hat, an sein ganzes Vermögen zu kommen. Solange er noch in einem großen Haus lebt und mehr als 1 Auto besitzt, wurde nichts erreicht. Er bereut ja rein gar nichts.
902
Melden
Zum Kommentar
avatar
IchfragefüreinenFreund
13.10.2022 09:02registriert Juli 2020
Und er macht genaus weiter. Am Tag der Verkündung dieser Summen, die er zahlen soll, macht er schon wieder weiter auf seinem Kanal und verbreitet die gleichen Lügen immer weiter. Und seine Anhänger feiern ihn. Zitat: «Sie haben vertuscht, was wirklich passiert ist, und jetzt bin ich der Teufel.»
382
Melden
Zum Kommentar
56
    Um Stärke gegenüber Pakistan zu demonstrieren: Indiens Marine macht grosse Seeübung

    Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen mit Pakistan demonstriert Indien militärische Stärke. Die Marine unternehme derzeit ausgiebige Übungen im Arabischen Meer, sagte ein Sprecher der Seestreitkräfte. Ziel sei es, Kampfbereitschaft zu demonstrieren und die Fähigkeit, potenzielle Bedrohungen abzuschrecken.

    Zur Story