Einmal angenommen, Donald Trump meint es ernst. Damit, dass die Lage an der Grenze zu Mexiko so zugespitzt sei, dass sie nur durch ein Mittel entschärft werden könne: Indem er einen Notstand ausruft, so Milliardensummen freimachen kann, um damit eine Grenzmauer zu bauen.
Dann hätte Trump seinen zentralen Auftritt, in dem er im Weissen Haus diesen Notstand verkündete, dazu nutzen können, die zahlreichen Skeptiker von der brenzligen Lage und der Notwendigkeit seines umstrittenen Schrittes zu überzeugen. Doch wer mit dieser Annahme Trumps Auftritt im Weissen Hauses erlebte, geriet schnell ins Stutzen. Trump schien sich nicht einmal Mühe zu geben.
Als Trump nämlich am Freitag aus seinem Oval Office in den Rosengarten hinabstieg, lieferte er einen Auftritt ab, der lustlos und abschweifend wirkte und immer wieder verräterrische Elemente enthielt, die seinen Kritikern neue Munition lieferten. Es war eine Stunde Lustlosigkeit mit dem Präsidenten. Wer ihn vor Ort in voller Länge erlebte, staunte, dass sich Trump bei diesem so zentralen Auftritt nicht um mehr Überzeugung bemühte.
Immerhin ist Trumps Schritt, den er verkündete, ein gewaltiger: Am Kongress, der allein den Haushalt festsetzen darf, vorbei, will der Präsident Milliarden Dollar umschichten und sie in die Errichtung seiner Idee einer Grenzmauer stecken. Für manche ist das ein Anschlag auf die Gewaltenteilung – es wird Klagen und politischen Widerstand, auch aus seiner eigenen Partei, dagegen geben.
Erstens überraschten Trumps Abschweifungen bei dem Termin. Trump verbrachte die erste Viertelstunde damit, dass er über die Handelsgespräche mit China und seinen geplanten Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un plauderte – da waren noch die grossen Fernsehsender live dabei. Auch später kam er immer wieder auf China zurück, auf den Wirtschaftsboom, später berichtete er auch noch davon, dass ihn Japans Premier Shinzo Abe für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen habe und lobte ein paar Meinungsmacher von Fox News über den Klee.
Von der Lage an der Grenze zu Mexiko flüchtete sich Trump immer wieder in andere Themen, dass man beinahe den Eindruck gewann, die Grenze sei für den Präsidenten nur eine Nebensache.
Zweitens liessen Trumps eigene Aussagen immer wieder Zweifel aufflammen, dass die Lage an der Grenze wirklich so akut bedrohlich sei. Trump selbst sagte in einer Antwort auf eine Journalistenfrage zur Verkündung des Notstands: „Ich hätte das nicht tun brauchen, aber ich wollte es viel schneller erledigen.“
Das Es-erledigen bezog sich auf den Bau der Grenzmauer, die er seinen Wählern so offensiv versprochen hatte. Das Hätte-nicht-tun-brauchen widersprach so offenkundig dem bedrohlichen Charakter eines Notzustandes, dass sich der politische Gegner prompt auf den Satz stürzte.
Clearest sign that @realDonaldTrump’s #FakeTrumpEmergency is not legitimate? The President himself says he didn’t need to declare a national emergency – it’s just a faster way to force taxpayers to foot the bill after Congress wouldn’t let him have his way. pic.twitter.com/igvnNk128J— Nancy Pelosi (@SpeakerPelosi) February 15, 2019
Drittens wiederholte Trump nur seine Behauptungen, dass Drogen nicht über die Grenzübergänge, sondern über die ungesicherten Grenzabschnitte eingeführt würden. Diese Behauptung ist von zahlreichen Experten und den eigenen Grenzschutzbehörden widerlegt.
Und schliesslich führte Trump einen Monolog in einem gequälten Singsang auf, wie der weitere Verlauf aussehen könnte: «Wir erklären jetzt den nationalen Notstand, dann werden wir verklagt, und sie verklagen uns im 9. Rechtsbezirk, (…) dann kriegen wir möglicherweise ein schlechtes Urteil, und noch ein schlechtes Urteil, dann geht es an den Supreme Court…»
Wie einen Sketch führte Trump also die Herausforderung für das System der Gewaltenteilung auf, die sein Schritt darstellen dürfte. Es werden Klagen folgen, erste Bundesstaaten wie Kalifornien und Bürgerrechtsorganisationen kündigten diese bereits an. Trump klang genervt von diesen Aussichten.
Für eine der wichtigsten Reden seiner Präsidentschaft war es erstaunlich, dass Trump keinem klaren Skript folgte. Einen Teleprompter hatte Trump im Rosengarten gar nicht erst aufbauen lassen, auf die Notizen schaute er nach wenigen Minuten nicht mehr hinab. Der Präsident wirkte fahrig.
Nach seinem Auftritt unterschrieb er das Dokument für die Einsetzung des Notstands ebenso wie jenes Haushaltspaket, das ihm nur die 1.375 Milliarden Dollar für neue Grenzzäune bewilligt hatte.
Dann flog der Mann, der soeben einen Nationalen Notstand erklärt hatte, nach Florida, für ein langes Wochenende in seinem Domizil Mar-a-Lago. Beim Abgang aus dem Weissen Haus winkte er noch den Journalisten, mit denen er sich zuvor auf der Pressekonferenz behakt hatte, freundlich zu.
Verwendete Quellen: