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Wie sich Chinas Diktator an Australien die Zähne ausbeisst

Analyse

Wie sich Chinas Diktator an Australien die Zähne ausbeisst

Australien wird von China bedroht, aber Xi Jinping beisst sich an dem Land die Zähne aus. Für Peking ist die Lage fatal: Australien hat eine Schwäche Chinas offengelegt – und davon profitiert auch Europa.
26.06.2023, 21:24
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Ein Artikel von
t-online

Fast alle Augen richten sich aktuell auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Der Überfall Russlands stellt viele andere Konflikte in den Schatten. Doch sicherheitspolitisch gerät seit vielen Jahren der Indopazifik immer mehr in den Fokus der Gross- und Supermächte. Denn einige der Seewege in der Region gelten als die wichtigsten Handelsstrassen weltweit. Wer sie kontrolliert, hat auch ein Stück weit Kontrolle über die Weltwirtschaft – und damit einen gewichtigen Machthebel.

China und die USA ringen deshalb erbittert um die Vorherrschaft im Indopazifik. Es gibt gegenseitige Drohungen und gelegentlich kommen sich die Kriegsschiffe beider Seiten gefährlich nah.

Aber nicht nur im Konflikt um die Inselrepublik Taiwan liegt eine Eskalation in der Luft, es könnte noch schlimmer kommen: China hat vor einigen Jahren begonnen, Australien ins Visier zu nehmen – mit Spionage, mit militärischen Drohgebärden und mit einem Wirtschaftskrieg.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat im Konflikt mit Australien jedoch einen schweren Stand. Auf den ersten Blick scheint China ökonomisch und militärisch überlegen, aber reicht das aus? In dem Konflikt könnte Xi vor allem eine chinesische Schwäche zum Verhängnis werden.

Aus engen Partnern werden Rivalen

Im Ringen um die Vorherrschaft im Indopazifik ist Australien der chinesischen Führung ein Dorn im Auge. Zwar haben von 25 Millionen Australiern mehr als eine Million chinesische Wurzeln, weshalb man vermuten könnte, dass die Völker sich nahestehen.

China's President Xi Jinping addresses the Australia China state and provincial leaders forum in Sydney, Australia Wednesday, Nov. 19, 2014.(AP Photo/Jason Reed, Pool)
Xi Jinping bei einem Auftritt 2014 in Sydney.Bild: AP/Reuters POOL

Aber: Australien ist nicht nur demokratisch und damit ein Systemfeind, sondern gehört neben Japan und Südkorea auch zu den engsten Verbündeten der USA in der Region. Hinzu kommt, dass Australien eine reiche und aufstrebende Rohstoffmacht ist, die in Zukunft geostrategisch an Einfluss gewinnen wird.

Deswegen versuchte China früh, Australien unter seine Kontrolle zu bringen – indem es zunächst die Wirtschaftsbeziehungen zu dem Land ausbaute. Noch im Jahr 2014 sprach Xi Jinping im australischen Parlament, wo er als Hoffnungsträger galt.

Aber diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht.

So ist China zwar noch immer der grösste Handelspartner Australiens, aber die Beziehungen beider Staaten haben sich seit 2017 zusehends verschlechtert. Wichtigster Grund dafür: China trieb es mit der Einflussnahme auf Australien schlichtweg zu weit.

Der lange Arm Chinas

Die Krisenzeit begann mit einem Spionagedrama. Im Zentrum standen der chinesische Milliardär Huang Xiangmo und der australische Abgeordnete Sam Dastyari. Dastyari galt damals als Jungstar der Labour-Partei und Xiangmo ist ein Geschäftsmann mit guten Kontakten zur chinesischen Führung.

Dastyari hatte nicht nur Spenden seines chinesischen Gönners angenommen, sondern ihn auch vor der Überwachung durch den australischen Geheimdienst gewarnt. Ein Skandal, der Australien mitten im Wahlkampf 2017 traf.

