Üblicherweise geht es in der Pressekonferenz, die US-Notenbankchef Jerome Powell im Anschluss an die Sitzungen der Federal Reserve gibt, darum, die Entscheidungen der Fed der Öffentlichkeit zu erklären. Doch am Mittwoch geriet Powells Auftritt zur Verteidigungsrede. Nach einem knappen «Guten Tag» in die Runde erklärte er, die Fed habe zwei Aufgaben – mit den Mitteln der Geldpolitik für Vollbeschäftigung und Preisstabilität im Land zu sorgen – «für das Wohl des amerikanischen Volkes».
Eine Erklärung, die er während der Konferenz mehrfach wiederholte. Obwohl es eigentlich um die Entscheidung ging, die Leitzinsen das dritte Mal in Folge unverändert bei 4,3 Prozent zu belassen, wurde der sichtlich angespannte Notenbankchef in seiner Erklärung grundsätzlich.
Schuld daran war ein Mann, der bei der Veranstaltung gar nicht dabei war: Donald Trump. Der hat in den vergangenen Wochen mehrfach gedroht, Powell zu feuern. Denn er will, dass die Fed die Leitzinsen senkt, um Geld für Konsumenten und Unternehmen billiger zu machen und dadurch eine Abschwächung der Wirtschaft zu vermeiden. Eine solche Einmischung des Präsidenten in die Entscheidungen der Fed gefährdet deren Unabhängigkeit – und das Vertrauen, das die Finanzmärkte in sie setzen.
In Posts auf seiner sozialen Medienplattform Truth Social nannte Trump den Fed-Chef «Mr. Too Late», weil die Notenbank seiner Meinung nach unter Powell zu spät auf Inflation und Konjunkturabschwünge reagiert habe und einen «grossen Verlierer». Auch wenn manche Ökonomen und Investoren Trumps Einschätzung durchaus teilen, sorgten Trumps verbale Übergriffe an den Finanzmärkten für Verunsicherung, vier Tage in Folge fielen die Börsenkurse. Auch der Dollar geriet unter Druck. Dann dementierte Trump plötzlich. Nie habe er Powell feuern wollen. Alles eine Erfindung der Medien.
Der Zusammenstoss ist auch deswegen ungewöhnlich, weil Powell von Trump während dessen erster Amtszeit nominiert wurde. Damals weigerte sich Trump ganz gegen die Gepflogenheit der damaligen Fed-Chefin Janet Yellen eine zweite Amtsperiode zu gewähren. Seine Begründung lautete unter anderem, Yellen sei mit knapp 1,60 Meter zu klein für den Job.
Böse Zungen behaupteten, der Präsident, der selbst lange einen Immobilienmogul im TV gab, habe Powell gewählt, weil der mit seinem silbernen Haarschopf und einem distinguierten Auftreten wie geschaffen aussah, die Rolle eines Fed-Chefs im Fernsehen zu spielen. Doch keine sechs Monate später war Trump unzufrieden mit seinem Notenbanker. Er bereue es, Powell nominiert zu haben, sagte er. Von da an ging es weiter bergab.
Auf den Druck von Trumps Seite angesprochen, die Zinsen zu senken, blockte Powell am Mittwoch ab.
Im Übrigen sei in der Sache alles gesagt.
Tatsächlich scheint sich die Notenbank Zeit nehmen zu wollen, bevor sie die Leitzinsen weiter senkt. Mehrfach betonte Powell, die Fed sei «nicht in Eile». Man wolle abwarten, was die weitere Entwicklung sei. Auch Zinssenkungen als präventive Massnahme, also vor einem Abschwung – was Trump ja fordert – schloss Powell aus. Notfalls sei man in der Lage, schnell zu reagieren – eine Bemerkung, in der man eine Zurückweisung von Trumps Vorwurf, die Fed warte zu lange, sehen kann.
Powell begründete das Stillhalten mit der Unsicherheit durch Trumps Zollpolitik. Niemand wisse, in welcher Breite, Höhe oder Dauer die angekündigten Zölle kommen würden. Powell wiederholte dieses Argument während der Pressekonferenz immer wieder: Er sei besorgt über mögliche Auswirkungen auf die Beschäftigung und die Inflation, aber es sei zu früh, um zu reagieren, da es so viel Unsicherheit in Bezug auf die Handelspolitik und die Zölle gibt. Der Schock durch die Zölle sei noch nicht eingetreten – «noch nicht», wie der Notenbankchef betonte.
Die von Trump von der Notenbank geforderte Zinssenkung würde für einige Erleichterung sorgen. Schliesslich findet ein grosser Teil des US-Konsums auf Kredit statt: von Kreditkarten, ohne die eine Mehrheit finanziell nicht über die Runden kommt, über Autodarlehen und Hypotheken bis hin zu Studentenkrediten. Auch bei den Unternehmen würden niedrigere Zinsen für Entlastung sorgen. Letztlich gibt Trump Druck an Powell weiter, der auf ihm lastet, schliesslich verdankt er seinen Wahlsieg vor allem auch dem Versprechen eines wirtschaftlichen Aufschwungs.
Derzeit ist jedoch die Stimmung unter den Verbrauchern so schlecht wie seit der Pandemie nicht. Auf der anderen Seite steht jedoch Powell ebenso in einer Zwangslage. Trumps Zölle drohen die Inflation im Land wieder neu anzufachen. Nach der Pandemie erreichte die Inflation zeitweilig fast zweistellige Raten, inzwischen liegt sie wieder bei 2,4 Prozent. Um die Inflation in den Griff zu bekommen, erhöhte die Fed drastisch die Zinsen und riskierte dadurch eine höhere Arbeitslosigkeit. Verständlich, dass Powell und seine Kollegen nun erst einmal abwarten wollen.
Zwar haben Powell und seine Notenbankkollegen die Leitzinsen bei dieser Sitzung unverändert gelassen. Doch Trump dürfte aus dem Ringen mit der Fed letztlich als Sieger hervorgehen. Wenn die Wirtschaft schwächer wird – und dafür gibt es immer mehr Anzeichen – dann wird der Notenbank nichts anderes übrig bleiben, als Geld billiger zu machen. Mit seiner öffentlichen Verunglimpfung kann Trump Powell die Schuld an einer möglichen Krise geben – oder die Lorbeeren für sich beanspruchen, sollte die Fed die Zinsen senken und so eine Rezession verhindern.
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.