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US-Drogenkrieg: Eskaliert der Konflikt durch Angriff auf Kartellschiff?

epa12349446 United States President Donald J Trump gives remarks during a bilateral meeting with President Karol Nawrocki of the Republic of Poland (not pictured) in the Oval Office of the White House ...
Donald Trump kämpft an vielen Fronten. Die neueste: Drogenkartelle.Bild: keystone

US-Drogenkrieg: Eskaliert der Konflikt durch Angriff auf Kartellschiff?

Mit einem tödlichen Schlag gegen ein mutmassliches Kartellschiff haben die USA ein klares Signal gesetzt. Jetzt könnte der Konflikt zu einem Krieg eskalieren.
04.09.2025, 19:0704.09.2025, 19:07
Finn Michalski / t-online
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t-online

Nachdem die USA ein mutmassliches Kartellschiff des venezolanischen Kartells Tren de Aragua (TDA) zerstört hatten, äusserte sich Verteidigungsminister Pete Hegseth beim Nachrichtensender «Fox News» zur aktuellen Lage. Er kündigte an, die USA würden ihre tödlichen Schläge gegen Kartellangehörige fortsetzen, die die Karibik als Schmuggelroute nutzen. Er sagte:

«Es wird nicht bei diesem einen Schlag bleiben.»
Pete Hegseth
epa12347160 Pete Hegseth, US secretary of defence stands during an announcement in the Oval Office at the White House in Washington, DC, USA, 02 September 2025. US President Donald Trump is set to ann ...
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth.Bild: keystone

Der Angriff, bei dem elf Mitglieder des Kartells getötet wurden, sende ein «klares Zeichen» an die Drogenorganisationen. Jeder, der die Gewässer als Schmuggelroute benutze, müsse mit demselben Schicksal rechnen. Das TDA-Kartell stehe in enger Verbindung mit Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro.

Während die US-Regierung behauptet, er sei aktiv in die Entscheidungsprozesse des Kartells eingebunden, kommen US-Geheimdienste zu einem anderen Urteil: In einem im Frühjahr veröffentlichten Bericht heisst es, Maduro würde die Bande weder kontrollieren noch leite er sie.

Tödlicher Präzisionsschlag im Drogenkrieg

Bei dem Angriff handelte es sich um den ersten tödlichen Schlag im US-amerikanischen «Krieg gegen die Drogen», seit Trump Ende August Kriegsschiffe in die Region entsandt hat. Dabei wich man von der üblichen Praxis ab: Zwar bekämpft die Marine seit Jahren mutmassliche Drogenschiffe, diese werden jedoch normalerweise gestoppt, geentert und die Besatzung bei Tatverdacht verhaftet – nicht wie in diesem Fall durch einen militärischen Präzisionsschlag, ohne vorhergehende Massnahmen, ausgeschaltet.

Nun gibt es Befürchtungen, dass sich die Schläge der USA zu einem grösseren Krieg ausweiten könnten. Bereits im März hatte Trump das TDA-Kartell als ausländische Terrororganisation eingestuft. Im Juli folgte ein nicht veröffentlichtes Dekret, in dem der Präsident das Pentagon anwies, militärisch gegen als Terrororganisationen deklarierte Kartelle vorzugehen.

Auf die Frage, ob es das Ziel sei, Maduro zu stürzen und einen Regimewechsel herbeizuführen, verwies Hegseth darauf, dass eine solche Entscheidung im Verantwortungsbereich des Präsidenten läge. Zugleich betonte er, das Pentagon sei bereit, alle Befehle des Präsidenten umzusetzen. Man würde zwar bevorzugen, wenn Maduro eigenständig zurückträte, dennoch sei das US-Militär vorbereitet, eine präsidiale Entscheidung mit «allen Mitteln» umzusetzen, so Hegseth.

Übermacht gegen Drogenschiffe

Nach Angaben des auf Krieg und Konflikte spezialisierten Onlinemagazins «The War Zone» nehmen derzeit mindestens acht Kriegsschiffe mit Luftunterstützung und Landflugzeugen an der Operation teil. Dazu gehört die Iwo-Jima-Amphibious-Ready-Group – mit der USS San Antonio, der USS Iwo Jima und der USS Fort Lauderdale mit insgesamt 4'500 Matrosen an Bord – sowie die 22. Marine Expeditionary Unit mit 2'200 Marines.

Wie die «New York Times» berichtet, verglich ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums das Ungleichgewicht der Kräfte im Kampf gegen die Drogenschiffe vergangene Woche so: Es sei, als würde man «eine Haubitze zu einem Messerkampf mitbringen».

Ein US-Beamter mit direkter Kenntnis der Mission erklärte «The War Zone», die Operation sei zwar offiziell als Anti-Drogen-Einsatz deklariert, diene jedoch vor allem als direkte Botschaft an Maduro.