Und es sollte nicht der letzte Skandal gewesen sein. Immer wieder versuchten chinesische Geschäftsleute, sich mit Geld Einfluss zu erkaufen. Auch der langjährige Labour-Chef Bill Shorten hatte von einem chinesischen Milliardär umgerechnet 41'000 US-Dollar für ein gemeinsames Mittagessen angenommen. Die Nerven in Australien lagen blank – und der damalige Premierminister Malcolm Turnbull wechselte bei einer Wahlkampfrede gar ins Chinesische und rief das australische Volk auf, «sich zu erheben» gegen unziemliche ausländische Einflussnahme.

Huang Xiangmo mit Australiens ehemaligem Premierminister Malcolm Turnbull im Jahr 2016.
Huang Xiangmo mit Australiens ehemaligem Premierminister Malcolm Turnbull im Jahr 2016.Screenshot: ACPPRC

All das, so sehen es Beobachter, zeigt: Der Versuch Chinas, Einfluss zu nehmen, folgt einer klaren Strategie aus Peking: Der Milliardär Huang Xiangmo hatte gute Beziehungen zur sogenannten Einheitsfront. Diese Abteilung der Kommunistischen Partei verfolgt die Mission, den Einfluss der Partei unter Nichtkommunisten im In- und Ausland zu stärken. Oder anders: Xi hat die Einheitsfront wiederbelebt, um sich im Ausland Macht zu erkaufen – auch in Europa. Er bezeichnete sie in der Vergangenheit als «Zauberwaffe» der Partei.

Einflussnahme aus Peking: Australien reagiert

Australien befindet sich plötzlich in der Situation wieder, dass der mit Abstand wichtigste Handelspartner die politische Souveränität des Landes nicht akzeptiert. Darüber hinaus gibt es chinesische Wirtschaftsspionage und Hackerangriffe; chinesische Unternehmen kaufen sich immer mehr Land in Down Under.

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Doch dann kam die Wende. Nach dem Wahlkampf 2017 begann Australien sich zu wehren.

Das Land schloss den chinesischen Konzern Huawei vom 5G-Ausbau aus und forderte Peking öffentlich dazu auf, Menschenrechte in Hongkong und im Umgang mit den Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang einzuhalten.

Ausserdem forderte die australische Regierung im Jahr 2020 eine Untersuchung über die Verantwortung Chinas für den Ausbruch der Corona-Pandemie. Für Peking war das ein Schlag ins Gesicht.

Verärgert zettelte die Regierung in Peking deshalb einen Wirtschaftskrieg gegen Australien an: Sanktionen, Strafzölle und Einfuhrsperren für viele australische Güter sollten die Regierung in Canberra in die Knie zwingen. Hinzu kamen chinesische Cyberangriffe und die Regierung in Peking verbot chinesischen Touristen, in Australien Ferien zu machen.

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Kampf gegen Sanktionen: ein Sieg für Australien

Der Schock in einigen Bereichen der australischen Wirtschaft war zunächst gross. Doch er hielt nur kurz, die Sanktionen zeigten nur wenig Wirkung. Und dafür gibt es Gründe:

  • Australiens Wohlstand: Im internationalen Vergleich hat Australien weltweit laut Internationalem Währungsfonds das zwölftgrösste Bruttoinlandsprodukt. Viele australische Haushalte haben im internationalen Vergleich ein hohes Nettovermögen – pro Kopf sind es durchschnittlich 550'110 US-Dollar (Rank 5); die Deutschen haben dagegen nur 256'985 US-Dollar (Rank 19). Der australische Wohlstand macht das Land widerstandsfähiger gegenüber Wirtschaftskrisen. Die Australier sitzen auf viel Geld für Investitionen und Betriebe haben oft ausreichend Kapital, um ihre Produktion umzustellen, wenn es nötig ist.
  • Die vielen Rohstoffe: Australien ist eine Rohstoffgrossmacht und profitiert jetzt von der Rohstoffkrise durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Das Land liefert nicht nur Kohle in viele Länder in Südostasien, sondern gehört auch zu den drei grössten Exporteuren von Flüssiggas. Dass weniger Geld durch den Handel mit China ins Land kommt, ist auch deshalb verkraftbar, weil Australien künftig viele Rohstoffe exportieren kann, die für Klimatechnologien gebraucht werden: seltene Erden, Gold, Zink, Kobalt oder Lithium.
  • Neue Handelspartner: Angesichts der chinesischen Sanktionen war es für Australien hilfreich, dass die aggressive Aussenpolitik Chinas unter seinen Nachbarn für Misstrauen sorgt. Viele Länder halfen Australien und boten der australischen Wirtschaft neue Absatzmärkte als Alternative zu China. Japan, Indien, Südkorea, Vietnam, Indonesien, Philippinen, Taiwan. Einige kauften mehr australische Kohle, andere mehr LNG, wiederum andere mehr landwirtschaftliche Produkte wie Weizen und Gerste.
FILE - This undated file photo shows a Qatari liquid natural gas (LNG) tanker ship being loaded up with LNG, made up mainly of methane, at Raslaffans Sea Port, northern Qatar. Qatar is home to roughly ...
LNG-Tanker in Katar.Bild: keystone

