Sie sind allgegenwärtig – obwohl Ben Cohen und Jerry Greenfield ihre gleichnamige Glace-Firma doch bereits vor 25 Jahren an das britische Konglomerat Unilever verkauft haben. In der Fabrik in Waterbury im Bundesstaat Vermont, die 1985 eröffnet wurde, grüssen die markanten Gesichter der Ben & Jerry's-Gründer aber noch immer die zahlreichen Touristen.
Auf einer Führung durch die Produktionsstätte erzählt eine junge Angestellte mit grossem Enthusiasmus, wie die zwei langjährigen Freunde in den Siebzigerjahren in einer ehemaligen Tankstelle in Burlington mit der Herstellung von extra-rahmiger Eiscreme begonnen hätten. Das entsprechende Fachwissen brachten sich die beiden Spät-Hippies im Selbststudium bei. Zwischenzeitlich aber, erzählt sie weiter, hätten sich Ben und Jerry aus dem Tagesgeschäft fast vollständig zurückgezogen.
Glaubt man der Gerüchteküche, dann könnte sich dies bald ändern. Demnach haben die beiden Mittsiebziger Cohen und Greenfield Interesse am Rückkauf ihrer Glace-Firma signalisiert. Unilever wies zwar kürzlich einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur «Bloomberg» zurück: «Ben & Jerry's steht nicht zum Verkauf», liess der Grosskonzern ausrichten.
Aber der Zeitpunkt für ein Ende der ungewöhnlichen transatlantischen Partnerschaft wäre dennoch aus drei Gründen ideal. Erstens befindet sich Unilever mitten in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Soeben wechselte das Konglomerat, zu dem auch bekannte Marken wie Persil, Dove, Knorr und Vaseline gehören, den Konzernchef aus. Zweitens will Unilever bis Ende Jahr das Glace-Geschäft in eine separate Firma abspalten, die dann in Amsterdam an die Börse gebracht werden soll.
Am wichtigsten ist aber Grund Nummer drei: Ben & Jerry's in Vermont und die Unilever-Zentrale in London scheinen unheilbar zerstritten zu sein. Im Herbst des vergangenen Jahres reichte der Glace-Hersteller vor einem New Yorker Bundesgericht gar eine Zivilklage gegen den Mutterkonzern ein. Darin wird Unilever beschuldigt, die Übernahmevereinbarung aus dem Jahr 2000 gebrochen zu haben.
Diese Vereinbarung ist einmalig. Denn sie gewährte Ben & Jerry's unter dem grossen Dach vom Unilever-Grosskonzern, der für 2024 einen Jahresumsatz von 61 Milliarden Euro auswies, eine gewisse Unabhängigkeit. So kann der Glace-Hersteller weiterhin progressive Ziele unterstützen, so wie das schon Cohen und Greenfield taten. 7,5 Prozent der Vorsteuergewinne von Ben & Jerry's fliessen in eine Stiftung, die sich für soziale und ökologischen Anliegen starkmacht. 2022 waren das immerhin 5,2 Millionen Dollar. Darüber wacht ein unabhängiger Verwaltungsrat.
Dieses Gremium sagt nun, dass Unilever gewisse Grenzen überschritten habe. So wurde der Verwaltungsrat daran gehindert, die Palästinenser im Gaza-Streifen rhetorisch und finanziell zu unterstützen. Die Konzernzentrale habe darauf bestanden, im Nahost-Konflikt eine «neutrale» Haltung einzunehmen, ist der Klageschrift zu entnehmen. Der Vorwurf der Zensur hängt im Raum, ein klarer Verstoss gegen die Übernahmevereinbarung.
Schwerer wiegt aber der Vorwurf, dass Unilever die Integrität der Eiscreme-Marke beschädige. Und damit die «social mission» des Unternehmens infrage stelle. Zu diesem Thema hat der ehemalige Journalist Brad Edmondson 2013 ein ganzes Buch geschrieben, unter dem amerikanischen Titel «Ice Cream Social». Im Untertitel heisst es: «Der Kampf um die Seele von Ben & Jerry's».
Im Gespräch zeigt sich Edmondson deshalb nicht weiter überrascht, dass die beiden Seiten im Streit liegen. «Ben & Jerry's ist eine ganz besondere Firma», sagt er. Während viele Unternehmen nur zur Schau über ihr soziales Engagement sprächen, sei es Ben & Jerry's bitterernst.
Dies habe immer wieder zu Problemen mit Unilever geführt; so protestierte der Verwaltungsrat dagegen, dass Ben & Jerry's im Westjordanland aktiv war. Dies sei mit der «social mission» des Unternehmens nicht vereinbar, befand das Gremium. Unilever sah sich deshalb dazu gezwungen, das Glace-Geschäft in Israel vollständig zu verkaufen.
Ob das Gerücht stimmt, dass Ben und Jerry sich Ben & Jerry's wieder unter den Nagel reissen wollen, kann Edmondson nicht sagen. Klar ist aber, dass die beiden Co-Gründer zahlreiche Investoren von dem Unterfangen überzeugen müssten. Im Jahr 2000 bezahlte Unilever für den Glace-Hersteller 326 Millionen Dollar. Heute ist die Firma ein zweistelliger Milliardenbetrag wert.