Dieser hatte vor zwei Wochen in Reaktion auf die von den USA in die Region entsendeten Kriegsschiffe rund 4,5 Millionen bewaffnete Kämpfer mobilisiert und geschworen, «Land und Luft und See» vor feindlichen Übergriffen schützen zu wollen. Maduro bezeichnet die US-Militärpräsenz in der Karibik als «grösste Bedrohung» seit einem Jahrhundert. Er warnte die USA vor einer Intervention in dem südamerikanischen Land und drohte im Falle eines Angriffs mit bewaffnetem Widerstand. Er sagt:

«Wenn Venezuela angegriffen würde, würden wir sofort zum bewaffneten Kampf zur Verteidigung unseres Territoriums übergehen.»
Nicolás Maduro
President Nicolas Maduro gives a press conference in Caracas, Venezuela, Monday, Sept. 1, 2025. (AP Photo/Ariana Cubillos)
Nicolas Maduro
Venezolanischer Präsident: Nicolás Maduro.Bild: keystone

Abgesehen von Trumps Äusserungen und Hegseths Treueschwur gegenüber jeglicher Entscheidung des Präsidenten, hält sich das Weisse Haus bislang bedeckt, was die konkreten Absichten der Operation angeht. Auf die Frage, ob die Regierung den Einsatz von Bodentruppen gegen Maduro plane, antwortete Pressesprecherin Karoline Leavitt lediglich, Maduro sei ein illegitimer Herrscher. Sie verwies auf eine Anklage aus dem Jahr 2020, in der der venezolanische Präsident des Drogenhandels beschuldigt wird.

Völkerrechtliche Bedenken an US-Angriffen

Die tödlichen Schläge der USA werfen zudem völkerrechtliche Fragen auf. Die BBC befragte mehrere Experten für internationales Recht und Seerecht, von denen einige zu dem Schluss kamen, die Vereinigten Staaten hätten möglicherweise gegen geltendes Recht verstossen. Nach der UN-Charta dürfen Staaten Gewalt anwenden, wenn sie angegriffen werden, und ihr Militär zur Selbstverteidigung einsetzen. Trump hatte dem Kartell zwar vorgeworfen, einen «irregulären Krieg» gegen die USA zu führen, und das Aussenministerium hatte es als Terrororganisation eingestuft.

Doch Prof. Michael Becker vom Trinity College Dublin erklärte BBC Verify, die US-Massnahmen dehnten «die Bedeutung des Begriffs über seine Grenzen hinaus». «Die Tatsache, dass US-Behörden die durch den Schlag getöteten Personen als Drogenterroristen bezeichnen, macht sie nicht zu rechtmässigen militärischen Zielen», sagte er.

«Die USA befinden sich weder in einem bewaffneten Konflikt mit Venezuela noch mit der kriminellen Organisation Tren de Aragua. Der Schlag scheint nicht nur gegen das Gewaltverbot verstossen zu haben, sondern auch gegen das Recht auf Leben nach internationalen Menschenrechtsnormen.»
Prof. Michael Becker

Mary Ellen O’Connell, Professorin an der juristischen Fakultät der University of Notre Dame, sagte BBC Verify, der Angriff habe «grundlegende Prinzipien des Völkerrechts verletzt». Vorsätzliches Töten ausserhalb bewaffneter Konflikte sei rechtswidrig, es sei denn, es diene der unmittelbaren Rettung eines Lebens. Eine Bedrohung der US-Bevölkerung durch Drogenimporte sei jedoch nicht als unmittelbar einzustufen und rechtfertige daher keine tödlichen Schläge.

Präsident Maduro und die venezolanische Regierung bezeichnen die US-Angriffe als «aussergerichtliche Hinrichtungen» und «illegalen Akt». Es seien elf Menschen «ohne ordnungsgemässes Verfahren ermordet» worden.

Der Angriff markiert damit eine neue Eskalationsstufe im von Washington erklärten «Krieg gegen die Drogen». Während die US-Regierung den Schlag als notwendige Massnahme gegen das Kartell versteht, warnen Experten vor gravierenden Verstössen gegen internationales Recht. Ob es bei einem einzelnen Präzedenzfall bleibt oder die Operation in einen offenen Konflikt mit Venezuela mündet, dürfte nun entscheidend davon abhängen, wie das Weisse Haus die nächsten Schritte ausgestaltet – und wie Maduro auf die Machtdemonstration der USA reagiert.

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Schlaf
04.09.2025 19:22registriert Oktober 2019
Auf die Frage, ob es das Ziel sei, Maduro zu stürzen und einen Regimewechsel herbeizuführen, verwies Hegseth darauf, dass eine solche Entscheidung im Verantwortungsbereich des Präsidenten läge.

Also ja.
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Joe Smith
04.09.2025 20:17registriert November 2017
«Völkerrechtliche ‹Bedenken›» … «die Vereinigten Staaten hätten ‹möglicherweise› gegen geltendes Recht verstossen» …
Warum traut sich niemand, das Offensichtliche klar und deutlich auszusprechen oder zu schreiben? Es war ein elffacher Mord, nicht mehr und nicht weniger. Egal, ob es Drogenschmuggler waren oder nicht.
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D.Enk-Zettel
04.09.2025 19:16registriert Oktober 2021
tja unter Dony`s Regentschaft existieren nur jene Gesetze, welche ihm genehm sind und wenn er sie selber machen muss. Die Staaten sind zu einem Irrenhaus verkommen.
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