Manche Experten sagen deshalb: Die australische Wirtschaft hat die chinesischen Sanktionen gestärkt überstanden und ist nun breiter aufgestellt. Richard McGregor, Chinaexperte des australischen Lowy Institute, sagte dem «Handelsblatt»:

«Sein Hauptziel, Australiens Wirtschaft hohe Kosten aufzuerlegen und damit die nationale Sicherheitspolitik zu ändern, hat China mit seinen Handelsbeschränkungen nicht erreicht.»

Xi Jinping hat mit den Strafzöllen seine Machtposition in der Region eher geschwächt. Zugleich hat er mit den Strafmassnahmen ungewollt auch anderen Ländern eine Warnung gesandt, was passieren könnte, wenn sie ihre Wirtschaft nicht unabhängiger von der Volksrepublik machen.

Mittlerweile scheint es, als habe China sich die wirtschaftliche Niederlage eingestanden. Xi Jinping sprach nach einer langen Eiszeit in den bilateralen Beziehungen Ende 2022 mit dem australischen Premierminister Anthony Albanese.

Australian Prime Minister Anthony Albanese, left, meets Chinese President Xi Jinping on the sidelines of the G-20 summit in Nusa Dua, Bali, Indonesia, Tuesday, Nov. 15, 2022. Albanese met with Chinese ...
Der australische Premier Anthony Albanese setzt sich dafür ein, die Beziehungen zu China wieder zu verbessern.Bild: keystone

Beide Staaten sind seither darum bemüht, ihre Beziehungen zu verbessern, und China strich viele der Sanktionen wieder. In einigen Monaten 2023 verzeichnete dann der Handel zwischen China und Australien sogar wieder Rekordwerte. Für Xi ein Eingeständnis der eigenen Niederlage.

«Die wirtschaftliche Situation in China ist nicht gut, und die Probleme wachsen weiter», erklärte China-Experte Klaus Mühlhahn im Interview mit t-online. Die Jugendarbeitslosigkeit sei hoch, viele Städte hätten sich noch nicht von der Corona-Pandemie erholt und sind hoch verschuldet. «Das erzeugt Unruhe und China merkt jetzt, dass dieses aggressive Gehabe in der Aussenpolitik nicht ganz im Einklang steht mit den wirtschaftlichen Realitäten.» Auch deswegen ist China aktuell an einer Normalisierung der Beziehungen zu Australien interessiert.

Der Koala hat es nicht nur geschafft, dem Drachen zu widerstehen. Das Land wird als Regionalmacht im westlichen Bündnis zu einem immer wichtigeren Partner.

China fehlen Bündnispartner

Trotzdem bleibt Australien misstrauisch, was sich vor allem im militärischen Bereich zeigt. Australien rüstet massiv auf und die Regierung kündigte erst im April eine Militärreform an. Die Armee soll für den Einsatz von Raketentechnologie umgerüstet werden. Angedacht sind Raketen mit einer deutlich höheren Reichweite als bisher. Darüberhinaus kauft Australien U-Boote aus den USA.

Die australische Angst vor China ist berechtigt. Immerhin hat die Volksrepublik mittlerweile die grösste Marine der Welt und Peking hat 2022 ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen unterzeichnet – um Australien einzuschüchtern. Von dort könnte die chinesische Marine australische Gewässer sperren, überwachen und kontrollieren.

Die Schifffahrtswege sind die Achillesferse der australischen Wirtschaft, denn sie ist abhängig von Ölimporten. Wenn China also die Seewege sperren würde, könnte das die australische Wirtschaft in wenigen Wochen lahmlegen.

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Grafik: t-online / Google Maps

Doch Australien hat einen entscheidenden Vorteil: Es hat starke Verbündete wie die USA oder Grossbritannien, während Chinas aggressive Aussenpolitik in den vergangenen Jahren eher für grosses Misstrauen in der Region gesorgt hat. Xi hat kein Bündnis, das China aussen- und sicherheitspolitisch stärkt, ist zunehmend isoliert.

Davon profitiert am Ende Australien. Der Koala hat es nicht nur geschafft, dem Drachen zu widerstehen. Das Land wird als Regionalmacht im westlichen Bündnis immer mehr zu einem Partner, der geostrategisch immer wichtiger wird. Vor allem als Gegengewicht zu China.

Australien schickt weitere militärische Ausrüstung in die Ukraine
Australien unterstützt die ukrainischen Streitkräfte mit weiterer militärischer Ausrüstung und humanitärer Hilfe im Wert von 110 Millionen Australischen Dollar (65 Millionen Franken). Unter anderem würden 70 Militärfahrzeuge geliefert, darunter 28 M113-Panzerfahrzeuge, sagte Premierminister Anthony Albanese am Montag.

Das Land habe der Ukraine seit der Invasion Russlands im Februar 2022 bereits Material im Wert von mehr als 650 Millionen australischen Dollar zur Verfügung gestellt, darunter Bushmaster-Panzerfahrzeuge, Haubitzen des britischen Typs M77 und Drohnen, berichtete der australische Sender ABC. Die Ukraine wiederum habe Australien wiederholt aufgefordert, auch ausgemusterte Kampfflugzeuge und Hawkei-Patrouillenfahrzeuge zu schicken – beides sei aber in der Lieferung nicht enthalten. Er habe diese Entscheidung nach Beratungen mit den australischen Verteidigungsstreitkräften getroffen, sagte Albanese. (sda/dpa)

Quellen

(t-online/dsc)

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quelle: shutterstock / peter galleghan
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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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manuel0263
26.06.2023 23:45registriert Februar 2017
Wenn es Australien gelingt, unabhängiger von China zu werden, dann sollte das auch für Europa möglich sein...Diktaturen kann man nicht vertrauen.
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Rivka
26.06.2023 21:56registriert April 2021
Seht ihr nun wie es ist ein Land mit Grossmachtsphantasien wie China und Russland als Nachbar zu haben? Die Heuchelei Chinas ist wieder einmal nicht zu überbieten. Wenn jemand was gegen die menschenverachtende Behandlung von Uiguren, Tibeter und Hongkong sagt, brüskieren sich diese arroganten Mis*kerle über Einmischung in innere Angelegenheit aber sie selbs tun alles um Nachbarländer zu unterwandern und zu terrorisieren.
Was für ein Glück für Australien, dass es von Menschen geführt wird, die ihr Land lieben und es nicht zum China-Vasallen machen wollen.
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stronghelga
27.06.2023 03:22registriert März 2021
Gut, wenn dank der Medien die (un-) heimlichen Machenschaften Chinas immer wieder an die Öffentlichkeit gelangen. Damit werden die von diesem totalitären Staat so gerne und so häufig präsentierten Sprüche zur Nichteinmischung und Achtung von Staatsgrenzen stets von Neuem als Blendwerk entlarvt. Es ist tragisch genug, dass die unrechtmässige Okkupation Tibets sowie die brutale Unterdrückung der Uiguren so langsam aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden.
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